Der „Finanzkompass 2023“ des Beratungsunternehmens EY und dem Institut für Generationenforschung hat untersucht, wie Männer und Frauen in Deutschland zurzeit mit dem Thema private Finanzen umgehen. Die Ergebnisse sind zum Teil „erstaunlich“, wie Ralf Temporale, Partner bei EY, und Rüdiger Maas, Gründer und Vorstand des Instituts für Generationenforschung, in einem Pressegespräch zur Vorstellung der Studie anmerkten. Denn auch im Jahr 2023 gibt es immer noch einen ausgeprägten Unterschied zwischen den Geschlechtern, wenn es um Finanz- und Versicherungsfragen geht – ebenso wie Sexismus und Gender-Stereotype.
Für die Studie wurden mehr als 1.200 Bundesbürger über 16 Jahren befragt. Nach einer quantitativen Befragung wurde eine qualitative Befragung zur kommunikativen Validierung der Ergebnisse durchgeführt. Befragt wurden die Teilnehmenden in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres.
Vertrauen in Finanz- und Versicherungsbranche niedrig
Laut der Studie ist das Vertrauen in die Finanz- und Versicherungsbranche niedrig. Nur jeder vierte Bundesbürger hält die Bank- und Versicherungsbranche für eher oder sehr vertrauenswürdig – bei Frauen ist die Quote mit 23% sogar noch niedriger als bei Männern (26%). Fast ein Drittel beider Geschlechter hingegen empfindet sie als eher oder gar nicht vertrauenswürdig.
Im Allgemeinen interessieren sich mehr Männer für Nachrichten aus der Finanz- und Versicherungsbranche. 73% der männlichen Teilnehmer geben an, sich „sehr oder etwas“ für Finanzthemen zu interessieren. Bei weiblichen Befragten bekunden 55% Interesse.
Finanzielle Entscheidungen liegen oft bei männlichen Partnern
„Vor allem verheiratete Frauen oder Frauen in langen Partnerschaften beschäftigen sich wenig mit Finanzthemen“, sagt Maas. „Wichtige finanzielle Entscheidungen trifft häufig der männliche Partner, wie 75% der Frauen in den Interviews bestätigten. Und oft wird auch von außen genau das erwartet. ‚Fragen Sie doch Ihren Mann!‘, hören die befragten Frauen nur allzu oft, wenn es um Finanzthemen geht.“
Für Information setzen Frauen deutlich häufiger auf persönliche Beratung durch Freunde und Familie – noch vor professionellen Beratern und Beraterinnen, während Männer häufiger digital über Online-Finanzseiten, Internetforen oder Blogs recherchieren. „Frauen fragen Freunde, Männer nutzen das Internet“, fasst Maas zusammen.
Hier könne die Branche ansetzen und Frauen anders und besser ansprechen als bisher. Denn Frauen für sich zu gewinnen, sei für alle Seiten ein Gewinn. „Die Banken bekommen mehr Kunden, die Frauen ein besseres Verständnis für ihre eigenen Finanzen und ihre Altersvorsorge, und die Finanzbranche insgesamt mehr potenzielle Arbeitskräfte“, sagt Temporale.
Frauen hinken bei privater Altersversorgung hinterher
Gerade in der Altersversorgung ist der Aufholbedarf für Frauen groß. Während fast jeder zweite männliche Befragte über eine private Altersversorgung verfügt, bejahen die Frage nur 37% der weiblichen Studienteilnehmer. Dieses Ergebnis sei überraschend gewesen, merkt Temporale während des Pressegespräches an. So sei eine private Altersversorgung für Frauen gerade hinsichtlich ihrer oft nicht linearen Erwerbsbiografie und folglich niedrigeren staatlichen Rentenansprüchen wichtig.
Diese Lücke korreliere jedoch mit einem weiteren Faktor, so Temporale weiter. Denn auf die Frage, wie gut sie sich über die Möglichkeiten der privaten Altersversorgung informiert fühlen, antworteten insgesamt nur 35% der weiblichen Befragten mit „gut“ oder „sehr gut“, verglichen mit 57% der männlichen Studienteilnehmer. Fast die Hälfte der Frauen (49%) gibt an, sich schlecht oder sehr schlecht informiert zu fühlen. Bei Männern ist es nur etwa ein Drittel. Wer schlecht informiert sei, sei auch weniger bereit, einen Vertrag abzuschließen, folgert Temporale. Frauen, die verheiratet oder verpartnert sind, haben dagegen häufiger eine private Altersversorgung (43%) als nicht verpartnerte/verheiratete Frauen (54%), so die Studie.
Seite 1 Finanzkompass 2023: Frauen haben Aufholbedarf in der Altersversorgung
Seite 2 Hälfte fürchtet Altersarmut
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