AssCompact suche
Home
Management & Wissen
28. September 2021
Die Ampel springt auf Grün
Die Ampel springt auf Grün

Die Ampel springt auf Grün

Rot-Rot-Grün ist vom Tisch. Eine Große Koalition (vorerst) undenkbar. Sowohl die Union als großer Verlierer wie auch die SPD als der überraschende Sieger der Wahl, wollen regieren. Doch diesmal haben die kleinen Bündnispartner das Heft in der Hand. Ein Kommentar von AssCompact-Redakteur Tom Kufner.

Der befürchtete Linksruck ist ausgeblieben. Die Warnungen aus dem bürgerlichen Lager vor Rot-Rot-Grün haben wohl einerseits das desaströse Abschneiden der Linkspartei mit verursacht (zusätzlich zu den hausgemachten Querelen innerhalb der Linken), aber gleichzeitig dazu beigetragen, der Union den greifbaren Wahlsieg ordentlich zu verhageln.

Wählerwanderung von Linkspartei zu SPD

Ein Blick auf die Wählerwanderung zeigt deutlich, dass die Linken-Wähler ihr politisches Lager nicht verlassen haben, sondern zu den Grünen und der SPD übergewechselt sind. Eine gute Million Wähler hat die Linke an diese beiden Parteien verloren – an die Sozialdemokraten sogar knapp 600.000.

Union verpatzt Patt

Hätte eine etwas stärkere Linke und eine etwas schwächere SPD gereicht, um der Union den Wahlsieg zu sichern? Nein, wohl nicht ganz. Aber mit den üblichen CDU/CSU-Überhangmandaten wäre es hauchdünn geworden. Der reine Zweitstimmenabstand zwischen Schwarz und Rot wäre auf deutlich unter 200.000 Wähler abgeschmolzen – kein Freudentag für die Union, aber einen Regierungsauftrag hätten die Konservativen daraus allemal konstruieren können.

CDU-Vertreter zweifeln Regierungsauftrag an

Nun stehen die Weichen auf Ampel- oder Jamaika-Koalition. Die SPD und die Grünen haben rechnerisch keine Koalitionsalternative mit der Linkspartei – und somit kein Erpressungspotenzial gegen Christian Lindner. Der wiederum möchte lieber mit der Union koalieren. Doch stehen die Konservativen überhaupt für eine Koalition bereit? Der Kanzlerkandidat würde gerne ja sagen, aber schon mehren sich die Stimmen einflussreicher Parteivertreter wie CDU-Ministerpräsident Kretschmer, die in dem Wahlergebnis eben keinen Regierungsauftrag sehen.

Habeck übernimmt für Baerbock

Christian Lindner weiß, dass eine Ampelkoalition die wahrscheinlichste Lösung nach diesem Wahlergebnis ist. Deshalb hat er Annalena Baerbock auch noch während der Elefantenrunde zu Sondierungsgesprächen eingeladen – auch wenn diese Gespräche nun wohl von Robert Habeck geführt werden. Zuerst sollen die beiden (gar nicht mehr so kleinen) Partner die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit eruieren. Sowohl im Konrad-Adenauer- als auch im Willy-Brandt-Haus dürfte das Angebot mit Sorge zur Kenntnis genommen worden sein.

(Volks-)Parteien in der Zange

Während Angela Merkel es vier Legislaturperioden lang geschafft hatte, den Koalitionspartner der Union zu verzwergen, droht der Post-Merkel-CDU genau das Gegenteil. Sie könnte thematisch in die Zange genommen werden. Zerquetscht zwischen den Klimawandel-bewegten Grünen und der finanzpolitisch motivierten FDP.

Und auch der SPD – aktuell noch im Freudentaumel – dürfte diese Entwicklung nicht gefallen. Die Sozialdemokraten durften für einen kurzen Moment hoffen, dass einstweilen wieder feststeht, wer Koch und wer nur Kellner ist – um eine Formulierung von Altkanzler Schröder zu bemühen. Doch die Grünen wollen sich nicht mehr mit der Rolle des Juniorpartners abfinden. Sofern sie das je wollten. Und ebenso wenig wollen sie auf die SPD als Koalitionspartner festgelegt sein – zu sehr reizen die verschiedenen Machtoptionen.

Die FDP ist zum Regieren verdammt

Lindner aber, darf sich nicht mehr aus den Koalitionsverhandlungen zurückziehen (eine Option, die die Grünen immer mit ihrer Trumpf-Karte „das ist uns zu wenig Klimaschutz“ ziehen können). Zu frisch ist die Erinnerung an die Verweigerung der FDP gegenüber einem Jamaika-Bündnis 2017. Die Liberalen werden klug taktieren müssen und das voraussichtlich auch tun.

Die unendliche GroKo steht als Notlösung offen

Und wenn alle Stricke reißen, die Kleinen zu hoch pokern und Laschet in seiner eigenen Partei nicht haltbar ist, besteht immer noch die langweiligste aller Optionen – die nächste GroKo. Zwar haben die beiden (Volks-)Parteien keine Motivation, das Bündnis weitere vier Jahre fortzusetzen, aber wenn ansonsten Neuwahlen drohen, könnten sich beide ihrer staatspolitischen Verantwortung wohl erneut nicht entziehen. (tku)

Bild: © stockphoto-graf – stock.adobe.com