Ein Artikel von Michael Gerhard, Aktuar (DAV) im Bereich Recht | Steuern der Longial GmbH
Der im Herbst letzten Jahres von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf des „Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ (Wachstumschancengesetz) sieht bei einer Verabschiedung auch Auswirkungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung (bAV) vor. Dies beträfe:
1. Die Vermeidung von Doppelbesteuerung bei Renten aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen
Bei diesen Renten richtet sich die Höhe des Besteuerungsanteils nach den Bestimmungen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf würde sich der Anstieg des Besteuerungsanteils für jeden neuen Renteneintrittsjahrgang von bislang einem auf einen halben Prozentpunkt jährlich ab dem Veranlagungszeitraum 2023 reduzieren. Für Personen mit Renteneintritt im Jahr 2023 würde der maßgebliche Besteuerungsanteil so anstatt 83% nur noch 82,5% betragen. Der Besteuerungsanteil von 100% wäre erstmals bei Personen mit Renteneintritt im Jahr 2058 erreicht.
So soll die „doppelte Besteuerung“ von Beiträgen und Leistungen vermieden werden. Die Bundesregierung geht allerdings davon aus, dass die Maßnahme allein nicht ausreichend ist, um diese in allen Fällen vollständig auszuschließen. Daher sollen zeitnah weitere gesetzliche Regelungen folgen.
2. Die Höhe des Altersentlastungsbetrages in den versicherungsförmigen Durchführungswegen
Bei der nachgelagerten Besteuerung von Leistungen aus Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen kommt die Gewährung des Altersentlastungsbetrags nach § 24a Satz 5 EStG in Betracht. Er wird Steuerpflichtigen gewährt, die vor dem Jahr des Bezugs des betreffenden steuerpflichtigen Einkommens das 64. Lebensjahr vollendet haben. Der Altersentlastungsbetrag ist ein prozentualer Anteil der entsprechenden Einkünfte, abhängig vom Geburtsjahr des Leistungsempfängers und durch einen Höchstbetrag begrenzt. Nach bisheriger Rechtslage sinkt dieser Prozentsatz für jedes Jahr der späteren Geburt um 0,8 Prozentpunkte.
Nach dem vorliegenden Entwurf des Wachstumschancengesetzes soll sich der Besteuerungsanteil ab 2023 auch bei Leistungen aus den versicherungsförmigen Durchführungswegen schrittweise um 0,4 statt bisher 0,8 Prozentpunkte verringern. Auch der Höchstbetrag soll dann um jährlich 19 Euro statt – wie bislang vorgesehen – um 38 Euro sinken.
3. Die Höhe des Versorgungsfreibetrages bei Direkt- und Unterstützungskassenzusagen
Von Versorgungsbezügen bleiben der nach einem Prozentsatz ermittelte und in der Höhe begrenzte Versorgungsfreibetrag sowie ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei (§ 19 Abs. 2 Satz 1 EStG). Zu den begünstigten Versorgungsbezügen gehören auch Leistungen aus einer Direktzusage bzw. aus einer Unterstützungskassenversorgung. Der maßgebende Prozentsatz für den jeweiligen steuerfreien Anteil, der Höchstbetrag und der Zuschlag richten sich nach dem Jahr des Versorgungsbeginns. Für den einzelnen Steuerpflichtigen bleibt dieser vom Versorgungsbeginn abhängig ermittelte Prozentsatz für immer fixiert.
Der Versorgungsfreibetrag sowie der Zuschlag verringern sich von Jahr zu Jahr für jeden neu in den Ruhestand tretenden Jahrgang. Bislang reduziert sich der maßgebliche Prozentsatz des Freibetrages jährlich um 0,8 Prozentpunkte. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf soll der betreffende Prozentwert nur noch in jährlichen Schritten von 0,4 Prozentpunkten abnehmen. Der Höchstbetrag würde ab dem Jahr 2023 um jährlich 30 Euro und der Zuschlag um jährlich 9 Euro sinken – im Vergleich zu bislang 60 bzw. 18 Euro. Bei Inkrafttreten der Neuregelung würden die Freibeträge für Versorgungsbezüge somit erst im Jahr 2058 vollständig abgeschmolzen sein.
4. Die Berechnung der Lohnsteuer bei der Fünftelungsregelung
Mit der Fünftelungsregelung werden außerordentliche Einkünfte steuerlich begünstigt (§ 34 EStG). Eine einmalige, hohe Einnahme wird dabei – vereinfacht gesagt – progressionsmindernd so behandelt, als käme sie gleichmäßig auf die nächsten fünf Jahre verteilt zustande. Zu entsprechenden außerordentlichen Einkünften zählen auch Leistungen der bAV, soweit sie Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit darstellen. Anwendung findet die betreffende Regelung damit nach Auffassung der Finanzverwaltung auf Einmalzahlungen aus einer Direktzusage bzw. einer Unterstützungskassenversorgung.
An den Regelungen des § 34 EStG selbst sind nach dem Entwurf des Wachstumschancengesetzes grundsätzlich keine Änderungen geplant, die Anwendung kann bei der Einkommensteuererklärung also unverändert geltend gemacht werden. Modifikationen sollen hingegen bei der Berechnung der Lohnsteuer (ab 2024) eintreten. Derzeit kann die Tarifermäßigung des § 34 EStG bereits hier berücksichtigt werden (§ 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG). Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll dies nicht länger möglich sein. § 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG sollen aufgehoben werden, um Arbeitgeber zu entlasten. Denn die Berücksichtigung der Fünftelungsregelung kann aus ihrer Sicht kompliziert sein. Die zutreffende Einkommensteuer kann in den Fällen des § 34 EStG zudem ohnehin nur am Ende des Veranlagungszeitraums verlässlich ermittelt werden. Erst dann sind alle steuerlich relevanten Sachverhalte bekannt.
Fazit
Die mit dem Entwurf verfolgten Ziele sind nachvollziehbar und gut begründet. Aber: Noch ist das Gesetz nicht in Kraft getreten.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich beispielsweise der Bundesrat mit seiner Forderung nach Änderungen bei der „doppelten Rentenbesteuerung“ hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit in allen Fallkonstellationen durchsetzen kann. Er schlägt daher die Umsetzung in einem späteren Gesetzgebungsverfahren vor. Zudem kritisiert er die vorgesehene Streichung bei der Fünftelungsregelung. Denn nicht fachkundige Arbeitnehmer würden für die ihnen zustehende Tarifermäßigung im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer womöglich keinen Antrag stellen. Im Übrigen sei für den Arbeitgeber mit der Neuregelung keine wirkliche Erleichterung verbunden.
Inzwischen liegen zudem weitere Stellungnahmen von Verbänden wie dem GDV vor, die womöglich (auch) Eingang in das Gesetzgebungsverfahren finden.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 03/2024 und in unserem ePaper.
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