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9. Oktober 2022
Die Bedeutung von finanzieller Freiheit in Krisenzeiten
Die Bedeutung von finanzieller Freiheit in Krisenzeiten

Die Bedeutung von finanzieller Freiheit in Krisenzeiten

Für die meisten Menschen ist finanzielle Unabhängigkeit ein elementarer Aspekt von Freiheit. Doch was genau bedeutet sie für den Einzelnen und wie ist es um die finanzielle Freiheit in Deutschland bestellt? Dieser Frage geht die LV 1871 in ihrem jährlichen Financial Freedom Report nach.

Ein Artikel von Hermann Schrögenauer, Vorstand der Lebensversicherung von 1871 a. G. München (LV 1871)

Es ist kaum verwunderlich, dass in Anbetracht von Krieg, Inflation und Rezession sich die Stimmung hinsichtlich finanzieller Unabhängigkeit – oder gar finanzieller Freiheit – bei den Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern in diesem Jahr trübt. Zwar hat der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung seine Finanzlage gut im Blick, jedoch verfügen nur die wenigsten über eine krisensichere und nachhaltige Finanzaufstellung. Der diesjährige Financial Freedom Report zeigt einmal mehr, wie wichtig finanzielle Absicherung ist und wie weit Wünsche und gelebte Realität voneinander entfernt sind. Insbesondere die jüngere Generation und weibliche Befragte stechen dabei hervor.

Die Bedeutung von finanzieller Freiheit in Krisenzeiten

Finanzielle Freiheit definiert jeder Mensch anders. Sie ist von der Lebenssituation und den persönlichen Lebenszielen abhängig und damit höchst individuell. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten: Finanzielle Unabhängigkeit bleibt laut Financial Freedom Report 2022 weiterhin für die Mehrheit (60%) ein elementarer Aspekt von Freiheit. Doch: Gefragt nach ihrem Verständnis von finanzieller Freiheit äußert sich die Mehrheit der Befragten wie gewohnt bescheiden: Finanzielle Unabhängigkeit in allen Lebenslagen dominiert mit weitem Abstand (63%) vor Aspekten wie der Erfüllung finanzieller Träume (10,5%).

Wirtschaftssorgen dominieren das Stimmungsbild in Bezug auf Finanzen

Die diesjährigen Studienergebnisse bekräftigen die Annahme, dass sich die Inflation und die aktuelle Wirtschaftslage bereits spürbar negativ auf die Gefühle der Befragten beim Blick auf ihre privaten Finanzen auswirken. So dominieren die Sorgen zu Wirtschaftslage/Inflation (70,7%) sogar noch vor Krieg (62,8%) und Klimawandel (43,2%) und lösen vor allem Beunruhigung (23,7%) und Zukunftsängste (20%) bei den Befragten aus. Besonders Frauen sind hier vermehrt betroffen: Zukunftsängste in Bezug auf die eigene Finanzsituation äußert jede Vierte.

Finanzielle Unabhängigkeit ohne Plan?

Trotz allem möchte der Großteil der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger weiterhin maximal bis zum 60. Lebensjahr arbeiten (67,9%). Dabei verlässt sich die Mehrheit bei der Altersvorsorge weiterhin auf ihr Gehalt und die staatliche Rente: 45,3% der Befragten beziehen ihr Einkommen aus einem Angestelltenverhältnis. Nur 16,2% nennen auch Geldanlagen und Kredite als Einnahmequelle. Auf Immobilien setzen 12,5%.

Angesichts der veränderten Wirtschaftslage gibt immerhin jeder Vierte (26,5%) an, seine Finanzen im Vergleich zum letzten Jahr bewusster zu planen. Im Vordergrund stehen allerdings kurzfristige Sparmaßnahmen, insbesondere bei alltäglichen Dingen wie dem Energiesparen (34,5%). Mehr in Fonds und Aktien investieren hingegen nur 7,6% – vor allem weibliche Befragte fallen mit 2,7% deutlich zurück. Allein die 18- bis 29-Jährigen zeigen sich bei diesem Punkt auf­geschlossener (17,8%).

Jüngere Generationen im Fokus

Als besonders spannend erweisen sich die Studienergebnisse der jungen Erwachsenen. Gerade die 18- bis 29-Jährigen messen finanzieller Unabhängigkeit mit über 76% einen besonders hohen Stellenwert bei. Umso wichtiger ist eine wirksame und langfristige Finanzplanung für sie. Finanzberaterinnen und Finanzberater schaffen es allerdings bisher noch zu selten, junge Menschen zu erreichen. Das ist insofern schade, als Jugendliche sich selbst große Lücken beim Finanzwissen attestieren: Aktuellen Zahlen des W2 Jugend-Finanzmonitors zufolge bewerten Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland ihr Wissen zu Finanzthemen durchschnittlich mit der Schulnote 3,3 – bei der Altersvorsorge sogar nur mit einer 4,3. Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage und dem damit verbundenen sorgenvollen Blick in die Zukunft legt die jüngere Generation im Gegensatz zu den Älteren ihr Geld lieber an. Das müssen sie auch, wenn sie ihre Ziele erreichen wollen, da der Generationenvertrag nicht aufgehen wird und sich das wirtschaftliche Umfeld gewandelt hat.

Unsichere Zeiten erfordern vorausschauende Finanzplanung

Insgesamt verdeutlicht der Financial Freedom Report: Die Stimmung der Bevölkerung im Hinblick auf ihre Finanzen ist im Jahr 2022 von zunehmender Unsicherheit geprägt. Dies schlägt sich auch im Financial Freedom Index nieder, der dieses Jahr zum ersten Mal auf Basis der vorliegenden Studienergebnisse berechnet wurde und bei 40,6% liegt. Damit findet sich der Durchschnitt der Befragten nach Definition des Reports in einem Zustand der „finanziellen Normalität“ wieder, der zweiten von vier Stufen auf dem Weg zu finanzieller Freiheit. Finanzielle Normalität bedeutet, dass Menschen ihren Lebensunterhalt mit dem eigenen Einkommen bestreiten können und Struktur in ihre Finanzen gebracht haben. Dieser Zustand ist allerdings immer noch mit Gefahren verbunden – insbesondere wenn die Einkommensquelle versiegt. Um wirkliche finanzielle Stabilität und Sicherheit zu erreichen, muss mehr getan werden.

Unabhängige Beraterinnen und Berater, die Finanzplanung ganzheitlich denken, können hier ansetzen und individuelle Lösungen anbieten. Denn finanzielle Freiheit ist kein Schönwetter-, sondern ein Allwetterthema. Unsichere Zeiten erfordern langfristig wirksame Entscheidungen: weg vom Vertrauen in das Sparbuch und die bröckelnde staatliche Absicherung, hin zu mehr Mut zum Investment und Interesse an Finanzwissen, um die eigene finanzielle Absicherung krisensicher zu gestalten.

Über den LV 1871 Financial Freedom Report 2022

An der repräsentativen Umfrage zum Thema Financial Freedom der LV 1871, durchgeführt von Civey, haben im August 2022 2.500 Menschen in Deutschland ab 18 Jahren teilgenommen. Die Teilnehmenden beantworteten darin Fragen nach ihrem individuellen Verständnis von (finanzieller) Freiheit, Einkommensquellen und gewünschtem Renteneintrittsalter.

Diesen Artikel lesen sie auch in AssCompact 10/2022, S. 28 f., und in unserem ePaper.

Bild: © hedgehog94-stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Hermann Schrögenauer