Interview mit Christine Schönteich, Geschäftsführerin der Fonds Finanz
Frau Schönteich, Versicherungskunden wird häufig nachgesagt, dass sie nachhaltigkeitsmüde seien. Inwiefern sehen Sie bzw. die bei Fonds Finanz angeschlossenen Makler das Thema Nachhaltigkeit – oder ESG – dennoch als Vertriebschance?
Bisher haben wir aus Gesprächen mit unseren Vermittlern zu ihren Kunden und Beratungsinhalten keine Anzeichen für eine generelle Müdigkeit in Sachen Nachhaltigkeit wahrgenommen. Die Einstellung zu nachhaltigen Versicherungslösungen variiert allerdings je nach Zielgruppe. Daher haben Makler unterschiedliche Erfahrungswerte mit ihren Kunden. Vermittler, die sich auf das Thema Nachhaltigkeit spezialisiert haben, haben auch eine entsprechend interessierte Zielgruppe, bei der „grüne“ Aspekte eine zentrale Rolle bei der Auswahl von Versicherungen spielen.
Für die Fonds Finanz ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Anliegen, was durch unser unternehmensweites Engagement deutlich wird. Daher wünschen wir uns auch, dass die Nachhaltigkeit in der Finanz- und Versicherungsberatung mehr Aufmerksamkeit erhält und einen festen Stellenwert gewinnt. Damit das gelingt, muss das Thema jedoch für alle Marktteilnehmer, insbesondere für die Vermittler, praktikabel und umsetzbar sein.
Nachhaltige Produkte werden auch in Zukunft eine Vertriebschance bieten, und wir sind überzeugt, dass die Bedeutung noch wachsen wird. Allerdings muss an der Umsetzbarkeit gearbeitet werden, damit das Vertriebspotenzial von Vermittlern bei angemessenem Aufwand ausgeschöpft werden kann.
Eine Ursache für die schwindende Akzeptanz bei Nachhaltigkeit im Maklerhaus könnte auch die Komplexität der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage sein. Wie verbreitet ist denn diese Abfrage in der Praxis?
Die Komplexität und allgemeine Unklarheiten bei der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen sind sicherlich die Hauptgründe dafür, dass nachhaltige Versicherungsprodukte bei Vermittlern häufig nicht im Fokus stehen bzw. nur als Pflicht und nicht als Chance gesehen werden. Die Abfragepflicht kann allerdings dabei helfen, das Vertriebspotenzial solcher Produkte vermehrt in den Fokus zu rücken, sodass dieses auch in der Praxis stärker genutzt wird.
Wie stellen Sie sicher, dass die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden in der Produktvermittlung tatsächlich berücksichtigt werden?
Wir haben für unsere angebundenen Vermittler im Vergleichsrechner von softfair eine digitale Lösung zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen im Rahmen der Angemessenheitsprüfung integriert. Nutzen die Makler also die Möglichkeit der IDD-konformen Beratung über den Vergleichsrechner, wird die Abfragepflicht automatisch erfüllt. Diese Funktion erleichtert die ordnungsgemäße Abfrage für Vermittler sowie Kunden und dokumentiert gleichzeitig die Ergebnisse.
Welche Rückmeldungen erhalten Sie von Ihren Maklern zur Akzeptanz und Umsetzbarkeit der Abfragepflicht?
Die Rückmeldungen unserer Makler sind recht unterschiedlich. Ein Großteil der Rückmeldungen hat jedoch gemein, dass die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen oft als zu komplex und schwer verständlich empfunden wird. Viele Vermittler haben das Gefühl, enormen Aufwand betreiben zu müssen, um das Thema zielführend in der Beratung einsetzen zu können. Grundsätzlich erkennen die Makler die Bedeutung von Nachhaltigkeit – die komplexe Umsetzung trübt jedoch die Motivation, sich umfassend damit auseinanderzusetzen.
Und wie reagieren die Versicherten auf die Abfrage?
Wir stehen nicht in direktem Kontakt zu den Endkunden, daher können wir lediglich die Rückmeldungen der Vermittler wiedergeben – und diese fallen sehr unterschiedlich aus. Die Bandbreite reicht von Kunden, die am Thema Nachhaltigkeit gar nicht interessiert sind, bis hin zu Kunden, die explizit ein nachhaltiges Produkt wünschen. Bei Letzteren ist die Akzeptanz natürlich höher. Wir haben außerdem von unseren Maklern gehört, dass auch Kunden bei der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen von der Komplexität überfordert waren und dann von einer nachhaltigen Versicherungslösung abgerückt sind. Das ist schade und in diesen Fällen würde eine Vereinfachung der Abfrage Abhilfe schaffen und das Thema für einen größeren Teil der Kunden zugänglich machen. Mit besonders interessierten Kunden kann der Vermittler dann immer noch stärker ins Detail gehen.
Frei heraus: Braucht es diese Abfragepflicht überhaupt?
