Ein Beitrag von Adalbert Pokorski, Gründer und Geschäftsführer der Greenwater Capital GmbH.
Nachdem die Europäische Zentralbank im Juni 2024 erstmals nach einer Serie von zehn Anhebungen die Zinsen wieder gesenkt hat, hat sich die Lage bei Wohnimmobilien entspannt. Die rund zweijährige Korrektur bei Preisen und besonders bei den Transaktionsvolumina ist zu Ende gegangen. War der Jahresauftakt 2024 bei den Volumina noch krisenhaft schwach, so zogen diese anschließend schrittweise an. Cushman & Wakefield haben allein für das dritte Quartal 2024 Transaktionen von rund 2,7 Mrd. Euro ermittelt. Dies bedeutet eine Steigerung um 90% gegenüber dem Vorjahresquartal. In den ersten neun Monaten 2024 wechselten nach Angaben von BNP Paribas Real Estate Wohnimmobilienbestände im Wert von rund 5,9 Mrd. Euro den Besitzer. Damit liegt der Markt zwar noch signifikant unter dem langjährigen Durchschnitt, aber auf Sicht von drei Quartalen merklich über dem Vorjahr, nämlich rund 50%. Auch für das vierte Quartal 2024 sollten die Transaktionszahlen eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr aufweisen. Die Preiskorrektur bei Wohnimmobilien war gegenüber den Höchstständen 2022 deutlich zu merken, fiel im Vergleich mit anderen Immobilienklassen jedoch teilweise relativ moderat aus, so dass die Mietrenditen laut einer Analyse der DZ Hyp nur um rund ein Fünftel (Oberzentren) bzw. ein Viertel (Top-Standorte) zurückkamen.
Nachfrage nach Wohnraum bleibt hoch
Es spricht viel dafür, dass sich der positive Trend der zweiten Jahreshälfte 2024 im neuen laufenden Jahr fortsetzt. Bereits in den vergangenen Monaten haben wir eine verstärkte Nachfrage nach Mehrfamilienhäusern wahrgenommen, wobei sowohl private als auch institutionelle Investoren hier aktiv sind. Zwar ist das Zinsniveau im langjährigen Vergleich immer noch hoch, doch die EZB dürfte die Abwärtsspirale bei den Zinsen im Jahr 2025 beibehalten und damit für weitere Entspannung am Immobilienmarkt insgesamt sorgen. Durch die Zinssenkungen sinkt die Attraktivität festverzinslicher Wertpapiere und Immobilien gewinnen wieder an Attraktivität. Auch der starke Anstieg der Preise beim Neubau dürfte sich abschwächen. Bestandshalter waren davon ja ohnehin weniger betroffen, dort machte die Kostenexplosion sich vor allem bei (energetischen) Sanierungen bemerkbar. Im Vergleich mit anderen Immobiliensegmenten profitiert der Wohnungssektor aber vor allem davon, dass die Nachfrage nach dem Produkt „Wohnung“ auf Mieterseite ungebrochen hoch ist. Hierdurch werden die Bestandsimmobilien aufgrund des schwachen Neubaugeschäfts immer attraktiver. Für Bestandshalter könnte sich die Lage auch durch den möglichen anstehenden Machtwechsel in der deutschen Bundesregierung auflockern: So hat zum Beispiel die Union angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs das umstrittene Gebäudeenergiegesetz (Heizungsgesetz) abzuändern. Bestandshalter wären somit weniger Druck in puncto ESG-Sanierungen ausgesetzt.
Mieten dürften weiter zulegen
Auch mit weiter steigenden Wohnungsmieten ist 2025 und darüber hinaus zu rechnen. Denn die hohe, durch Zuwanderung und eine steigende Zahl von Single-Haushalten getriebene Nachfrage, trifft auf ein immer knapper werdendes Angebot. Das Ziel der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr wird Jahr für Jahr drastisch verfehlt, 2024 wahrscheinlich um rund 150.000 Einheiten. Nach Prognose von bulwiengesa fehlen in den kommenden Jahren sogar durchschnittlich mehr als 200.000 Einheiten. Impulse könnte möglicherweise das KfW-Förderprogramm „Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment“ (KNN) liefern. Seit Anfang Oktober und noch bis Ende 2025 werden damit Neubauten mittels vergünstigter Zinskonditionen gefördert, wenn die Gebäude mindestens dem Effizienzhausstandard 55 entsprechen. Doch die grundsätzliche Problematik, dass Projektierer von größeren Wohneinheiten derzeit meist nur dann Bankfinanzierungen finden, wenn bereits 50 bis 60% der Wohneinheiten veräußert sind, bleibt weiter bestehen.
Energetische Qualität mit entscheidend und einfacher als gedacht zu erreichen
Die Marktbelebung bei Wohnimmobilien geht einher mit einem weiter starken Fokus der Investoren auf ESG-Kriterien, wobei das dominierende Thema hierbei Energieeffizienz ist. Sowohl Objektlage also auch Objektqualität müssen stimmen, damit für Wohnimmobilien attraktive Preise erzielt werden können und entsprechendes Wertsteigerungspotenzial in der Zukunft besteht. Und die Objektqualität wird zunehmend auch durch energetische Parameter bestimmt. Die gute Nachricht für Investoren: Während die Lage eines Objekts bekanntermaßen nicht veränderbar ist, ist die energetische Optimierung und damit die Heranführung an zeitgemäße ESG-Kriterien mit weniger Aufwand zu stemmen als vielfach vermutet.
Die schwache Konjunktur am Bau macht es einfacher als noch vor wenigen Jahren, entsprechende Betriebe für die zügige Umsetzung energetischer Maßnahmen zu finden. Wer als Investor und Asset-Manager über ein Netzwerk an regionalen Handwerksbetrieben verfügt, ist bezüglich Preisgestaltung und Verfügbarkeit zusätzlich im Vorteil. Die Kosten für entsprechende Sanierungen sind in erheblichem Umfang auf die Mieter umlegbar. Bis zu 8% der Kosten können auf die Kaltmiete aufgeschlagen werden und gemäß GEG sind für klimafreundliche Heizungen weitere Sonderumlagen von bis zu 10% möglich. Die Warmmiete wird aus Sicht der Mieter in wesentlich geringerem Maße – oder gar nicht – tangiert, da die Ersparnisse bei den Heizkosten die Anhebung der Kaltmiete kompensieren.
Gute Perspektiven 2025 und darüber hinaus
Die Marktbelebung bei Wohnimmobilien ist da – unbestreitbar. Um vollumfänglich davon zu profitieren, führt kein Weg an der Beachtung von ESG-Kriterien vorbei. Die regulatorischen Vorgaben auf nationaler und EU-Ebene tun ein Übriges, um diesen Trend zu forcieren. Doch Investoren sind gut beraten, neben den ESG-Kriterien weiter auch die Lage und die wirtschaftlichen Standortfaktoren im Blick zu haben.
Die energetische Qualität von Gebäuden bleibt als ein Kriterium wichtig und die Wertvorteile solcher Objekte sind offensichtlich. Die ESG-Kriterien sollten dabei bereits beim Ankauf berücksichtigt werden oder entsprechende Maßnahmen kurzfristig im Anschluss umgesetzt werden, nachdem die Kosten schon beim Erwerb professionell abgeschätzt wurden. Wenn dann noch die Mikrolage, die Ausstattung und der Standort stimmen, bieten sich jetzt attraktive Einstiegschancen. Mit weiter nachgebenden Zinsen dürften Wohnimmobilien 2025 einen deutlichen Rückenwind bekommen.
Porträtfoto: © Greenwater Capital
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