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16. Mai 2023
Helmsauer: „Ein attraktives Maklerhaus fördert den Teamspirit“
Helmsauer: „Ein attraktives Maklerhaus fördert den Teamspirit“

Helmsauer: „Ein attraktives Maklerhaus fördert den Teamspirit“

Die Babyboomer gehen in Rente, der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Welche Folgen hat der Engpass für Maklerhäuser? Wie können sich Maklerhäuser anpassen? Und was macht ein Maklerhaus zu einem attraktiven Arbeitgeber? Darüber hat sich AssCompact bei einem größeren inhabergeführten Versicherungsmakler erkundigt.

Interview mit Bernd Helmsauer, Vorstandsvorsitzender der Helmsauer Gruppe
Herr Helmsauer, in welchen Bereichen verspüren Maklerhäuser den Fachkräftemangel besonders stark?

Die Marktteilnehmer nehmen den Fachkräftemangel unterschiedlich stark wahr. Das hängt sehr stark mit der Größenordnung des Maklerhauses zusammen. Größere Maklerhäuser verkörpern Stabilität und Solidität und das wirkt vergleichsweise attraktiv. Sicher ist aber auch, dass – unabhängig von der Betriebsgröße – eine klare Fokussierung und Strategieentwicklung beim Thema Fachkräfte der erfolgversprechende Faktor ist.

Welche Folgen hat der Mangel an Fachkräften konkret für die Helmsauer Gruppe?

Konkret verspüren wir, dass die Besetzungszeiträume für offene Stellen – ob für Azubis oder Fachkräfte – länger werden. Dennoch können wir alle Stellen besetzen. Außerdem ist qualifiziertes Personal insgesamt teurer geworden. Stand heute sage ich aber auch, dass die Folgen für uns beherrschbar sind.

Gerade bei der Besetzung von Azubi-Stellen sind die Sorgen und Nöte groß. Was nehmen Sie im Wettbewerb um junge Kräfte wahr?

Ja, dort herrscht besonderer Handlungsdruck. Uns fällt auf, dass die auszubildenden Personen hier am Standort Nürnberg inzwischen große Sprachdefizite haben. Viele Azubis sind der deutschen Sprache häufig nicht mehr vollumfänglich mächtig. Viele junge Menschen können zwar deutsch reden, aber nicht mehr schreiben, und das, obwohl die Realschulabsolventen im Fach Deutsch häufig eine zwei oder eine drei stehen haben.

Ein zweites Defizit, das ich feststelle, ist die Konzentrationsfähigkeit bei jungen Menschen. Bei all den Dingen, die junge Menschen heute am Smartphone, PC und vielleicht auch noch am Tablet parallel machen, leidet die Fähigkeit, die Konzentration auf eine bestimmte Aufgabe über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. Und drittens wird die Fokussierung auf ein Ausbildungsziel unter den jungen Menschen generell schwieriger.

Das bedeutet, dass ein Bewerber nicht immer das Qualifikationsniveau mitbringt, das für die Stelle benötigt wird?

Ja, beim Qualifikationsniveau müssen wir bei manchen Stellen Abstriche machen. Hier suchen wir statt eines Underwriters dann zum Beispiel einen Sachbearbeiter. Wichtig ist uns dabei, klar zu kommunizieren, dass wir die Stellen kontinuierlich hin zum Underwriter weiterentwickeln wollen. Wir wollen die Beschäftigen fit machen. Deswegen fokussieren wir uns auch zunehmend auf duale Studenten.

Auch das Image des Versicherungsvermittlers ist mit ursächlich, dass sich nur wenige junge Menschen für den Job begeistern wollen. Wie ist dieses Problem anzupacken?

Mein Ziel ist, zu erreichen, dass Versicherungsmakler – zum Beispiel auch von der Aufsicht – nicht mehr als Versicherungsvermittler bezeichnet werden. Das vermittelt nämlich ein vollkommen falsches Bild unserer Tätigkeit. Wir „schwatzen“ eben nicht acht Stunden am Tag Menschen Versicherungen auf.

Nein, die Wahrheit ist, dass wir uns einen Großteil des Arbeitstages um unsere Kunden kümmern, bspw. bei der Abwicklung von Schäden oder der Reklamation von Schäden beim Versicherer. Wir sind Riskmanager für unsere Kunden; und das im besten Fall ein Leben lang. Und so will ich unser Berufsbild in der Öffentlichkeit verstanden wissen.

Fakt ist aber auch, dass uns das bis heute nicht gelungen ist. Als Versicherungsmakler bin ich aber immer mitverantwortlich für die Weiterentwicklung des Berufsbildes. Und dieser Aufgabe komme ich zum Beispiel als Mitglied im Maklerbeirat beim Berufsverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V. nach.

Was sind die drei wichtigsten Maßnahmen, die die Helmsauer Gruppe zur Bewältigung der Engpässe getroffen hat?

