Interview mit Ulrike Taube, Mitglied des Vorstands der ERGO Vorsorge Lebensversicherung AG, verantwortlich für betriebliche Altersversorgung
Frau Taube, die Arbeitskraftabsicherung im Rahmen der bAV nimmt an Bedeutung zu. Wie sieht es denn mit der Grundfähigkeitsversicherung in diesem Zusammenhang aus?
Der Bedarf nach passgenauen betrieblichen Lösungen für die Mitarbeiter steigt vor dem Hintergrund eines branchenübergreifenden Arbeitskräftemangels stetig. Im Wettbewerb um die besten Talente nimmt auch die Bedeutung sogenannter Social Benefits zu, also etwa der betrieblichen Altersversorgung. Für viele Menschen beschränkt sich diese allerdings auf den Bereich der Altersvorsorge. Dabei bietet die bAV so viel mehr, wie beispielsweise die Möglichkeit der Hinterbliebenen- und Arbeitskraftabsicherung. Für Arbeitnehmerinnen und -nehmer und insbesondere im handwerklichen Bereich ist die Grundfähigkeitsversicherung neben der Berufsunfähigkeitsversicherung ein weiterer Weg, ihre Arbeitskraft im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abzusichern und gezielt Schutz vor vorzeitigen finanziellen Risiken in Folge des Verlusts einer oder mehrerer Grundfähigkeiten zu erhalten. Mit der ERGO Body Protect haben wir als ERGO Vorsorge im September eine völlig neue Grundfähigkeitsabsicherung auf den Markt gebracht und so auf die steigende Nachfrage reagiert. Arbeitnehmerinnen und -nehmer können ihre Versorgung damit deutlich stärker nach ihren individuellen Bedürfnissen, Interessen sowie Lebens- und Berufssituationen gestalten. Dies ist für die Arbeitgeber ein wichtiges Instrument im Wettbewerb um benötigte Arbeitnehmer und ergänzt ein vom Arbeitgeber gewolltes und notwendiges Gesamtvergütungsmodell im Wettbewerb um Fach- und Arbeitskräfte und deren Erhalt.
Auf welche gesetzliche Grundlage stützt sich denn die Absicherung von Grundfähigkeiten innerhalb der betrieblichen Versorgung?
Das Bundesministerium der Finanzen hat im Schreiben „Steuerliche Förderung der betrieblichen Altersversorgung“ vom 12.08.2021 unter Randziffer 3b klargestellt, dass auch eine Grundfähigkeitsversicherung die Voraussetzungen des Betriebsrentengesetzes erfüllt.
Ihre neue Grundfähigkeitsversicherung haben Sie bereits erwähnt. Ist das Produkt auch für das Kollektivgeschäft zugänglich?
Vertrieblich ist das Kollektivgeschäft von großer Bedeutung. Es ermöglicht dem Arbeitgeber, hinsichtlich von Mitarbeiterbindung und -gewinnung Versicherungsschutz für vorzeitige Risiken günstig und mit deutlich erleichterter Risikoprüfung anzubieten. Der Arbeitgeber kann gezielt – und somit preisgünstiger – bestimmte (für die Tätigkeit) wichtige Fähigkeiten absichern und Versicherungsschutz für die gesamte Belegschaft anbieten – auch für Arbeitnehmerinnen und -nehmer, die diesen privat nicht oder nur erschwert erhalten würden. Wir bei ERGO nutzen unsere langjährige Expertise in der Firmen-Gruppenversicherung, denn neben den genannten Vorteilen bei der Risikoprüfung ergeben sich für die Grundfähigkeitsversicherung im Kollektivgeschäft unter anderem auch vereinfachte Prozesse.
Wie darf man sich das Angebot konkret vorstellen?
Im Gegensatz zur heute schon weiter verbreiteten und bekannteren Berufsunfähigkeitsversicherung sichert die Grundfähigkeitsversicherung keinen Beruf, sondern fest definierte Fähigkeiten wie beispielsweise Sehen, Hören oder Schmecken ab. Die ERGO Body Protect bieten wir dabei in allen Einsatzgebieten in drei unterschiedlich umfangreichen Leistungspaketen Grundschutz, Komfort und Premium an. Zusätzlich können mit “Psyche Plus“ und „Sport Plus“ zwei optionale Bausteine gewählt werden. Dadurch kann der Versicherungsschutz dem individuellen Bedarf entsprechend gestaltet werden. Insbesondere durch den Baustein „Sport Plus“ lassen sich wichtige Grundfähigkeiten im sportlichen Bereich abdecken, aber genau dieselben Fähigkeiten benötigen beispielsweise auch Handwerker. Letztere haben es oft schwer, eine adäquate Arbeitskraftabsicherung zu erhalten. Im Kollektiv des Arbeitgebers wird dies deutlich einfacher. Die Berufsunfähigkeitsabsicherung kann natürlich als Ergänzung parallel abgeschlossen werden, je nach individuellem Absicherungsbedarf.
