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1. Mai 2022
Investmentbasierte Altersvorsorge – Das Modell funktioniert
Investmentbasierte Altersvorsorge – Das Modell funktioniert

Investmentbasierte Altersvorsorge – Das Modell funktioniert

Die Altersvorsorge vieler Deutscher steht auf wackeligen Füßen. Betriebliche Altersversorgung und private Vorsorge werden künftig eine größere Last zu tragen haben, sind darauf allerdings nicht optimal ausgerichtet. Wie man diesem Zustand abhelfen könnte, erklärt Altersvorsorgeexperte Charles Neus.

Ein Artikel von Charles Neus, Head of Retirement Solutions bei Schroder Investment Management

Die Aussage des ehemaligen Arbeitsministers Norbert Blüm „Die Rente ist sicher“ ist richtig. Noch heute gehört die gesetzliche Rentenversicherung zur tragenden Säule der Altersvorsorge in Deutschland und sorgt für beständige Einkommen im Ruhestand. Der Haken ist nur: Die Renteneinkommen reichen bei Weitem nicht aus, um im Alter vernünftig über die Runden zu kommen. So viel ist sicher: Ohne private Zusatzvorsorge wird es nicht funktionieren. Und noch etwas ist gewiss: Angesichts historisch niedriger Zinsen haben Sparbuch und Co. ausgedient. Damit lassen sich die erforderlichen Renditen nicht mehr erwirtschaften. An einer investmentbasierten Altersvorsorge führt also kein Weg vorbei.

Diversifikation

Und obwohl dies den Deutschen bewusst ist, verhalten sie sich zurückhaltend und zögerlich, wenn es um das Thema private Geldan­lage geht. Zu groß ist die Sorge, das Angesparte auch wieder verlieren zu können. Natürlich sind Anlagen an den Finanz- und Kapitalmärkten mit Risiko verbunden. Zu dieser Wahrheit gehört aber ebenso die Erkenntnis, dass es in der Finanzwirtschaft langjährig erprobte Methoden gibt, um mit diesem Risiko verantwortlich umgehen zu können. Das vielleicht wichtigste Konzept heißt Diversifikation, also die Streuung des Investmentvermögens auf eine Vielzahl unterschiedlicher Anlageklassen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben bestätigt, dass mit dieser Methode das Verlust­risiko eines Portfolios signifikant eingeschränkt werden kann.

Und noch eine gute Botschaft. Für die Streuung der Geldanlage stehen heute Investmentstrategien zur Verfügung, die den Grundsatz der Diversifikation – nämlich nicht alle Eier in nur einen Korb zu legen – in verschiedenster Art umsetzen. Zu Beginn waren dies klassische Mischfonds, in denen die Anlageklassen Aktien und Renten miteinander kombiniert wurden. Unter dem Begriff Multi Asset erfolgte dann die Weiterentwicklung dieser Strategie. Moderne Multi-Asset-Fonds sind heute in der Lage, eine Vielzahl unterschiedlicher Asset-Klassen zu berücksichtigen, um so einen Gleichlauf der Renditen im Portfolio nach Möglichkeit zu vermeiden. Je nach gewünschtem Risiko-Renditeprofil können die Anlageklassen dabei unterschiedlich gewichtet werden. Entsprechend der Risikoneigung eines Anlegers kann dieser zwischen konservativen, ausgewogenen oder auch offensiveren Konzepten auswählen.

Praxistest Niederlande

Dennoch: Viele Anleger:innen bleiben hierzulande skeptisch. Ein Blick über die Landesgrenzen hinweg könnte helfen, die Dinge in einem anderen Licht zu betrachten. Die Niederlande haben ein System installiert, das zeigt, dass die Altersvorsorge auch mithilfe der Kapitalmärkte durchaus sicher und attraktiv sein kann. Aus diesem Grund genießt es international hohes Ansehen. Im Melbourne Mercer Global Rentenindex zum Beispiel sind die Niederlande stets unter den drei Top-Ländern gelistet. Dieser Index vergleicht die Altersvorsorge von zwanzig Ländern, auf die fast 60% der Weltbevölkerung entfallen.

