Die deutsche FinTech-Branche verzeichnet in diesem Jahr ein hohes Maß an Zusammenschlüssen und Übernahmen. Das zeigt der FinTech-Kooperationsradar der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. Allein im ersten Halbjahr wurden demnach 16 Finanz-Start-ups übernommen. Damit dürfte der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2017, als es zu 20 Akquisitionen kam, 2019 voraussichtlich überboten werden. Insgesamt zählt der Kooperationsradar 92 FinTech-Übernahmen seit Anfang 2013, wovon ca. 80% auf die vergangenen dreieinhalb Jahre entfielen.
Sascha Demgensky, Leiter FinTech bei PwC Deutschland betont, dass die Entwicklung nicht nur die Start-ups, sondern auch die etablierte Finanzindustrie betreffe. „Das Kernthema unseres Kooperationsradars ist die Frage, wie FinTechs mit Banken, Versicherungen und anderen Finanz-Start-ups interagieren. So gesehen sind Übernahmen im Endeffekt die konsequenteste Form der Kooperation: Durch die Akquisition sichert sich der Käufer den zeitlich unbefristeten Zugang zu Technologie, Kunden und Mitarbeitern des jeweiligen FinTechs.”
Zwei Drittel der akquirierten FinTechs hatten einen starken B2B-Fokus
Gleichzeitig fällt auf, dass es sich bei den Käufern von deutschen Finanz-Start-ups in fast der Hälfte der Fälle (41) um andere Finanz-Start-ups handelt. In zehn Fällen war die akquirierende Partei eine Bank, in neun Fällen ein klassisches IT-Unternehmen, in jeweils fünf Fällen kamen Zahlungsdienstleister, Asset Manager oder E-Commerce-Anbieter zum Zuge. Nur drei FinTechs wurden von Versicherern übernommen. „Die Zahlen legen nahe, dass auch traditionelle Finanzdienstleister, die sich für spezielle FinTechs interessieren, immer öfter eine volle Übernahme zumindest in Erwägung ziehen”, sagt PwC-Experte Demgensky.
Knapp zwei Drittel der übernommenen FinTechs hatten einen starken B2B-Fokus. Gerade für etablierte Finanzdienstleister sei dies ein wichtiges Auswahlkriterium, wenn sie nach potenziellen Übernahmezielen Ausschau hielten, so Demgensky.
Das vierte Jahr ist entscheidend für den Erfolg
Bei 21 übernommenen FinTechs handelte es sich um Start-ups, deren Geschäftsmodelle dem Bereich „Finanzen” zuzuordnen sind. Es folgen Start-ups aus den Segmenten „Payments“ (19), „Accounting“ (12), „Investment“ (8), „Immobilien“ (7) und „InsurTech“ (7).
Ein weiteres Ergebnis der Studie war, dass die FinTechs zum Zeitpunkt der Übernahme knapp fünfeinhalb Jahre alt waren. „Bei der Entwicklung eines FinTech-Startups ist das vierte Jahr häufig entscheidend für den zukünftigen Erfolg“, so der FinTech-Experte. In diesem Jahr fänden gemäß der Studienergebnisse sowohl die meisten Geschäftsaufgaben, als auch die meisten Übernahmen statt.
Weitere Übernahmen sind zu erwarten
Laut Demgensky sprechen diverse Faktoren dafür, dass der Übernahme-Trend noch eine ganze Weile anhält. „Auf der einen Seite gibt es viele FinTechs, die zwar über zukunftsweisende Technologien verfügen, sich aber dennoch schwertun, als eigenständiger Anbieter eine auskömmliche Marktnische zu besetzen. Auf der anderen Seite stehen Banken, Versicherer und Asset Manager: Sie sehen sich damit konfrontiert, ihre Geschäftsmodelle zu digitalisieren und fit für die Zukunft zu machen, verfügen aber oftmals nicht über die Kapazitäten, die hierfür notwendigen Technologien allesamt selbst zu entwickeln. Darum sind Übernahmen von Finanz-Start-ups durch klassische Player in vielen Fällen eine klare Win-Win-Situation.”
Zugleich warnt der Experte davor, die Risiken solcher Transaktionen zu unterschätzen: „Wenn ein traditioneller Finanzdienstleister ein junges Start-up übernimmt, treffen meist sehr unterschiedliche Kulturen aufeinander – das ist schlicht unvermeidlich. Wer die Gefahr des Scheiterns minimieren will, muss daher sowohl der Due Diligence als auch später dem Integrationsmanagement höchste Priorität beimessen.“ (tku)
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