Gerade im ersten Halbjahr 2023 war man in der Versicherungswirtschaft besorgt, was die EU-Kommission mit ihrer EU-Kleinanlegerstrategie vorhat. Man befürchtete in erster Linie die Etablierung eines Provisionsverbots in der Finanzberatung. Doch darauf wird zunächst verzichtet (AssCompact berichtete: EU-Kommission verzichtet auf Provisionsverbot – vorerst).
Ende Mai erfolgte die tatsächliche Verkündung. Das erklärte Ziel ist es, mehr Menschen in der Europäischen Union den Zugang zum Kapitalmarkt möglich zu machen – natürlich im Sinne des Verbraucherschutzes. Zu diesem Vorschlag hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) nun ein 26-seitiges Statement veröffentlicht. Der Tenor ist dabei: Gute Ansätze, aber zu bürokratisch. Außerdem sollte die Wahl der Vergütung weiterhin beim Kunden liegen.
Gute Ansätze, aber…
In der jetzt vorliegenden Form werde der Vorschlag der EU-Kommission seine Ziele nicht erreichen, so der GDV. Er sei zu bürokratisch und orientiere sich nicht am wirklichen Verhalten der Menschen. Dennoch würden sich die deutschen Versicherer im weiteren Verfahren dafür einsetzen, die Chancen, die mit dem Vorhaben verbunden sind, weiter herauszuarbeiten und konkrete Lösungsvorschläge vorlegen.
GDV gegen Provisionsverbote
Der GDV werde sich weiter für die Koexistenz verschiedener Vergütungsformen stark machen. Zurzeit hätten die Menschen die Wahl, ob sie Versicherungen direkt beim Versicherer kaufen, Honorare an einen Berater zahlen oder die Vergütung des Vermittlers dem Versicherer überlassen. Doch die EU-Kommission habe partielle Provisionsverbote vorgeschlagen, beispielsweise für die unabhängige Beratung zu Versicherungsanlageprodukten. Die Wahlmöglichkeit der Vergütung solle jedoch aufrecht erhalten bleiben.
Denn das partielle Provisionsverbot für die unabhängige Beratung würde laut GDV dazu führen, dass diese nur noch gewährt werden könne, wenn der Kunde sie unmittelbar aus eigener Tasche bezahlt. In der Praxis sehe man jedoch, dass große Teile der Bevölkerung dazu nicht in der Lage oder gewillt seien.
Weiterhin werde die Überprüfungsklausel, die es der EU-Kommission ermöglicht, drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie die Regelungen zu Anreizen und Interessenkonflikten nachzuschärfen, nicht präzisiert. Es bleibe unklar, anhand welcher Indikatoren und mit welchen Methoden die EU-Kommission darüber entscheiden wird, ob weitergehende Maßnahmen – bis hin zu einem vollständigen Provisionsverbot – eingeführt werden oder nicht.
Faires Preis-Leistungs-Verhältnis
Auch müssten Produkte den Verbrauchern Nutzen bringen. Dafür sei ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis „unerlässlich“, so der GDV. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Regeln könnten faktisch zu einer Produkt- und Preiskontrolle führen, weil die EU-Kommission in Art. 29b Abs. 1 (b) IDD-E vorschlage, dass Vermittelnde aus der Palette an geeigneten Versicherungsanlageprodukten stets das kosteneffizienteste Produkt anbieten müssten. Doch ein zu starker Fokus auf Kosten berge die Gefahr, dass der Wettbewerb ausschließlich über die Kosten geführt werde und andere Aspekte wie Sicherheit, Qualität der Geschäftsprozesse, Finanzkraft des Produktgebers oder auch Nachhaltigkeitsaspekte außer Acht gelassen würden.
Modernisierung?
Der GDV bemängelt weiterhin, dass bei der Verschlankung der Informationspflichten das vorhandene Potenzial bei Weitem nicht ausgeschöpft werde. Der Vorschlag zur Modernisierung der Informationspflichten enthalte zwar einige gute Aspekte wie z. B., dass die digitale Übermittlung von Information künftig Standard sein soll. Doch es gebe noch viel Luft nach oben, damit Verbraucher nicht mit Informationen überflutet würden.
Keine Überschneidungen bei Weiterbildungspflicht
Der GDV weist außerdem darauf hin, dass Vermittler, die sowohl unter den Regulierungskreis der IDD als auch der MiFID II fallen, in dem Vorschlag der EU-Kommission zukünftig insgesamt 30 Stunden Weiterbildung pro Jahr absolvieren müssten, obwohl die Weiterbildungsinhalte miteinander korrespondieren würden. Diesen kumulativen Effekt gelte es zu vermeiden, denn in Deutschland gebe es zahlreiche Vermittler, die eine gewerberechtliche Erlaubnis als Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler besitzen.
Absolviert ein solch Vermittelnder eine Weiterbildungsmaßnahme zu den Chancen und Risiken von Fondsanlagen, dann sollte diese sowohl auf die Weiterbildungspflicht unter MiFID II als auch auf die unter IDD angerechnet werden. Das Fondsinvestment könne nämlich innerhalb einer fondsgebundenen Versicherung erfolgen. (mki)
Bild: © Bernulius – stock.adobe.com
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