Drei Säulen mit bAV-Booster

Im Grundsatz beruht das Altersvorsorgesystem der Niederländer wie in Deutschland auch auf drei Säulen. Dazu zählen die gesetz­liche Rentenversicherung, die betriebliche Altersvorsorge (bAV) und die private Vorsorge. Ein wesentlicher Unterschied zeigt sich allerdings mit Blick auf die zweite Säule. Während die bAV in Deutschland keine Pflichtveranstaltung ist und noch stark vom Streben nach Sicherheit und Garantien geprägt ist, kennt das niederländische System hier zwei bedeutsame Unterschiede. Zum einen ist die bAV bei unseren Nachbarn für alle Arbeitnehmer:innen faktisch verpflichtend. Und zum anderen werden die Beiträge von Anfang an in die Kapitalmärkte investiert. Konkret bedeutet dies, dass vom ersten Gehalt an ein Teil ihres Einkommens an den Märkten investiert wird. Der Prozess ist also langfristig angelegt. Die bAV-Beiträge werden dabei in der Regel zu einem Drittel von den Arbeitnehmer:innen und zu zwei Dritteln von den Unternehmen bedient. Je nach Branchenzugehörigkeit des Arbeitnehmenden fließt das Geld dann in eine entsprechende Pensionskasse, die es in Multi-Asset-Portfolios anlegt.

Die niederländische Pensionskasse für Beamte (ABP) etwa wies im Jahr 2020 folgende Allokation auf: 60% des Anlagevermögens steckten in Aktien, Immobilien und Private-Equity-Investments, 40% in einem breit gefächerten Portfolio von festverzinslichen Wertpapieren. Mit dieser Art von strategischer Allokation konnte die ABP in den letzten 20 Jahren eine durchschnittliche Rendite von 7% p. a. erwirtschaften. Nimmt man die Alterseinkommen aus der dritten Säule noch hinzu, so erreicht der durchschnittliche niederländische Bürger bei Renteneintritt ein Einkommens­niveau, das lediglich rund 30% unterhalb seines früheren Arbeitseinkommens liegt. Ein im internationalen Vergleich guter Wert.

Demografischer Wandel

Das Beispiel der Niederlande macht Mut. Es zeigt, dass ein langfristig ausgerichteter Einsatz investmentbasierter Konzepte einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung der Altersvorsorge leisten kann. Denn er verbreitert die Basis für den Erfolg. Dabei stellt sich nicht die Frage von Entweder/Oder. Vielmehr geht es darum, unterschiedlich ausgerichtete Ansätze zu kombinieren, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen. Sicher scheint, dass die erste Säule zunehmend an Tragkraft verliert. Das hat damit zu tun, dass sich unsere Gesellschaft in den vergangenen Jahren stark verändert hat. Die Menschen werden älter, während die von ihnen gezahlten Prämien dafür keine ausreichende Absicherung bieten. Es gibt viel weniger Erwerbstätige als Rentner:innen, sodass selbst eine Anhebung der Prämie nicht wirklich funktionieren würde. Eine weitere Veränderung stellen gebrochene Arbeitsbiografien dar. Dass Menschen ihr ganzes Leben durchgehend an ein und demselben Arbeitsplatz verbringen, ist selten geworden. Stattdessen wechseln sie häufiger ihre Arbeitsstelle oder sind für einige Zeit gar nicht beschäftigt. Manche hingegen machen sich selbstständig.

Neue Wege gehen

Vor diesem Hintergrund erlangt insbesondere die dritte Säule der eigenständigen privaten Vorsorge eine größere Bedeutung. Allerdings gilt es umzudenken. Die Zeiten, in denen über Sparprodukte und den Zinseszinseffekt erfolgreich Rück­lagen gebildet werden konnten, sind vorbei. Es ist daher erforderlich, den Mut aufzubringen, neue Wege zu beschreiten. Investment­basierte Anlagen können hier eine sinnvolle Option sein. Das Beispiel der Niederlande jedenfalls zeigt: Langfristige Anlagen in breit gestreute Investmentportfolios mit einem aktiven Ablaufmanagement können im Alter für ein ausreichendes finanzielles Polster sorgen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2022, S. 44 f., und in unserem ePaper.

Bild: © eyegelb – stock.adobe.com

 
Charles Neus