Wir halten die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen grundsätzlich für sinnvoll, ähnlich wie die grundlegende Prüfung der Angemessenheit. Um die Akzeptanz der Abfragepflicht zu steigern, muss jedoch an der Verständlichkeit und Umsetzbarkeit gearbeitet werden. Wenn die Nachhaltigkeitspräferenzen nachvollziehbar und unkompliziert abgefragt werden können, wird das Thema einen festen Platz in der Versicherungsberatung haben.
Wie unterstützt Fonds Finanz die angeschlossenen Makler bei der Abfrage der ESG-Präferenzen?
Die übersichtliche digitale Abfrage im softfair-Vergleichsrechner ist sicherlich die größte Unterstützung für unsere Makler. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung kann der Makler zusammen mit seinen Kunden die Abfrage nach unterschiedlichen Kriterien durchführen. Dabei kann zum Beispiel ein Mindestanteil für nachhaltige oder ökologische Investitionen festgelegt werden oder es können negative Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (PAIs) berücksichtigt werden. Sobald die Nachhaltigkeitsabfrage für einen Kunden abgeschlossen wurde, werden nur noch Tarife angezeigt, die den Präferenzen entsprechen, und es werden weiterführende Informationen zur Nachhaltigkeit des Sicherungsvermögens bzw. der Fonds gegeben.
Und wie unterstützt Fonds Finanz darüber hinaus bei der Beratung zu nachhaltigen Vorsorgelösungen?
Neben diesem digitalen Angebot, das direkt in der Beratungssituation zum Einsatz kommt, haben die Vermittler auch immer die Möglichkeit, sich bei Fragen jederzeit telefonisch oder per E-Mail an die Experten in der Produktberatung Lebensversicherung der Fonds Finanz zu wenden.
Zudem gibt es auf unserer Website eine ESG-Seite, auf der zusätzliche Hilfestellungen angeboten werden, z. B. Unterlagen und Tools unserer Produktpartner, die die Abfrage der Präferenzen auf verschiedenen Wegen unterstützen. Über Neuigkeiten zu nachhaltigen Versicherungslösungen informieren wir unsere Vermittler regelmäßig per Newsletter. Die Dynamik, mit der sich das Thema entwickelt, hält uns dazu an, dieses kontinuierlich zu begleiten und vorwärtszubringen.
Pools sitzen dabei an der Schnittstelle zwischen Maklern und Produktgebern. Wie bewerten Sie das Portfolio ESG-konformer Produkte bzw. der Produktauswahlsoftware aufseiten der Versicherer?
Das Produktportfolio bewerten wir insgesamt positiv. Es gibt zwar Unterschiede zwischen den Gesellschaften hinsichtlich ihres Umgangs mit dem Thema Nachhaltigkeit und der Art und Weise, wie die entsprechenden Produkte gestaltet sind, doch Vermittler finden mittlerweile eine große Auswahl an ESG-Tarifen vor. Die Bandbreite reicht von Spezialtarifen, die vollständig nachhaltig ausgerichtet sind, über Tarife, die Nachhaltigkeit über eine entsprechende Fondsauswahl darstellen, bis hin zu Tarifen, die von „grünen“ Tochterunternehmen der Gesellschaften angeboten werden. Zusätzlich werden auch die Deckungsstöcke der Gesellschaften einem Wandel unterzogen, wobei vermehrt auf nachhaltige Vermögenswerte geachtet wird.
Unsere Produktpartner unterstützen die Vermittler sowohl analog wie digital. Vor allem digitale Tools werden von den Vermittlern als erheblicher Mehrwert in der Beratung wahrgenommen und vorzugsweise genutzt.
Welche Verbesserungen fordern Sie von den Produktgebern?
Aus unserer Sicht haben die Produktgeber ihre Hausaufgaben gemacht, wobei es sicher Gesellschaften gibt, die das Thema besser umsetzen als andere. Solange Regelungen und Prozesse jedoch nicht vollständig ausgereift sind und nicht alle Marktteilnehmer über konkrete und nachvollziehbare Vorgaben verfügen, wird es für die Produktgeber schwierig bleiben, grundlegende Verbesserungen durchzuführen. Es gibt jedoch schon jetzt für Produktgeber Wege, sich mit dem Thema intensiver zu beschäftigen und vor allem auf clevere digitale Lösungen zu setzen – das würden wir uns natürlich von so vielen Gesellschaften wie möglich wünschen.
Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung ein? Wird Nachhaltigkeit langfristig ein wichtiger Bestandteil der Beratung bleiben?
Nachhaltigkeit ist ja nicht nur im Versicherungsbereich relevant, sondern ist ein globales Thema, das Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft hat. Daher werden nachhaltige Aspekte zweifellos ein zentraler Bestandteil der Beratung bleiben, und der Fokus darauf wird eher zu- als abnehmen. Wie genau die Entwicklung aussehen wird, hängt davon ab, wie sich die derzeitigen Herausforderungen lösen lassen und ob es dadurch für Vermittler leichter wird, sich aktiv mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen und die Chancen besser zu nutzen. Die grundsätzliche Entwicklung wird jedoch von den allgemeinen Umständen im Versicherungsbereich und der Komplexität des Themas abhängen.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 02/2025 und in unserem ePaper.
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