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20. August 2024
Demografischer Wandel: Doppelte Herausforderung

Demografischer Wandel: Doppelte Herausforderung

Mit der Demografie ändern sich die Risiken der Gesellschaft. Prominent ist hier aktuell das Langlebigkeitsrisiko im Kontext von Alterung und Entwicklung des Altersvorsorgesystems. Wie wirkt sich der demografische Wandel hierauf aus? Antworten von Dr. Maximilian Happacher von der Deutsche Aktuarvereinigung.

Ein Artikel von Dr. Maximilian Happacher, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Aktuarvereinigung e. V.

Die demografische Landschaft befindet sich in einem bedeutenden Wandel, der durch zwei Hauptfaktoren angetrieben wird: anhaltend niedrige Geburtenraten in den letzten fünf Jahrzehnten und ein bemerkenswerter Anstieg der Lebenserwartung. Das Verständnis der Auswirkungen dieser Veränderungen ist entscheidend für die Entwicklung wirksamer Strategien für die Altersvorsorge.

In den letzten 50 Jahren sind die Geburtenraten in vielen Industrieländern deutlich gefallen. In Deutschland beispielsweise liegt die Geburtenrate seit mehreren Jahrzehnten bei unter 1,6 Kindern pro Frau. Gleichzeitig ist die Lebenserwartung dramatisch gestiegen, und viele Menschen werden heute 85 Jahre alt oder älter. Die Kombination aus niedrigen Geburtenraten und höherer Lebenserwartung stellt ein doppelt schwieriges Szenario dar: Es gibt weniger junge Menschen, die ins Erwerbsleben eintreten, um eine wachsende ältere Bevölkerung zu unterstützen.

Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Rentensysteme

Der demografische Wandel übt sowohl auf kapitalgedeckte als auch auf umlagefinanzierte Rentensysteme Druck aus, wenn auch auf unterschiedliche Weise.

Kapitalgedeckte Rentensysteme entwickeln sich umso besser, je höher die Renditen an den Kapitalmärkten sind. Eine verhaltene gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die mit einer alternden Bevölkerung einhergehen kann, führt jedoch tendenziell zu niedrigeren Zinssätzen und geringeren Investitionserträgen. Dies macht es schwieriger, Mittel zur Unterstützung der Renten über Kapitalerträge zu generieren.

In umlagefinanzierten Systemen finanzieren die Beiträge der derzeitigen Arbeitnehmenden die Renten der aktuellen Rentnerinnen und Rentner. Da das Verhältnis von Beitragszahlenden zu Rentenempfangenden kontinuierlich sinkt, werden diese Systeme zunehmend belastet. Dieses Ungleichgewicht bedroht die Nachhaltigkeit der umlagefinanzierten Systeme und macht entweder höhere Beiträge der Arbeitnehmenden oder geringere Leistungen für die Rentnerinnen und Rentner erforderlich.

Risikominimierung durch Kombination der Systeme

Beide Systeme stehen also angesichts der demografischen Entwicklung vor Herausforderungen. Diese sind jedoch unterschiedlich gelagert, und ein gemischter Ansatz, der sowohl kapitalgedeckte als auch umlagefinanzierte Elemente umfasst, kann die mit dem demografischen Wandel verbundenen Risiken bestmöglich abfedern. Dabei bieten kapitalgedeckte Modelle, insbesondere solche mit kollektiven Anlagestrategien, einen robusten Mechanismus für den langfristigen Kapitalaufbau. Durch die Bündelung von Ressourcen und Risiken über lange Zeiträume können kollektive Modelle stabile und attraktive Renditen erzielen, ganz besonders in unsicheren wirtschaftlichen Zeiten.

Sicherung des Lebensstandards im Alter – nur gemeinsam möglich!

Als Deutsche Aktuarvereinigung e. V. plädieren wir gemeinsam mit unserer Schwestervereinigung, dem IVS – Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e. V. –, für einen kollektiven Ansatz zur Sicherung des Lebensstandards im Alter. Diese Perspektive gewinnt angesichts der laufenden Diskussionen um die Umsetzung der Empfehlungen der Fokusgruppe Private Altersvorsorge, der anstehenden Novellierung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes und des europäischen Dialogs zur Entwicklung von Pan-European Pension Products (PEPP) an Dringlichkeit.

Vorteile der kollektiven Modelle in der Ansparphase

Eine wirksame Alterssicherung beruht auf kollektiven, langfristigen Anlagestrategien, die von Lebensversicherern und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung angeboten werden. Die kollektive Kapitalbildung innerhalb eines Sicherungsvermögens der Lebensversicherung oder im Unternehmen zur Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung bietet ein Sicherheitsnetz für die Grundbedürfnisse im Ruhestand. Die Investition in Sachwerte wie Immobilien oder Aktien im Rahmen kollektiver Modelle bietet höhere Renditen und eine geringere Volatilität, was für den Einzelnen bessere und verlässlichere Renten­ergebnisse bedeutet.

Darüber hinaus bietet die Beteiligung an einem diversifizierten Portfolio mit hohem Sachwertanteil einen erheblichen Inflationsschutz, da Sachwerte weniger von infla­tionsbedingter Währungsabwertung betroffen sind. Die Puffer- und Ausgleichsmechanismen der kollektiven Modelle tragen dazu bei, kurz- und mittelfristige Marktschwankungen aufzufangen, Stabilität zu erhalten und Inflation auszugleichen.

Armut im Alter in der Entsparphase vorbeugen

Zur effektiven Bekämpfung von Altersarmut ist die Entsparphase entscheidend. Die Annahme, dass die finanziellen Bedürfnisse mit zunehmendem Alter abnehmen, ist falsch. Kosten wie Miete, Energie und Nahrung werden nicht günstiger. Dazu kommt, dass die eigene Lebenserwartung im Normalfall deutlich unterschätzt wird, was bei zeitlich befristeten Auszahlungsplänen zu hohen Versorgungslücken gerade in den letzten Lebensjahren führt. Lebenslange Renten sind folglich zwingend nötig, um Altersarmut zu verhindern. Daher muss der Großteil der angesammelten Mittel für lebenslange Rentenzahlungen verwendet werden.

Flexible Lösungen für den Ruhestand

Lebenslange Renten auf der Grundlage kollektiver Kapitalanlagen und der Bündelung des Langlebigkeitsrisikos sind – wie erläutert – von grundlegender Bedeutung. Darüber hinaus sollten verschiedene flexible Auszahlungsoptionen zur Verfügung stehen, um einerseits den individuellen Bedürfnissen und Präferenzen gerecht zu werden und andererseits ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Rendite herzustellen.

Fazit: Kollektive Stärke in der Altersvorsorge

Sowohl in der Anspar- als auch in der Auszahlungsphase spielt die kollektive Organisation der Altersvorsorge ihre Stärken aus. Daher sollten diese Phasen eng miteinander verknüpft werden, um maximale Effizienz zu erreichen. Nur lebenslange Renten können Altersarmut wirksam verhindern. Daher darf die staatliche Förderung nur Systeme mit überwiegender Verrentung begünstigen, wenn sie dieses Ziel erreichen will. Aktuarinnen und Aktuare von DAV und IVS überwachen diese lebenslangen Zusagen, damit sie nachhaltig verlässlich bleiben. Sie stehen mit ihrer Expertise für die Entwicklung geeigneter staatlich geförderter Rentensysteme zur Verfügung.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 08/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Hyejin Kang – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Maximilian Happacher