Erstens, die massive Unterstützung und Forcierung der beruflichen Fort und Weiterbildung, inklusive einer 100%-igen Kostenübernahme ohne einseitige Versprechen des Arbeitnehmers. Zweitens, ein ausgeprägtes Sozialverhalten des Arbeitgebers gegenüber der Belegschaft. Arbeitgeber müssen sich um ihre Mitarbeiter kümmern. Wir haben zum Beispiel während der Corona-Pandemie eine eigene Impfstraße betrieben und 4.000 Menschen – zunächst unsere eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dann deren Angehörige und am Ende auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kundenbetrieben – geimpft. Das kommt an, das hat das Image gestärkt. Und drittens, Mitarbeitern, die vorwärts kommen wollen, eine Entwicklungsperspektive geben.

Und welche Maßnahme hat sich als besonders erfolgreich erwiesen?

Am erfolgreichsten ist unsere hauseigene Akademie, die als Bildungseinrichtung anerkannt ist. In dieser Akademie haben wir uns verpflichtet, unsere Mitarbeiter deutlich über das vorgeschriebene Maß hinaus fortzubilden. Und je qualifizierter ein Mitarbeiter ist, umso höher sein Entgelt.

Inwiefern beeinflusst die Digitalisierung die Folgen des Fachkräftemangels bei der Helmsauer Gruppe?

Wir lieben die Digitalisierung, aber nicht, um uns abzuschaffen. Wenn ich heute die Vorstandsvorsitzenden einer Allianz oder einer Zurich mit ihren Publikationen verfolge, dann habe ich persönlich den Eindruck, dass diese Herren die Zukunftschancen für den Außendienst als sehr gering einstufen. Meiner Meinung nach kann man den Eindruck gewinnen, dass dort die Auffassung herrscht, dass Versicherungsmakler früher oder später in einem gewissen Umfang von Robo-Advisor abgelöst werden und man auf einen Großteil der Berater verzichten kann.

Diese Vorstellung halte ich für schlicht falsch und für die Begeisterung von jungen Menschen für unseren Beruf als schädlich. Wer jemals einen ganzen Arbeitstag mit einem professionellen Versicherungsmakler verbracht hat, wird schnell erkennen, welche Vielzahl an unterschiedlichen Aufgaben allein in einem einzelnen Tagesablauf von einem Versicherungsmakler oder seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewältigt werden muss. Welcher Computer das mit welcher künstlichen Intelligenz perspektivisch ablösen soll, ist mir beim heutigen Stand der Technik und den zu erwartenden Veränderungen schlicht schleierhaft.

Viele der Projekte, die sich in der Versicherungswirtschaft mit dem Beinamen „Künstliche Intelligenz“ schmücken, haben aus der Sicht von Fachleuten im Bereich der künstlichen Intelligenz mit dem Themengebiet schlicht und ergreifend noch gar nichts zu tun. Es handelt sich mehrheitlich um primitive „regelbasierte“ Programmierungen.

Für mich ist Digitalisierung wichtig, um Geschäftsvorfälle effizient abzuarbeiten. Auch, um im Vertrieb zu unterstützen. Aber der größte Vorteil ist unsere Empathie und Intelligenz, unser menschliches Verständnis, und dabei sehe ich auf lange Zeit keinen Computer, der uns ersetzt.

Die Helmsauer Gruppe beschäftigt aktuell rund 400 Mitarbeiter und zählt damit zu den großen inhabergeführten Maklerhäusern. Welche Maßnahmen halten Sie auch bei kleineren Betrieben für erfolgversprechend?

Ich glaube, dass es zum Zusammenschluss mittelständischer Makler kommen wird. Durch einen Zusammenschluss erzielen Maklerhäuser eine wahrnehmbare Marktgröße. Und je größer zum Beispiel wir wurden, desto leichter haben wir qualifiziertes Personal bekommen.

Wovor ist warne, ist ein Anschluss an Maklerpools. Hier wird häufig eine Abhängigkeit gegen eine andere Abhängigkeit getauscht. Die Themen „Ausstieg“ und „Verkauf“ sind äußerst kritisch zu bewerten und auch mein Haus hat mit dem Kauf und der Integration von Maklerunternehmen, die an einen Pool angeschlossen waren, extrem schlechte Erfahrungen gesammelt. Diese schlechten Erfahrungen drücken dann auf den Verkaufserlös.

Und abschließend: Was zeichnet heutzutage ein Maklerhaus als attraktiven Arbeitgeber aus?

Ein attraktives Maklerhaus als Arbeitgeber erkenne ich an einer guten Sozialkultur. Das bedeutet für mich, bereits bei der Auswahl von potenziellen Kolleginnen und Kollegen darauf zu achten, dass dieser Typ Mensch in die Abteilung passt. Eine reine Fokussierung auf Fachkenntnis halte ich für falsch. Ein attraktiver Arbeitgeber lebt den Teamgedanken und fördert den Teamspirit.

Über die Helmsauer Gruppe

Die inhabergeführte Helmsauer Gruppe ist bereits seit 1963 tätig. Das Unternehmen bietet Lösungen in den Bereichen Versicherung, Finanzdienstleistung, Beratung, Weiterbildung und IT-Service. An 32 Standorten in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind mehr als 400 Beschäftigte tätig.

Bild: © joyfotoliakid – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Bernd Helmsauer