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30. Mai 2023
BU-Absicherung: „In 99% der Fälle wird am Kunden vorbei beraten“
BU-Absicherung: „In 99% der Fälle am Kunden vorbei beraten“

BU-Absicherung: „In 99% der Fälle wird am Kunden vorbei beraten“

Hat sich das Interesse am Thema Berufsunfähigkeit infolge der Pandemie verändert? Welche Trends zeigen sich in der Arbeitskraftabsicherung und inwiefern schlägt sich die Dynamik in der Grundfähigkeitsversicherung in der Vermittlung nieder? AssCompact hat bei einem BU-Spezialisten nachgefragt.

Interview mit Guido Lehberg, Versicherungsmakler und „DER BU-Profi
Herr Lehberg, es heißt, die Deutschen schauen seit der Corona-Pandemie mehr auf ihre Absicherung. Hat sich das Interesse für eine Berufsunfähigkeitsversicherung verändert?

Ich habe insgesamt nicht das Gefühl, dass sich viel am Interesse an die BU verändert hat. Das Interesse war zuvor schon groß und ist es nach wie vor. Ein paar Anfragen haben wir allerdings schon bekommen, die explizit eine BU abschließen wollen, um vor einer kommenden Coronainfektion geschützt zu sein, und eine Kundin hat sogar wegen einer Long-Covid-Erkrankung im Freundeskreis den Schritt in Richtung BU gemacht. Es gibt also schon Fälle, der große Ansturm ist es jedoch (noch) nicht.

Mit Blick auf die Kunden: Wo besteht der größte Aufklärungsbedarf und wo gibt es aktuell die größten Hemmnisse zum Abschluss einer BU?

Die BU-Absicherung wird in 99% der Fälle am Kunden vorbei beraten. Im ersten Beratungstermin stellen wir unseren Kunden das Leistungsversprechen vor und kaum jemand hat die Kernelemente vorher gekannt. Verstehen die Kunden, wie schnell eine BU auch in Bürojobs eintreten kann, ist die Bereitschaft für den Abschluss sehr hoch. Ähnliches gilt für die Rentenhöhe. Solange mit der Formel „80% vom Netto sind ausreichend“ geworben wird, sind die meisten Menschen deutlich unterversichert.

Dürfen wir denn fragen, wie das Geschäft bei Ihnen läuft – und mit welcher Zielgruppe?

Uns mangelt es nicht an Neukunden, sondern eher an Personal, um die Interessenten zeitnah gut zu versorgen. Es läuft also hervorragend. Unsere Zielgruppe sind akademische Berufe aus den Bereichen „Kammerberufe“, „Technische Berufe“, „Versicherungsangestellte“ sowie „Unternehmensberater und Consultants“. Also insgesamt eine sehr besondere Klientel, da wir hierbei über einen sehr hohen Bedarf an Absicherung und auch an Beratung sprechen.

Diverse Ratings bescheinigen den BU-Produkten auf dem Markt inzwischen ein relativ hohes Niveau. Gibt es zwischen den (guten) Produkten überhaupt noch so viele Unterschiede? Und macht dies die Auswahl für Vermittler eher schwieriger als einfacher?

Es gibt bei den BU-Tarifen auf dem Markt tatsächlich eine große Menge an Unterschieden. Hauptsächlich bei den Annahmerichtlinien, der Versicherbarkeit – wie Vorerkrankungen, Hobbys und so weiter – sowie bei den Möglichkeiten der technischen Ausgestaltung wie beispielsweise Nachver­sicherungsgarantie oder Dynamiken, um nur einige zu nennen. Um diese wichtigen Unterschiede zu finden, helfen leider die Ratings nicht, sondern nur der sorgfältige Blick in die Bedingungen und Annahmerichtlinien sowie eine Strategie für die Risikovoranfragen.

Sehen Sie in Sachen Transparenz die Anbieter mehr in der Pflicht?

Da sehe ich tatsächlich aktuell am wenigsten Handlungsbedarf.

Wie beurteilen Sie denn die Zusammenarbeit zwischen Vermittlern und Versicherern?

Das kommt auf den Versicherer an. Es gibt Versicherer, bei denen die Zusammenarbeit Hand in Hand und auf Augenhöhe läuft, und Versicherer, denen der Vermittler egal zu sein scheint. Auf der anderen Seite erlebe ich aber auch viele Ver­sicherer, die sich beklagen, dass die Vermittler unsauber arbeiten. Meine Erfahrung ist dabei: Wenn ich kompetent, verbindlich und höflich auf den Versicherer zugehe, bekomme ich meistens ebenfalls Kompetenz, Verbindlichkeit und Höflichkeit zurück.

