Ein Artikel von Jonas Piela, Managing Director Piela & Co. Digital Consultants
GenAI ist ein mächtiges Werkzeug, das aus Trainingsdaten neue Inhalte generieren kann. Es ermöglicht die Umformulierung von Texten, aber auch die Erstellung von Bildern und Videos. Dennoch ist es wichtig, die Grenzen von GenAI zu erkennen. Es ist kein Allheilmittel, das alle Aufgaben erledigen kann, und es ersetzt nicht die menschliche Kreativität. Vielmehr kann es als Ergänzung gesehen werden. GenAI ist keine Magie, sondern Mathematik, die Daten in unterschiedlichen Konstellationen kombiniert, um neue Inhalte zu erstellen.
Der Einsatz von GenAI im Kundenservice: Ein konkretes Beispiel
Ein Kunde fragt telefonisch, ob er sein Kind im Auto mitfahren lassen darf und ob dies in seinem aktuellen Vertrag extra kostet. Um diese Frage mithilfe von GenAI zu beantworten, müssen alle Paragrafen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) in eine Datenbank eingefügt werden. Diese Paragrafen können mit einer KI erweitert und detaillierter beschrieben werden, um im nächsten Schritt einen umfangreicheren Text zur Verfügung zu haben. Die Kundenfrage wird dann mit jedem Paragrafen der AVB verglichen, und die KI wird gefragt, ob der Paragraf die Frage beantwortet. Wenn dies der Fall ist, wird die KI aufgefordert, eine Antwort unter Verwendung des entsprechenden Paragrafen zu formulieren.
Diese Antwort wird dann dem Kunden zurückgespielt. Dieser Prozess verdeutlicht, dass es sich bei GenAI nicht um ein einzelnes Modell handelt, sondern um eine Kombination verschiedener Modelle, die jeweils auf bestimmte Aufgaben spezialisiert sind. Diese Modelle werden hintereinandergeschaltet, wobei klassische Softwareentwicklungssysteme die Ausgaben der vorhergehenden KI umformen, weiterleiten und als Input für die nächste KI verwenden.
Die Herausforderungen der Implementierung: Zeit, Daten und Systemintegration
Die Integration von GenAI in ein Telefongespräch, bei dem die KI den Anruf entgegennimmt und bearbeitet, stellt jedoch Herausforderungen dar. Zum einen dauert die Verarbeitung und die Rückgabe einer Antwort im derzeitigen Stand der Technik vergleichsweise lange, da viele komplexe Abfragen gleichzeitig gestellt werden müssen. Zum anderen können die Antworten falsch sein, weshalb eine Plausibilitätsprüfung mit einem weiteren Large Language Model sinnvoll ist.
Um die Qualität der Antworten im Vorfeld zu verbessern, können mit GenAI viele mögliche Fragen generiert werden, die dann dem Modell gestellt und deren Antworten von Menschen überprüft werden. Dieses Feedback dient dann der Optimierung des Modells.
Die größten Herausforderungen bei der Implementierung von GenAI liegen jedoch in den Daten und der Systemintegration. Oft wird der Spruch „Daten sind das neue Öl“ bemüht, aber vergessen wird, dass diese Daten relevant, aktuell, bereinigt und vollständig sein müssen. Die größte Herausforderung liegt darin, diese Daten zugänglich zu machen, da verschiedene Systeme oft nicht miteinander kompatibel sind. Die fehlende Kompatibilität von Exportdateien, die in Kopfzeilen unnötige Leerzeilen enthalten, führt zu Problemen bei der Datenübertragung und erfordert manuelle Bereinigung.
Unternehmen haben jedoch den Vorteil, über eigene Daten zu verfügen, die Wissen beinhalten. Dieses Wissen ist jedoch oft implizit und nicht in einer für GenAI zugänglichen Form verfügbar.
