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8. Mai 2020
Corona-Pandemie: Weiterhin Streit um Betriebsschließungsversicherung

Corona-Pandemie: Weiterhin Streit um Betriebsschließungsversicherung

Die Ablehnung von Versicherern, aufrund coronabedingter Betriebsschließungen zu leisten, schlägt weiter hohe Wellen. Freiwillige Vergleichsangebote zur Betriebsschließungsversicherung werden kritisch beäugt, Klagen von Betrieben sind in Arbeit. Erste Prozessfinanzierer treten auf den Plan.

Die Lokale dürfen (bald) wieder öffnen. Es vergeht aber weiterhin kein Tag, an dem nicht in einer Lokalzeitung berichtet wird, dass ein Gastronom trotz Betriebsschließungsversicherung vonseiten seines Versicherers leer ausgeht. Auch das ZDF griff das Thema dieser Tage wieder auf. Die Kompromisslösung aus Bayern (AssCompact berichtete), mit der sich Versicherer bereit erklären, sich etwa zur Hälfte an den Einbußen behördlich geschlossener Betriebe mit entsprechender Versicherung, die nicht durch staatliche Hilfen aufgefangen werden, zu beteiligen, gilt den einen als Entgegenkommen, den anderen als Ausweichmanöver der Versicherer. Manche Versicherer haben sich dem Kompromiss zudem nicht angeschlossen. Einige Versicherer akzeptieren das Corona-Virus als Bestandteil der Vertragsbedingungen und bezahlen, andere Versicherer suchen nach Lösungen im Einzelfall. Manche Versicherer sagen ergänzend auch weitere Hilfe zu.

Unklare Bedingungen nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers

Rechtsanwälte warnen die Betriebe jedenfalls davor, pauschale Vergleichsangebote vorschnell anzunehmen. Wenn in den Versicherungsbedingungen keine gesonderte Aufzählung von Krankheiten im Einzelnen enthalten sei, dürfe der Versicherungsnehmer erwarten, dass auch neuartige Viren vom Versicherungsvertrag umfasst seien, wenn sich für diese nach dem Infektionsschutzgesetz oder einer verbundenen Rechtsverordnung eine Meldepflicht ergebe, so die Argumentation. Es läuft darauf hinaus, dass unklare Bedingungen nicht zulasten des Versicherungsnehmers ausgelegt werden können. Der Maklerverband BDVM legte schon früh dar, dass bereits die Auslegung der Bedingungen eine Einstandspflicht ergebe. Zudem käme noch der § 1a VVG hinzu, der die Versicherer auch bei der Schadenabwicklung verpflichte, im besten Interesse der Kunden zu handeln. (AssCompact berichtete)

Prozessfinanzierer sieht Chance auf Klageerfolg

Betroffene Betriebe, die sich nicht mit einem Kompromiss oder Vergleichsangebot zufriedengeben wollen, werden wohl klagen müssen. Der Ausgang solcher Klagen ist bisher offen. Erste Prozessfinanzierer scheinen aber Aussicht auf Erfolg zu sehen. So informiert die Anwaltskanzlei Wirth-Rechtsanwälte, dass sie die Zusammenarbeit mit einem Prozessfinanzierer, der Omni Bridgeway AG, bei der Durchsetzung von Versicherungsleistungen anbietet. Betroffene Unternehmen könnten ihre Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung über die Kanzlei dort kostenfrei prüfen lassen. Bei erfolgreicher Prüfung übernimmt der Prozessfinanzierer das komplette finanzielle Risiko für die Geschädigten. Die Kanzlei selbst berichtet zudem, dass sie bereits mit einer Vielzahl von Fällen beschäftigt sei. Medienberichte zufolge soll mittlerweile auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband betroffene Betriebe anhalten, ihre Ansprüche prüfen zu lassen. Die zuvor genannte Kompromisslösung hätte allein die bayerische Sektion des Verbands zusammen mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium und Versicherern erarbeitet.

Betriebsschließungsversicherung und Kurzarbeitergeld?