Welche Vorteile ergeben sich für Arbeitgeber und Beschäftigte?
Die Arbeitgeber generieren wie bereits angesprochen insbesondere Vorteile in der Beschäftigungsgewinnung und -bindung. Durch die Absicherung existenzieller Risiken über den Betrieb wird die Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeiter gefördert und das Unternehmen als Arbeitsstelle somit attraktiver. Diese Effekte werden naturgemäß besonders durch eine Arbeitgeberfinanzierung gewährleistet: Durch die geringe Abhängigkeit der Prämie von Alter und Beruf ist das Produkt gerade für eine arbeitgeberfinanzierte bAV hervorragend geeignet. Mit geringem Aufwand kann eine adäquate Absicherung dargestellt werden. Auf Arbeitnehmerseite steht im Zentrum eine sehr attraktive, individuell gestaltbare Lösung, da neben der Arbeitskraft auch sporttypische Fähigkeiten abgesichert werden können. Wenn die Grundfähigkeitsversicherung im Rahmen einer Entgeltumwandlung finanziert wird, profitieren Arbeitnehmerinnen und -nehmer zudem von steuerlichen Förderungen der Beiträge. Und neben der Sozialabgabenersparnis erhöhen zusätzliche Arbeitgeberzuschüsse die Attraktivität nochmals. Als Richtwert gilt, dass die Nettobelastung im Vergleich zu einer privaten Prämie ungefähr um die Hälfte geringer ist. Da spielt die bAV ihre große Stärke aus.
Bieten Arbeitgeber denn teilweise eine betriebliche Versorgung mit BU-Absicherung und teilweise mit Grundfähigkeitsversicherung an?
Die Grundfähigkeitsversicherung in der bAV ist insgesamt noch ein sehr junges Angebot am Markt. Grundsätzlich ist ein zweigleisiges Angebot bei vielen Unternehmen, gerade bei heterogenen Beschäftigungsverhältnissen, absolut sinnvoll. Natürlich muss bei zweigleisigen Angeboten der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet werden. So sind in den Betrieben Konzepte in der Entwicklung, die ihren Mitarbeitern die Wahl zwischen Altersvorsorge, BU- und/oder Grundfähigkeitsversicherung überlassen und dafür ein „Versorgungsbudget“ zur Verfügung stellen. Hier werden wir schon kurzfristig eine deutliche Dynamik spüren und sehen uns deshalb mit dem Angebot der ERGO Vorsorge optimal aufgestellt.
Was passiert bei einem Arbeitgeberwechsel?
Bei einem Arbeitgeberwechsel kann die Versicherung vom neuen Arbeitgeber fortgeführt werden. Alternativ ist eine private Fortführung möglich, sowohl beitragsfrei als auch bei privater Fortsetzung der Beitragszahlung mit Beibehaltung des vollen Versicherungsschutzes.
Wenn die Arbeitgeber flächendeckend mitmachen: Könnte die Absicherung über den Arbeitgeber perspektivisch die private BU bzw. Grundfähigkeitsversicherung ablösen?
Wenn die Arbeitgeber flächendeckend mitmachen würden, dürfte insbesondere bei Kollektivverträgen mit einer Arbeitgeberfinanzierung eine hohe Durchdringung erfolgen. Bei Misch- und Arbeitnehmerfinanzierung, also Entgeltumwandlung, ist erfahrungsgemäß die Durchdringung deutlich geringer. Auch werden die Absicherungshöhen bei den einzelnen Arbeitgebern sehr unterschiedlich sein und nicht in jedem Fall eine vollumfängliche Arbeitskraftabsicherung darstellen. Von daher hängt viel von der Finanzierungsform und der Höhe der jeweiligen Absicherung ab. Aus diesem Grund sehen wir perspektivisch keine Ablösung der privaten BU bzw. Grundfähigkeitsversicherung. Es werden sich, wie in der Vergangenheit auch, private und betriebliche Absicherung ergänzen.
Porträtfoto: © ERGO Vorsorge Lebensversicherung; Bild Newsletter: © Andrey Popov – stock.adobe.com
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