Use Cases: Von Textumformulierung bis zur Schadenmeldung
Neben den Daten selbst benötigt man auch Systeme, die GenAI umsetzen und die Ergebnisse transformieren, umwandeln und übertragen können. Hierfür ist herkömmliche Software notwendig, die Daten zwischen Systemen austauscht und verschiedene GenAI-Modelle hintereinanderschaltet.
Use Case Textumformulierung
Die Suche nach sinnvollen Use Cases für GenAI ist ebenfalls essenziell. Eine der einfachsten Aufgaben ist die Umformulierung von Texten. Die Erstellung von Bildern, Videos und Audio ist hingegen komplexer und die Ergebnisse sind oft nicht überzeugend. Ein weiterer Anwendungsbereich ist die Next Best Action, bei der die KI basierend auf Kundendaten Handlungsempfehlungen gibt. So können Kundendienstmitarbeiter noch während des Gespräches mit dem Kunden sinnvolle Hinweise in ihrer Software erhalten, wie mit dem Kunden zu verfahren ist. Die Software könnte dann bei guten Kunden, die eine gute Schadenhistorie haben, vorschlagen, kulanter auf die Wünsche zu reagieren, während die Software bei Kunden mit schlechter Zahlungsmoral und hohem Schadenaufwand vorschlägt, restriktiver mit den Wünschen umzugehen.
Auch Mitarbeiter im Vertrieb können Vorschläge erhalten, welche alternativen Angebote dem Kunden unterbreitet werden könnten. Mitarbeiter in der Telefonie könnten Vorschläge für Cross- und Up-sell-Angebote erhalten. Mitarbeitern in der Maklerbetreuung könnte vorgeschlagen werden, welche neuen Marketingkampagnen für den jeweiligen Makler auf Basis der Kunden- und Produktionshistorie oder auch der Kundendemografie passend sein könnten. In allen diesen Fällen ist menschlicher Input wichtig, da die KI nicht über die gesamte Erfahrung eines Menschen verfügt.
Dokumente einlesen, Trainingsdaten erzeugen, Schadenmeldungen vereinfachen
Ein weiterer Use Case ist das Einlesen von Dokumenten, was zwar nützlich ist, aber eigentlich eher ein Anwendungsfall von Machine Learning ist. GenAI kann außerdem zum Generieren von Trainingsdaten verwendet werden, was jedoch kein neues Wissen aus der realen Welt liefert. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Vereinfachung von Schadenmeldungen durch Live-Video-AI-Schadendokumentation. So könnte mich eine künstliche Intelligenz in der App für Schadenmeldungen durch meine Schadenmeldung führen. Ich würde beispielsweise einen Kfz-Schaden mit der Handykamera aufnehmen und die KI würde mich zu den interessanten Dingen führen nach dem Motto: „Bitte zeigen Sie mir jetzt die Details des Kotflügels vorne rechts.“
Die Möglichkeiten erscheinen vielversprechend, dennoch ist es wichtig, realistisch zu bleiben. So kann es für den Versicherer beispielsweise günstiger sein, wenn der Kunde die Daten zu einer Schadenmeldung selbst eintippt, da die KI dann nur noch zur Kontrolle der Daten eingesetzt werden muss.
Fazit: GenAI als Chance, aber nicht als Allheilmittel
GenAI ist eine Chance, um Prozesse zu automatisieren, zu optimieren und die User Experience zu verbessern. Es ist jedoch wichtig, GenAI als eine Technologie zu sehen, die integriert und sinnvoll eingesetzt werden muss. Die Konzentration auf die Datenqualität und die Systemintegration ist entscheidend, um die volle Kraft von GenAI nutzen zu können. Unternehmen sollten ihre Investments in IT und die Modernisierung erhöhen, um für die Zukunft der Technologie gerüstet zu sein.
Es ist ebenso wichtig, die Mitarbeiter über GenAI aufzuklären und ein grundlegendes Verständnis für die Technologie zu fördern. Nur so können die Chancen dieser neuen Technologie voll ausgeschöpft werden.
Bild: © Ewa – stock.adobe.com, Porträtfoto: © Jonas Piela
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 09/2024 und in unserem ePaper.
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