Zunehmend rückt neben der klassischen BU die Grundfähigkeitsversicherung in den Vordergrund. Der Markt scheint hier recht dynamisch. Wie nehmen Sie die Entwicklung wahr?

Die Ansicht teile ich und freue mich über den Trend.

Welche Rolle spielt die Grundfähigkeitsver­sicherung in Ihrem Beratungsalltag?

Eine große Rolle. Die Grundfähigkeitsver­sicherung war im Jahr 2022 für etwa 15 bis 20% des Biometrieumsatzes bei uns verantwortlich. Das klingt auf den ersten Blick nicht nach viel, ist aber im Vergleich zum Vorjahr – da waren es rund 5% des Gesamtumsatzes – ein deutliches Wachstum. Für mich gehört das Thema in jedes Beratungsgespräch analog zur BU.

Gerade wird viel über die Definition der Leistungsauslöser in der Grundfähigkeitsversicherung gesprochen. Welche Bedeutung hat dies für die Auswahl des passenden Produkts?

Die Bedeutung der Definition der Leistungsauslöser in der Grundfähigkeitsversicherung ist elementar. Je konkreter sie ist, desto leichter ist es für den Kunden, den Verlust nachzuweisen. Daher liegt mein größtes Augenmerk darauf, wie schwer es ist, eine Fähigkeit in gesunden Tagen auszuüben. Denn je eher ich diese Fähigkeit nicht mehr ausführen kann, desto eher gibt es die Leistung.

Um noch einmal auf die aktuellen Entwicklungen einzugehen: Sehen Sie derzeit besondere Trends im Bereich der Arbeitskraftabsicherung?

Ein Trend geht aktuell dahin – endlich, muss man sagen –, höhere Renten möglich zu machen. Viele Versicherer erhöhen dazu die Grenze, ab der ein medizinisches Zeugnis bei Abschluss gebraucht wird. Und auch die Höhe der maximal möglichen Rente durch die Nachversicherung wird deutlich erhöht. Weitere Trends, die ich wahrnehme, sind das Thema Nachhaltigkeit sowie Ideen für Hilfen, bevor der Kunde berufsunfähig wird. In diesen Bereichen stecken die meisten Versicherer aber noch in der Entwicklungsphase und suchen noch nach passenden Konzepten.

Dieses Interview lesen Sie auch in der AssCompact Sonderedition Arbeitskraftabsicherung in AssCompact 05/2023 und in unserem ePaper.

Bild oben: © Andrii Yalanskyi – stock.adobe.com: Porträtfoto: © Sebastian Berger

 
Interview mit
Guido Lehberg

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Erwin Daffner … am 31. Mai 2023 - 08:18

Dann ist das Haftungsrisiko für die Vermittler enorm.

Gespeichert von Wilfried Stras… am 31. Mai 2023 - 10:35

Wer fair beraten will-muss als Makler mit voller unbegrenzter Haftung, ist beim Verkauf aller BAV-Produkte immer in höchster Gefahr. Natürlich wird so eine Meinung in der Branche nicht geschätzt. Sicheres Geschäft über Gruppenverträge boomt. 

Wenn man die Bürger, diese schließen in der Hoffnung ab, damit bestens für den Ruhestand vorzusorgen, korrekt über alle Kosten, Garantie- Verwaltung-Produktkosten der Fonds- Gewinn Fees, auch über TER hinaus + Inflation-selbst bei 3% bis 4% aufklären würde, wäre ein seriöser Verkauf undenkbar. Ausschließlich Verluste trotz Förderung.

Gleichzeitig wird aber eine Jahrhundertinnovation für 9% Rendite, die bei guter Marktbeteiligung auch dafür sorgen wird, dämliche Garantie Bestimmungen der EU und staatliche Lösungen in den Orbit zu entsorgen, geblockt. Nur für Vorstände

Gespeichert von Ulrich Welzel … am 31. Mai 2023 - 11:24

Die Aussage von Guido Lehberg "In 99% der Fälle wird am Kunden vorbei beraten“ kann ich zu 100% bestätigen. So ist auch meine Erfahrung in den Trainings zur Absicherung biometrischen Risiken. 

Wer laufend vorbei berät wird laufend enttäuscht und das hat Auswirkungen auf den gesamten Beratungsprozess.