Der börsengehandelte Indexfonds, kurz ETF, erfreut sich vor allem bei den jüngeren Anlegern immer größerer Beliebtheit. Einfach draufgeschaut sind die Vorteile recht klar: Der ETF ist als Möglichkeit der Geldanlage recht einfach nachzuvollziehen, ist breit diversifiziert und hat zudem niedrige Gebühren vorzuweisen. Da wundert es nicht, dass das verwaltete Volumen von ETFs auch in den nächsten Jahren weiter steigen soll, wie auch Oliver Wyman 2023 prognostizierte.
Hinzu kommt, dass der Ruf des klassischen aktiv gemanagten Fonds immer wieder in Mitleidenschaft gezogen wird, da viele ihr Ziel, den Markt zu schlagen, gerne verfehlen – trotz ihrer höheren Gebühren. Das zeigt z. B. die bekannte SPIVA-Statistik des Indexanbieters S&P regelmäßig. Demnach hätten bspw. in den vergangenen zehn Jahren nur 2% der aktiv verwalteten USA-Aktienfonds ihren Vergleichsindex übertroffen. Bei den global investierenden Aktienfonds sind es gerade einmal 4%.
Also alles in ETFs stecken? Nun, ganz so einfach ist es eben nicht. Ali Masarwah, Fondsanalyst und Geschäftsführer des Finanzanlagenvermittlers envestor und früher Analyst beim Research-aus Morningstar, hat aktive Fonds und ETFs einmal mit Blick auf die „Todesquote“ und den „Survivorship Bias“ analysiert und dabei festgestellt: ETFs lassen durch diese Linse betrachtet ganz schön zu wünschen übrig.
Ohne die toten Fonds geht es nicht
Die schwache Bilanz von aktiv verwalteten Fonds geht der envestor-Untersuchung zufolge nicht immer auf eine schlechte Performance zurück. Denn viele Fonds werden außerplanmäßig liquidiert, was Investoren den Weg zum Anlageziel erschwert. Um die Bedeutung von Fondsliquidationen klarer zu machen, ein Beispiel: Wenn alle zehn aktiv verwalteten Fonds einer bestimmten Kategorie nach zehn Jahren ihren Vergleichsindex übertroffen haben, ergibt dies eine beeindruckende Erfolgsquote von 100%. Weniger beeindruckend erscheint die Erfolgsquote dagegen, wenn man weiß, dass die Fondskategorie zehn Jahre zuvor 100 Fonds umfasst hatte. Und weil 90% der startenden Fonds nicht den Weg zum Ziel erreicht haben, ergibt das eine Erfolgsquote von 10% und nicht 100%. Wird die Todesquote von Fonds nicht berücksichtigt, entsteht der sogenannte „Survivorship Bias“.
Der Clou an der Sache jedoch: Der Survivorship Bias finde envestor zufolge immer nur bei aktiv verwalteten Fonds Verwendung – so z. B. auch bei den Statistiken renommierter Vermögensverwalter. ETFs würden stattdessen oft mit Indizes gleichgesetzt, und die sind bekanntlich „unsterblich“.
„Erschreckende ETF-Bilanz“
Vor diesem Hintergrund hat envestor eine Survivorship-Bias-bereinigte ETF-Bilanz der letzten zehn Jahre erstellt, mit den ETFs in 30 Kategorien, die für Anleger in der Eurozone besonders wichtig sind, so envestor. Der Zeitraum ist von April 2014 bis März 2024 angesiedelt. Bei den üblichen Vergleichen fällt die Bilanz der meisten ETFs, eben ohne die liquidierten ETFs zu berücksichtigen, gut aus. Z. B. gelangen ETFs zwischen 2014 und 2024 bei der wichtigen Fondskategorie „Aktien Welt“ im Schnitt eine jährliche Outperformance von knapp drei Prozentpunkten. MSCI-World- oder FTSE-World-ETFs haben die durchschnittlichen Fonds der Kategorie regelrecht deklassiert.
Doch diese Auswertung sei eben laut envestor unvollständig. Denn zwischen 2014 und 2024 könne man in den 30 analysierten Kategorien getrost von einem „Massensterben“ sprechen. In der Kategorie Rentenfonds Euro Staatsanleihen gab es im April 2014 76 ETFs. Deren Zahl schmolz bis April 2024 auf 33 zusammen. Das ergibt eine Überlebensquote von 43%. Die höchste Mortalitätsrate haben ETFs für europäische Nebenwerte verzeichnet: Zwischen 2014 und 2024 wurden sieben der neun seinerzeit vorhandenen Produkte am Markt liquidiert, was zu einer Überlebensquote von 22% führt. Und auch bei Europa- und Euroland-Aktien-ETFs herrscht nur eine Überlebensquote von 55 bzw. 57% vor, bei der Kategorie USA Growth ETFs sind es nur 50%.
Somit liegt bei der Survivorship-Bias-freien ETF-Bilanz die Erfolgsquote insgesamt deutlich niedriger. Dass 98% der aktiv verwalteten USA-Aktienfonds die Benchmark verfehlen, bedeute nicht, dass 98% der Indexfonds ihre aktiven Pendants übertreffen, so envestor. Laut der bereinigten Bilanz seien es vielmehr nur 59%. Das ist der Anteil der USA-ETFs, die einmal die Zehnjahresperiode zwischen 2014 und 2024 überlebt und zum anderen den Durchschnitt der Fonds der Kategorie Aktien USA übertroffen haben. Die beliebten MSCI-World-ETFs hatten, zusammen mit Deutschland-ETFs, mit jeweils 63% die höchsten Erfolgsquoten aller Kategorien. Das sei ordentlich, aber „bei Weitem“ nicht berauschend. In den meisten Sektor-Kategorien liegt die Erfolgsquote bei zwischen 10 und 20%. China-Aktien-ETFs, die 2014 am Markt waren, bilden mit 0% das Schlusslicht.
Liquidationen trüben ETF-Bilanz
Für den Autor Masarwah ist es erstaunlich, dass die Folgen von ETF-Liquidiationen für die ETF-Bilanz bisher so wenig untersucht wurden. Es sei außerdem eine Binsenweisheit, dass Liquidationen ein wichtiger Grund für schwache Bilanz von aktiv verwalteten Fonds sind. Durch die Untersuchung möchte envestor einen Beitrag dazu leisten, die Einschätzung von ETFs „angemessen-realistisch“ zu machen. (mki)
Bild: © zoommachine – stock.adobe.com
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