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3. Oktober 2024
bAV-Kapitalzahlungen: Was im Versorgungsfall zu beachten ist
bAV-Kapitalzahlungen: Was im Versorgungsfall zu beachten ist

bAV-Kapitalzahlungen: Was im Versorgungsfall zu beachten ist

Während bAV-Leistungen überwiegend als lebenslange Leibrente erfolgen, ist auch eine einmalige Kapitalzahlung möglich. Dies kann Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bieten, doch sind auch arbeits- und steuerrechtliche Aspekte zu beachten. Eine Übersicht bietet Aktuar Michael Gerhard von Longial.

Ein Beitrag von Michael Gerhard, Aktuar bei der Longial GmbH

Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) werden überwiegend in Form einer lebenslangen Leibrente erbracht. Doch zwingend ist das nicht. Versorgungswerke können auch vorsehen, dass im Versorgungsfall die Auszahlung in Form eines einmaligen Kapitals erfolgt (vgl. u. a. das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20.09.2016 – 3 AZR 411/15). Dies gilt in allen fünf Durchführungswegen, also in der unmittelbaren Versorgungszusage (Direkt­zusage), der Direktversicherung, der Unterstützungskasse, der Pensionskasse und dem Pensionsfonds.

Der Vorteil von Kapitalzahlungen im Versorgungsfall

Aus Sicht des Arbeitgebers kann die Leistungserbringung in Kapitalform Vorteile bieten. Denn bei der Leistung eines Einmalkapitals stellen sich keine Fragen nach einer etwaigen Anpassungspflicht laufender Leistungen gemäß § 16 BetrAVG (Betriebsrentengesetz). Auch sind nach dem Wegfall der Verpflichtung durch Zahlung eines Einmalkapitals keine Beiträge für die gesetzliche Insolvenzsicherung mehr zu entrichten. Darüber hinaus wird die Verwaltung der bAV ent­lastet. Diese Effekte sind bei einer Direktzusage naturgemäß besonders hoch. Aber auch aus Sicht der Arbeitnehmer kann die Gewährung einer Leistung in Kapitalform gewünscht sein. Womöglich ist bei Eintritt in den Ruhestand noch eine Immobilie abzubezahlen oder eine wichtige Anschaffung zu tätigen. Nicht selten findet man daher seit geraumer Zeit auch Versorgungswerke vor, bei denen Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer zwischen verschiedenen Auszahlungsformen optional wählen können.

Arbeitsrechtliche Aspekte bei der Gestaltung von Versorgungswerken

Die folgenden arbeitsrechtlichen Ausführungen betreffen solche Formen der betrieblichen Altersversorgung, welche auch unter den Geltungsbereich des BetrAVG fallen.

Bei der Gestaltung entsprechender Versorgungswerke sollte man sorgfältig vorgehen. Nicht jede Regelung zur Umrechnung einer vorrangig zugesagten Rente in eine optional wählbare Kapitalleistung hält einer arbeitsrechtlichen Überprüfung stand. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber im Versorgungsfall die Auszahlungsform allein festlegen kann. So hat das BAG z. B. entschieden, dass eine Klausel unwirksam ist, wonach anstelle einer Rente eine einmalige Kapitalleistung in Höhe von zehn Jahresrenten erbracht wird (Urteil vom 17.01.2023 – 3 AZR 220/22). Hier bestand aus Sicht des Gerichts keine Wertgleichheit. Hingegen kann eine Klausel, mit der sich ein Arbeitgeber vorbehält, eine vorrangig zugesagte lebenslange Rente durch eine einmalige barwert­gleiche Kapitalleistung zu ersetzen, zulässig sein (BAG-Urteil vom 17.01.2023 – 3 AZR 501/21).

Allerdings hängt die Höhe eines Barwerts naturgemäß von verschiedenen Faktoren – wie Zins, Biometrie und Rentendynamik – ab. In welcher Spanne die genannten Rechnungsgrundlagen zulässig sind, damit der gebildete Barwert arbeitsrechtlich nicht angreifbar ist, ist derzeit noch nicht höchstrichterlich geklärt. Dies gilt insbesondere für den Rechnungszins. Alte Versorgungs­ordnungen sehen oftmals noch eine Umrechnung mit dem nach § 6a EStG für die Bildung von Pensionsrückstellungen maßgeblichen Rechnungszins von 6% vor. Heute ver­treten viele Experten hingegen die Meinung, dass ein aktuell für Verpflichtungen marktüblicher Zins bzw. der für Pensionsverpflichtungen geltende handelsbilanzielle Zins nach § 253 Abs. 2 HGB eine geeig­nete(re) Rechnungsgrundlage darstellt.

