Mit 56,3% hat sich die Mehrheit der Berliner Bürger beim Volksentscheid dafür ausgesprochen, private Wohnungskonzerne zu vergesellschaften. Ziel der dahinter stehenden Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ ist es, die Bestände von Immobilienkonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin nach Art. 15 GG in Gemeineigentum zu überführen, um Mietpreissteigerungen zu stoppen.
Zum Kreis der betroffenen Unternehmen gehört vor allem der zweitgrößte deutsche Immobilienkonzern Deutsche Wohnen, der aber aktuell vor einer Fusion mit der Nummer 1, Vonovia, steht. Medienberichten zufolge hat sich Vonovia bereits die Mehrheit an Deutsche Wohnen gesichert (AssCompact berichtete). Aber auch Immobilienunternehmen wie Akelius oder Covivio würde es betreffen. Laut Tagesschau, die sich auf Experten beruft, geht es um ein Dutzend Unternehmen mit über 240.000 Wohnungen.
Votum nicht rechtlich bindend
Rechtlich bindend ist das Votum für den kommenden Berliner Senat nicht. Doch ist das Ergebnis des Volksentscheids als deutliches Zeichen zu betrachten, mit dem sich das am Sonntag neu gewählte Abgeordnetenhaus auseinandersetzen muss. Die Berliner SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey, voraussichtlich die nächste Regierende Bürgermeisterin von Berlin, hatte Medienberichten zufolge bereits verlauten lassen, den Volksentscheid zu respektieren. Man müsse aber erst prüfen, ob ein entsprechender Gesetzentwurf rechtlich überhaupt umgesetzt werden könne.
Kritik von Branchenverbänden
Anlässlich der Bundestagswahl hat sich auch der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen zum Ergebnis des Volksentscheids geäußert und scharfe Kritik geübt. „Das klare Votum der Berliner für die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne ist das Ergebnis einer verfehlten Politik des rot-rot-grünen Senats. SPD, Linke und Grüne haben den Menschen in der Hauptstadt falsche Versprechungen gemacht. Denn die Ziele des Volksentscheids kosten viel Geld, bringen keine neue Wohnung und können verfassungskonform gar nicht umgesetzt werden“, betonte der BFW-Präsident Andreas Ibel.
Neubau statt Enteignung
Vielmehr müsse sich die neue Berliner Landesregierung darum bemühen, den Wohnungsbau in der Hauptstadt anzukurbeln. „Mehr Neubautätigkeit ist wirksamer als jede weitere Regulierung“, so Ibel weiter.
Auch der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA appelliert an die Politik. Die geforderte Enteignung von mehr als 240.000 Wohnungen müsste laut Senat mit bis zu 36 Mrd. Euro entschädigt werden. „Für dieses Geld ließen sich alternativ 137.000 neue Wohnungen bauen – das war der Bedarf an Wohnungen in Berlin im Jahr 2019“, unterstreicht ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner. „Daher kann die Antwort auf den angespannten Markt in der Hauptstadt nur sein: Neubau und die Ausweisung von mehr passenden Flächen für bezahlbaren Wohnraum. So bekommen wir die Lage in den Griff“, so Mattner weiter.
Ähnlich kommentiert Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbandes Deutschland IVD, das Ergebnis des Volksentscheids: „Die Ziele des Volksentscheids können nicht verfassungskonform in ein Gesetz überführt werden. Die Initiative verstößt aus Sicht des IVD gleich in mehrfacher Hinsicht gegen die Verfassung. Schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitsgrundsatzes lässt sich ein Enteignungsgesetz nicht verfassungsfest aufstellen. Zudem hat das Land Berlin aus Sicht des IVD dazu keine Gesetzgebungskompetenz. Vielmehr sollte sich eine neue Berliner Landesregierung um die tatsächliche Lösung der Probleme kümmern und den Wohnungsbau ankurbeln. Die Enteignungspläne würden bis zu 40 Mrd. Euro an Entschädigungszahlungen verschlingen, die den ohnehin schon hohen Schuldenberg weiter anwachsen lassen. Dieses Geld sollte lieber in den Neubau bezahlbarer Wohnungen investiert werden.“
Immobilienkonzern kauft 14.000 Wohnungen in Berlin
Am Rande von Wahl und Volksentscheid in Berlin ließ diese Meldung Anfang der Woche aufhorchen: Der schwedischer Immobilienkonzern Heimstaden hat an die 14.000 Wohnungen in Berlin erworben. Verkäufer des Portfolios, das insgesamt 17.600 Wohnungen umfasst – rund 3.600 davon in Hamburg –, ist das Immobilienunternehmen Akelius. Wie Heimstaden mitteilt, ist der rechtliche Abschluss der Akquisition vorbehaltlich kartellrechtlicher Zustimmung für Ende 2021 geplant. (tk)
Bild: © Brad Pict – stock.adobe.com
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