Ein weiteres Problem tauchte auf, als bei Betrieben Schreiben von den Arbeitsagenturen eintrafen, in denen vermerkt war, dass das Bestehen einer Betriebsschließungsversicherung die Zahlung von Kurzarbeitergeld ausschließe. Die anfangs genannte verabredete Kulanzlösung basiert allerdings auf Berechnungen, in dem ein Großteil der Umsatzeinbußen über Kurzarbeitergeld aufgefangen wird. Gegenüber AssCompact hatte die Bundesagentur für Arbeit erklärt, dass es hier immer auf die individuelle Prüfung des Einzelfalls ankäme (AssCompact berichtete).

Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala und Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik, wiesen am 27.04.2020 in einem Pressestatement daraufhin, dass Arbeitgeber bei Akzeptanz eines Vergleiches mit gleichzeitigem Verzicht auf den originären Anspruch aus der Betriebsschließungsversicherung bei Beantragung von Kurzarbeitergeld in die Bredouille geraten könnten. Die Zahlung von Kurzarbeitergeld sei eine subsidiäre, also nachrangige Sozialleistung des Staates.

Wer eine Betriebsschließungsversicherung habe, benötige für den versicherten Zeitraum kein Kurzarbeitergeld. Die Arbeitsagentur würde etwaige Leistungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag verrechnen. Der Verzicht auf die volle Leistung zugunsten einer „freiwilligen Kulanzleistung“ zu Lasten des Staates sei ein Verstoß gegen die guten Sitten. Im schlimmsten Fall, so die beiden Autoren, müsse man von einem Subventionsbetrug ausgehen.

Nach Angaben von Rechtsanwalt Arne Podewils, Kanzlei mzs Rechtsanwälte, schaffe hier eine Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 28.04.2020 aber Klarheit. Zahlungen von Versicherern, auch anteilige, würden sich nicht leistungsmindernd auf das Kurzarbeitergeld auswirken, so die Aussage. Dabei sei es unerheblich, ob der Versicherer einen Rechtsanspruch auf die Leistung anerkannt habe oder nicht. Die Verunsicherung habe dazu geführt, dass betroffene Betriebe zunächst von einer weiteren Verfolgung des Versicherungsanspruches aus der Betriebsschließungsversicherung abgesehen hätte, so Podewils Hierfür bestehe nun aber kein Grund mehr. Er empfiehlt den Betroffenen, ihre Ansprüche gegen die Betriebsschließungsversicherung mit aller Konsequenz durchzusetzen.

GVNW will neue Pandemiedeckung zum Schutz der Wirtschaft

Wie stark die Klagewelle allerdings aussehen und welche Ergebnisse sie bringen wird, wird sich erst noch zeigen. In den sozialen Medien kursiert mittlerweile ein Video von Gastronomen, Schauspielern und Kabarettisten gegen die Versicherer. Starkoch Alfons Schuhbeck hat darin einen Gastauftritt. Die Beteiligten machen darin ihrem Ärger Luft und werfen den Versicherern vor, sie im Stich zu lassen.

Den Blick in die Zukunft richtet dagegen der Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft (GVNW) e.V.. Er fordert eine neue Pandemiedeckung zum Schutz der Wirtschaft. Es seien aus den Vorfällen die richtigen Schlüsse zu ziehen und Vorkehrungen zu treffen, um vergleichbare Situationen in Zukunft besser bewältigen zu können, ohne zuerst und ausschließlich auf den Steuerzahler zurückgreifen zu müssen. Der GVNW fordert, dass die private Versicherungswirtschaft zusammen mit staatlicher Unterstützung eine geeignete Struktur für die Absicherung zukünftiger Pandemierisiken aufbaut. Hierüber sollte dann zukünftig Versicherungsschutz gegen Pandemierisiken für Unternehmen leicht zugänglich sein und eine umfassende Deckung gegen die wirtschaftlichen Folgen einer erneuten Pandemie bieten. Eine solche Deckungsstruktur könnte zum Beispiel in Form eines Pandemie-Pools gestaltet werden. Hierfür gibt es international zahlreiche funktionierende Beispiele für die Abdeckung von Kumulrisiken – zum Beispiel bei Naturkatastrophen, Terrorrisiken oder speziellen Gefahren wie etwa Nuklearrisiken. (bh)

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Bild: © dbunn – stock.adobe.com

Anmerkung: Der Text wurde am 11.05.2020, 07:45 Uhr, ergänzt.