Die Immobilienpreise in Deutschland legen auch in der Pandemie weiter zu. In immer mehr Regionen und Marktsegmenten sind spekulative Übertreibungen zu beobachten. Dies betrifft vor allem Eigentumswohnungen und Baugrundstücke in Großstädten wie Berlin, Hamburg und München. So lautet das Fazit einer aktuellen Studie der Immobilienökonomen Konstantin Kholodilin und Claus Michelsen, die im Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) erschienen ist. „Die Zeichen mehren sich, dass die Wohnungspreise in einigen Städten und Marktsegmenten nicht mehr allein durch die Entwicklung der Mieten und die niedrigen Zinsen zu erklären sind“, sagt Kholodilin, Wissenschaftler in der Abteilung Makroökonomie des DIW Berlin.
Preisentwicklung in 114 Großstädten unter der Lupe
Für die Analyse haben die beiden Ökonomen auf Grundlage von Daten des Immobilienverbandes IVD die Entwicklung in den 114 größten deutschen Städten mit mindestens 50.000 Einwohnern beleuchtet. Dabei berücksichtigten sie nicht nur die Kaufpreise für Eigentumswohnungen und Eigenheime, sondern auch die Mieten. Während die Kaufpreise für Wohneigentum 2021 im Schnitt um 9% stiegen, legten die Mieten nur etwa halb so stark zu. In den vergangenen zehn Jahren betrug der Anstieg der Mieten 50%, wohingegen sich der Preis von Eigentumswohnungen in etwa verdoppelte. Da Immobilienpreise langfristig an die Entwicklung von Mieterträgen und damit an die allgemeine Einkommensentwicklung gebunden sein sollten, deutet den Ökonomen zufolge eine zunehmende Diskrepanz zwischen Mieten und Kaufpreisen auf Spekulationsblasen hin.
Statistische Tests ergeben explosive Muster in der Preisentwicklung
Tatsächlich ermitteln spezielle statistische Tests, die die Studienautoren durchgeführt haben, vielerorts explosive Muster in der Preisentwicklung. Dies gilt in Bezug auf Baugrundstücke, Eigentumswohnungen, Einfamilien- und Reihenhäuser für alle Typen von Großstädten, also sowohl für international bedeutende Metropolen, also A-Standorte, als auch für kleinere Städte mit lediglich regionaler Bedeutung (D-Standorte). In den großen Metropolen wie Berlin, Hamburg und München folge laut Studie sogar das Preis-Miet-Verhältnis einem explosiven Muster – in kleineren Städten sei es jedoch noch einigermaßen intakt.
Derzeit keine flächendeckende Preisblase in Sicht
Auch aus diesem Grund erachten Kholodilin und Michelsen, früherer Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik am DIW Berlin und heute Geschäftsführer Wirtschaftspolitik beim Verband der forschenden Arzneimittelhersteller, die Gefahr einer flächendeckenden Immobilienpreisblase in ganz Deutschland momentan als überschaubar. Die Kreditvergabe für Immobilien sei über die Jahre zwar deutlich gestiegen, stehe mit 8,5% aber in einem gesunden Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. „Die Finanzierungsstrukturen erscheinen weiterhin solide und deuten noch nicht auf exzessive fremdfinanzierte Spekulationsblasen hin, deren Platzen die Finanzstabilität bedrohen würde“, meint Kholodilin. Als ermutigend bezeichnen die Ökonomen außerdem den Umstand, dass sich die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt etwas verringert hat. Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen sei in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, gleichzeitig sei die Einwohnerzahl in den Städten im vergangenen Jahr erstmals seit Jahren leicht zurückgegangen.
Corona-Hilfen nicht zu schnell zurückfahren
Dennoch wird der Traum vom Eigenheim für immer mehr Haushalte unerschwinglich. Eine Immobilie kostet in Großstädten inzwischen so viel wie 24 Jahresmieten, was einen Rekordwert seit Mitte der 1990-er Jahre markiert, als die Wiedervereinigung zu einem Boom auf dem Immobilienmarkt führte. Aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie fällt es vielen Bundesbürgern immer schwerer, Immobilien zu finanzieren. Staatliche Hilfsprogramme zur Stabilisierung der Einkommen stufen die Studienautoren als positiv ein, auch im Hinblick auf den Immobilienmarkt: Da es kaum Mietausfälle gab, ließen sich Verwerfungen im Immobiliensektor vermeiden. Aus diesem Grund plädieren Kholodilin und Michelsen dafür, die Corona-Hilfen nicht zu früh zurückzufahren. (tk)
Bild: © jfunk – stock.adobe.com
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