Schaltet man zu einer beliebigen Tageszeit den Fernseher an, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, schon bald die Werbung eines Vergleichsportals zu sehen. Die Ausgaben, die Vergleichsportale in Werbung stecken, sind nicht transparent. Laut Schätzungen von Fachmedien und Analysehäusern sprengen bereits die TV-Bruttowerbeausgaben die 600-Mio.-Euro-Grenze. Zu diesen Summen kommen noch Budgets für Suchmaschinenoptimierung und -werbung hinzu. Diese immensen Summen zeigen: Der Kampf unter den Vergleichsportalen ist unerbittlich. Jene Vergleichsportale, die sich in der Vergangenheit auf ein Produkt spezialisiert und über dieses kommunikativ definiert hatten, decken mittlerweile eine ganze Palette an Produkten und Dienstleistungen ab.
Platzhirsch im Versicherungsmarkt: Check24
Im Versicherungsmarkt gibt es ein Portal, das heute der Platzhirsch ist, weil es sich zuerst konsequent auf das Produkt Versicherung konzentriert hat: Check24. Das war – man kann es nicht anders sagen – ein cleverer Schachzug. Schließlich sind Versicherungen für viele Konsumenten kein Produkt, das gerne gekauft wird. Der Kauf wird häufig mit einem potenziellen Schaden und somit negativen Gefühlen assoziiert. Hinzu kommt ein oft intransparenter Verkaufsprozess mit ausufernden Papieranträgen in Schriftgröße acht und das ständige Gefühl, zu viel zu bezahlen. Zudem gehörten Versicherungen zu den Produkten mit dem größten Sparpotenzial. Das Versprechen von Check 24 war und ist simpel: Bei uns kannst du sparen, der Prozess ist einfach, du hast die Kontrolle und Transparenz. Und der Plan ging auf: In relativ kurzer Zeit konnte Check24 sehr viele Online-Abschlüsse verbuchen. Marktzahlen legen heute nahe, dass der Online-Anteil in Kfz um die 30%, bei der Privathaftpflicht um die 25% liegt, der Löwenanteil geht dabei über die Vergleicher und vor allem Check24.
Drohende Sättigungstendenz
Betrachtet man nun aber die aktuelle Situation, so ist nicht zu erwarten, dass der Markt für Versicherungsprodukte auf Vergleichsportalen noch weiter signifikant wachsen wird. Seit 2015 bleibt die allgemeine Akzeptanz des Online-Vertriebs konstant (vgl. „Kundenmonitor e-Assekuranz“, YouGov, 2017). Der Bedarf, der durch die Vergleicher gedeckt wird, ist Sparen. Es geht nicht um eine Bedarfsweckung für neue, bisher noch nicht abgeschlossene Produkte. Wer seine Kfz-Police wechselt, schließt in der Regel nicht spontan noch eine Rechtsschutzversicherung über den Vergleicher ab. Verkäufe von neuen Produkten sind die Ausnahme, das Gros ist ein Verdrängungswettbewerb.
Bei nicht transaktionalen Produkten in Leben und Vorsorge – abgesehen von Risikoleben – sowie selbst in Wohngebäude ist der Online-Anteil im zum Teil niedrigen einstelligen Bereich. Ein Wachstumsschub ist hier ebenfalls nicht zu erwarten. Und irgendwann sind Sparpotenziale für Kunden ausgeschöpft. Wirkliches Wachstum kann also nur über Kunden kommen, die bisher Vergleichsportale nicht genutzt haben. Und hier schließt sich der Kreis, denn die Kanalakzeptanz steigt nicht an. Diese Sättigungstendenz entsteht neben den ausgeschöpften Sparpotenzialen auch dadurch, dass im Internet nicht mehr nur die Sparfüchse unterwegs sind.
Für Check24 stellt das aber nicht unbedingt ein Problem dar. Zwar ist das Wachstumspotenzial über Versicherungen begrenzt, jedoch gibt es zahlreiche weitere Produktkategorien, durch welche das Unternehmen wachsen kann. So konnte man in den letzten Wochen und Monaten in der Kommunikation von Check24 insbesondere die Themen Reise und Urlaub sowie Kredite wahrnehmen.
