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13. August 2024
Ist Inflation noch ein ernsthaftes Risiko?

Ist Inflation noch ein ernsthaftes Risiko?

Spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs ist die Inflation als wirtschaftliches Phänomen wieder in aller Munde. Doch inwiefern ist sie heutzutage noch als langfristiges Risiko ernst zu nehmen? Ein Kommentar des Asset-Managers Metzler AM setzt sich mit dieser Frage auseinander.

Die Corona-Pandemie, die geopolitischen Spannungen und die Energiekrise haben die Weltwirtschaft auf den Kopf gestellt – so beginnt Edgar Walk, Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter Metzler Asset Management, einen aktuellen Kommentar zum Thema Inflation. Denn über diese wird, spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs, fortlaufend berichtet. Doch guckt man sich diverse wirtschaftliche Bewegungen im Kontext dieser Krisen an, so scheint die Inflation gar kein so großes Risiko mehr zu sein, findet Walk.

Starke Auswirkungen auf die Wirtschaft

Angesichts der wirtschaftlichen Einflüsse jener Krisen reagierten die USA mit einer massiven Erhöhung der Staatsausgaben, um die Einkommen der privaten Haushalte zu stützen und eine Investitionsoffensive zu finanzieren, die die Energiewende und eine geringere Abhängigkeit von China vorantreiben sollte. In der Folge machten die Staatsausgaben statt wie bisher 20% etwa 40% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus.

Aufgrund der drastisch gestiegenen Staatsausgaben gab es eine erhebliche Geldflut auf die Konten von Unternehmen und privaten Haushalten bei den Banken, und somit zu einem starken Geldmengenwachstum, so Walk. Im Januar 2021 erreichte die Wachstumsrate der Geldmenge M2 mit 25,6% einen historischen Höchststand. Zuvor lag der Rekord bei 13,8% im Februar 1976. In den 70er-Jahren sorgten zweistellige Wachstumsraten der Geldmenge für zweistellige Inflationsraten. Unternehmen können nämlich nur dann ihre Preise erhöhen, wenn die Konsumenten diese Preise auch zahlen können.

Gleichzeitig gerieten auch die Lieferketten unter Druck. Der „Global Supply Chain Pressure Index“ der Federal Reserve of New York erreichte im Dezember 2021 mit einem Wert von mehr als vier Standardabweichungen einen absoluten Rekord. Eine solche Einschränkung der Lieferketten kann nur als ein Extremereignis bezeichnet werden, findet Walk.

Vergleichsweise „geringe“ Inflation

Angesichts dieser außergewöhnlichen Kombination aus starker Nachfrage und eingeschränktem Angebot sei es laut Walk bemerkenswert, dass die Inflation nur bis auf 9,1% im Juni 2022 stieg. Ein Blick in die Historie zeige, dass bei einem niedrigeren Geldmengenwachstum oft kein enger Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Inflation besteht. Bei einem hohen Geldmengenwachstum sei jedoch nahezu eine „Eins-zu-Eins-Beziehung“ beobachtbar. In der Türkei beispielsweise verzeichnete die Geldmenge M1 eine Wachstumsrate von 53,5% im Jahr 2023, während die Inflation bei 53,4% lag. Gegeben dem hohen Geldmengenwachstum und den Angebotseinschränkungen 2021 und 2022 wäre eine Inflationsrate in den USA von über 20% vor diesem Hintergrund nicht überraschend gewesen.

Und ebenso sei für Walk erstaunlich, wie schnell die Inflation wieder sank, während das Wirtschaftswachstum stabil blieb.

Wann soll die Inflation denn dann steigen?

Walk wirft die Frage auf, wodurch die Inflation denn dann massiv dauerhaft steigen sollte, wenn selbst eine massive Geldmengenexplosion und eine historische Lieferkettenkrise dies nicht schaffen. Ein wichtiger Faktor dabei sei die stabilere Entwicklung der Dienstleistungspreise und dass Waren nur 40% des Konsumentenpreisindex ausmachen. Auch helfe die Globalisierung: Trotz der Lieferkettenprobleme konnten die USA in erheblichem Umfang importieren. Und auch seien die Folgen der Wirtschaftskrise und Deflation in China nicht zu unterschätzen. Ein boomender Konsum in China hätte die Inflation in den USA deutlich stärker ansteigen lassen.

Als letzten Punkt beschreibt Walk, dass es in einer immer noch stark globalisierten Welt für Unternehmen sehr schwer sei, die Preise stetig in großen Sprüngen anzuheben. Es sei somit unwahrscheinlich, dass ein gefährlicher Inflationsprozess in Gang kommt. Hinzu komme der rapide technologische Wandel. Künstliche Intelligenz werde erhebliche Auswirkungen auf die Produktivität in den kommenden Jahren haben. Solange es also nicht zu einer echten Deglobalisierung komme, seien die Risiken einer strukturell hohen Inflation begrenzt. Als eine strukturell hohe Inflation können laut Walk Inflationsraten von über 5,0% bezeichnet werden. (mki)

Bild: © Joseph – stock.adobe.com