Ein Artikel von Götz Treber, Leiter Kompetenzzentrum Unternehmenssteuerung und Regulierung beim GDV – Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.
Auch 2023 wird uns die stark gestiegene Inflation weiter beschäftigen. Zuletzt stand sie bei über 10% in Deutschland. Das gab es seit den 1950er-Jahren nicht mehr. Trotz sehr hoher Inflation sehen wir vergleichsweise verhaltene Lohnabschlüsse. Eine Lohn-Preis-Spirale ist also nicht erkennbar. Stattdessen sehen wir Reallohnverluste.
Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind Energiepreise in die Höhe geschnellt. Durch den Krieg, aber auch durch weltweite Trockenheit sind zusätzlich Lebensmittelpreise stark angestiegen. Noch dazu ist durch die Pandemie Sand ins Getriebe der Globalisierung geraten.
Die Folgen für Haushalte, Firmen und auch die Versicherungsbranche sind beträchtlich: Unser Land ist real ärmer geworden, die Kaufkraft ist gesunken. Menschen haben weniger Geld zur freien Verfügung und versuchen, ihre Ausgaben zu reduzieren. Wie lange müssen wir mit dieser Situation noch leben? In den USA scheint der Scheitelpunkt der Inflation überschritten. In Europa brauchen wir noch etwas Geduld. Die Energiepreise im Großhandel steigen aktuell nicht mehr weiter, auch die Erzeugerpreise haben letzten Monat nachgelassen.
Bis sich solche Veränderungen in den Verbraucherpreisen bemerkbar machen, vergehen jedoch mehrere Monate; es ist sozusagen noch inflationärer Druck in der Pipeline. Kurzfristig können die geplante Strom- und Gaspreisbremse zumindest etwas Entlastung schaffen.
Folgen für die Versicherer
Was bedeutet die Teuerungsrate nun für den Sektor?
Die deutschen Versicherer sind stabil aufgestellt. In der Schaden- und Unfallversicherung überprüfen wir bestehende Rückstellungen regelmäßig. Grundsätzlich treibt die hohe Teuerungsrate alle Kosten nach oben, in einigen Bereichen wie Autoersatzteile besonders stark.
Diese Kostensteigerungen können wir nicht allein auffangen. Wir müssen die Versicherungsbeiträge so kalkulieren, dass wir weiterhin alle Schäden bezahlen können. Dafür gibt es zum Beispiel in der Wohngebäudeversicherung, aber auch in Gewerbe- und Industriepolicen sogenannte Anpassungsfaktoren. Dadurch wird die Versicherungssumme jährlich an die Inflation angepasst.
Was die Lebensversicherung angeht: Wir haben viele Produkte schon angepasst, um Renditechancen zu verbessern. Dazu kommen weitere Vorteile: Kundinnen und Kunden können ihre Beitragshöhe je nach Lebenssituation anpassen, man kann pausieren oder Kapital während der Laufzeit abrufen. In Deutschland haben wir immer noch mehr Lebensversicherungsverträge als Einwohner. Pro Jahr fließen fast 100 Mrd. Euro an Beiträgen.
Sparposten Versicherungen?
Ganz grundsätzlich glaube ich nicht, dass Versicherungen der erste Sparposten sein werden. Aber natürlich: Wenn das Geld knapper ist, werden sich Menschen ihre Versicherungen gut anschauen. Und das nicht nur unter dem Gesichtspunkt, ob sie gut abgesichert sind, sondern auch, was sie für diesen Schutz bezahlen. Es kann durchaus sein, dass einige Kundinnen und Kunden dann bei manchen Policen einen höheren Selbstbehalt vereinbaren. Oder nicht mehr den Komfortschutz, sondern eher die Basis-Variante wählen. Aber ein Risikoschutz, gerade für existenzielle Risiken, bleibt den Menschen wichtig, da bin ich sicher. Bei der Altersvorsorge erhöht die gestiegene Inflation eigentlich den heutigen Vorsorgebedarf. Aber oft werden langfristige Vorsorge und Absicherung in Krisenzeiten tendenziell in die Zukunft vertagt. Das ist nachvollziehbar, könnte sich aber später rächen.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 2023/01, S. 67, und in unserem ePaper.
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Bild: © Götz Treber, GDV
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