Worauf gesondert zu achten ist

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn eine Kapitaloption erst nachträglich in ein Versorgungswerk aufgenommen oder sogar eine bisherige Rentenzusage in eine Kapitalzusage überführt werden soll. Bereits mit seinem Urteil vom 15.05.2012 (3 AZR 11/10) hatte das BAG hierfür Grenzen gesetzt. Laufende Rentenleistungen haben nach Ansicht des Gerichts für Arbeitnehmer eine besondere Wertigkeit. Die Umstellung auf eine Kapital­zusage bedürfe daher einer eigenständigen Rechtfertigung anhand der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. An dieser Auffassung hält das BAG in ständiger Rechtsprechung fest (vgl. u. a. das Urteil vom 20.06.2023 – 3 AZR 231/22). Das BAG betont dabei, dass Kapital­leistungen das Langlebigkeitsrisiko verlagern, die Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 BetrAVG entfallen lassen und ggf. zu einer höheren Steuerlast führen können. Sie können daher von Nachteil sein.

Auswirkungen auf die Rückstellungsbildung

Ob indes eine Rentenzusage nachträglich (optional) in eine Kapitalzusage umgewandelt werden soll, wäre nicht nur unter arbeitsrechtlichen, sondern auch unter steuerlichen Gesichtspunkten zu betrachten. Dies gilt zumindest dann, wenn die betriebliche Altersversorgung im Rahmen einer unmittelbaren Versorgungszusage durchgeführt wird. Denn für die betreffenden Verpflichtungen sind naturgemäß Pensionsrückstellungen in der Steuer- und Handelsbilanz zu bilden. Deren Höhe wird sich bei Renten- und Kapitalzusagen aber immer dann unterscheiden, wenn die für die Umrechnungsmethode gewählten Rechnungsgrundlagen nicht den steuerlichen bzw. handelsrechtlichen Rechnungsgrundlagen entsprechen. Insofern sollten die bilanziellen Auswirkungen einer solchen Umstellung stets vorab im Detail versicherungsmathematisch geprüft werden.

Die steuerliche Belastung bei Einmalzahlung

Leistungsempfänger interessieren sich naturgemäß für die Höhe der auf die entsprechende Leistung entfallenden Abgaben. Dies gilt zumindest dann, wenn – was inzwischen der Regelfall sein dürfte – die Leistungen nachgelagert besteuert werden. Denn gerade in steuerlicher Hinsicht kann die Belastung bei einer – entsprechend hohen – Kapital­zahlung aufgrund der Steuerprogression nicht unerheblich sein. Erleichterung schafft hier derzeit in bestimmten Fällen der § 34 EStG (sogenannte Fünftelungsregelung). Für die Durchführungswege der Direktzusage und Unterstützungskasse vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass diese progressionsmindernde Regelung zur Anwendung kommen kann, wenn allein eine Einmalzahlung – also keine Verteilung der Leistung auf mehrere Veranlagungszeiträume – erfolgt (siehe BMF-Schreiben vom 18.03.2022 und 12.08.2021 – IV C 5 – S 2333/19/10008 :017 bzw. :26). Die anderen Durchführungswege sollen vom Anwendungsbereich des § 34 EStG hin­gegen ausgenommen sein.

Diverse Urteile der Finanzgerichte

Ob die Einschätzung der Finanzverwaltung auch künftig von Bestand sein wird, bleibt allerdings abzuwarten. Zweifel hieran nähren in letzter Zeit diverse Urteile der Finanzgerichte. Diese wollen die Anwendbarkeit des § 34 EStG weniger am gewählten Durch­führungsweg, sondern eher an der Frage festmachen, ob die betreffende Einmalzahlung „typisch“ ist. Allerdings ließe sich die Frage, ob eine Zahlung nun typisch ist oder nicht, wohl nur anhand statistischer Daten untersuchen, die es derzeit gar nicht gibt (vgl. u. a. das Urteil des FG Münster vom 24.10.2023 – 1 K 1990/22 E). Insgesamt ist daher derzeit offen, in welchen Fällen künftig die Anwendung von § 34 EStG tatsächlich zugelassen wird. Insofern sollte die betreffende Regel besser derzeit nicht den Ausschlag geben, wenn man sich frühzeitig für eine Auszahlungsform festlegen möchte oder soll.

Fazit

In der bAV sind Einmalzahlungen als Versorgungsleistung grundsätzlich möglich. Bei der Formulierung von entsprechenden Versorgungswerken ist aber Sorgfalt gefragt. Dies gilt ins­besondere dann, wenn die Kapitalleistung gleichwertig zu einer in Aussicht gestellten Rente sein soll. Ebenso gilt es, arbeitsrechtliche Probleme zu umschiffen, wenn Versorgungswerke geändert und solche Zahlungen erst später zugelassen werden sollen. Grundsätzlich dürfte es sinnvoll sein, versicherungsmathematische Exper­tise bei der Einrichtung, Änderung oder Durchführung von Regelungen zur Kapitalisierung in Anspruch zu nehmen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 09/2024 und in unserem ePaper.

Bild oben: © Andrii Yalanskyi – stock.adobe,com; Porträtfoto: © Longial

 
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