Weitere Player sind nicht in Sicht
In der Branche kommt häufig die Frage auf, ob neben Check24 noch weitere Vergleicher im Versicherungsbereich eine relevante Größe werden können. Mit Einschränkungen hat das Verivox geschafft. Weitere Player sind nicht zu erwarten. Dafür sind die Investitionssummen zu hoch. Die Prozesse sind für den Kunden heute einfach und bequem, ein neuer Spieler kann also dem Kunden hier keinen zusätzlichen Mehrwert bieten. Dass sich eine große Gruppe (nur dann bringt es Mehrwert für den Kunden) an Versicherern zusammenschließt und selbst ein Vergleichsportal auflegt, ist auch eher unwahrscheinlich. Das Geschäft geht tendenziell an Anbieter, die günstig anbieten können oder wollen. Mittel- und hochpreisige Anbieter haben daher keinen Anreiz teilzunehmen.
Versicherer benötigen ein funktionierendes Multikanalmanagement
Was bedeutet diese Gemengelage für die Versicherer? Klar ist, dass sich der Kardinalfehler der Industrie, den Abschluss über den Vergleicher zu erlauben, nicht zurückdrehen lässt. Die Kundenschnittstelle ist hier perdu. Vergleichsportale werden auch weiterhin stark bleiben bei transaktionalen Produkten. Es ist nicht zu erwarten, dass viele Kunden vom Vergleichsportal zurück in stationäre Kanäle wandern, bzw. dass der Neukundenanteil sich Richtung stationär verschiebt. Findet keine kollektive Richtungsänderung statt, wird das Vergleichergeschäft auch weiter deutlich weniger profitabel sein als das Geschäft über den Vermittler. Dass Vergleichsportale eine gewisse Kundenklientel anziehen, zeigt die Tatsache, dass sich im Vergleich zum stationären Vertrieb ca. 200% mehr Kunden mit schlechter Bonität dort die Policen suchen.
Um weiterhin mithalten zu können, benötigen Versicherer ein funktionierendes Multikanalmanagement, in dem Kanäle „miteinander sprechen“. Ein Vermittler muss wissen, was ein Kunde online berechnet hat, und muss theoretisch auch in der Lage sein, dieses Produkt zu verkaufen. Dafür müssen Produkte und Pricing den Kanalanforderungen entsprechend aufgebaut sein. Das beste Produkt funktioniert im Vergleichsportal nicht, wenn es dort erst auf Seite 4 auftaucht, auch wenn es ggf. das Zielprodukt im gebundenen Vertrieb ist, Beratungssicherheit bietet, eine zufriedenstellende Provision abwirft und den Bedarf des Kunden wirklich deckt. Für das Vergleichsportal jedoch braucht es ein abgespecktes Produkt, das in einer gewissen Preisspanne liegt und, ja, den Fachabteilungen Bauchschmerzen bereitet, weil es knapp an der Mogelpackung vorbei ist. Wer nicht auf Seite 1 vorkommt, hat quasi schon verloren. Zudem müssen Versicherer dynamisches Pricing erwägen und perspektivisch zum Beispiel die Preise für das gleiche Produkt in unterschiedlichen Kanälen variieren.
Auch die Versicherer erkennen dies. Aktuelle Simon-Kucher Studien zeigen: 69% der befragten Gesellschaften sind unzufrieden mit dem Geschäft über Vergleichsportale. Knapp die Hälfte der Versicherer verzeichnet auf den Portalen kein Wachstum beim Prämienvolumen. 23% der Versicherer, die auf Vergleichsportalen vertreten sind, steuern diesen Kanal überhaupt nicht, und 57% sagen, sie haben kein passendes Produkt für den Online-Verkauf. Bei nicht-transaktionalen Produkten ist weiterhin der Vermittler gefragt, indem er zunächst den Bedarf weckt; das geht im stationären Vertrieb immer noch am besten. An Produktzusammenstellung und Verkauf haben Kunden inzwischen aber höhere Anforderungen und sind kritischer. Digital unterstützte und geführte Prozesse sind nötig, um Kunden zu begeistern, Vermittlern das Leben zu erleichtern und die Abschlusswahrscheinlichkeit zu erhöhen. An einem echten Multikanalangebot kommt der Versicherer heute nicht mehr vorbei.
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