Ein Artikel von Prof. Dr. rer. pol. Matthias Müller-Reichart Studiengangleitung Insurance and Banking, Lehrstuhl für Risikomanagement der Wiesbaden Business School, Kim Vanessa Graumann Senior Managerin Controlling & Reporting nexible/ERGO, Assistentin des Lehrstuhls für Risikomanagement der Wiesbaden Business School und Julia Ricks Country Manager Europ Assistance Germany
Grafik: Nachhaltige Serviceerwartung der Bank- und Versicherungskunden
Eine „Value-driven Strategy“ im Versicherungswesen basiert auf dem Prinzip, dass der langfristige Erfolg eines Unternehmens nicht durch kurzfristige Gewinne, sondern durch ein nachhaltiges, ökologisches, sozial korrektes und unternehmensethisches Geschäftsmodell (ESG-Kriterien der EU-Nachhaltigkeitstaxonomie) erreicht werden kann. Value for Money im Sinne der Nachhaltigkeit schafft ein Unternehmen, wenn es einen wahrnehmbaren, nachhaltigen Mehrwert für seine beitragspflichtigen Versicherungsnehmer generiert. Versicherer sollten daher nicht nur auf eine Optimierung ihrer Kennzahlen abzielen, sondern verstärkt die Bedürfnisse ihrer Versicherungsnehmer und weiterer Stakeholder fokussieren.
Ein zentraler Aspekt einer „Value-driven Strategy“ ist die Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse und -erwartungen sowie die Kreierung einer Unique Selling Proposition (USP) durch nachhaltige Leistungs-, Service- und Beratungsangebote. Daher ist es notwendig, dass Versicherer eine ethische und verantwortungsvolle Geschäftspraxis verfolgen, indem sie sich an höchsten Standards der Integrität, Fairness und Transparenz orientieren. Dadurch stärken Versicherer nicht nur ihre Glaubwürdigkeit, sondern minimieren auch das Risiko von Reputationsverlusten und rechtlichen Konsequenzen. Mittels einer Bereitstellung maßgeschneiderter Produkte und Dienst- sowie Serviceleistungen (im Versicherungskontext Assistance-Leistungen), einer transparenten Kommunikation und eines exzellenten Kundenservices gewinnen Versicherer das Vertrauen ihrer Kunden, bauen langfristige Beziehungen auf und stellen somit ihre nachhaltige Wirksamkeit unter Beweis. Assistance-Leistungen befähigen erst durch ökologische, soziale und ethische Beratungs-, Service- und Dienstleistungskomponenten ein rein auf den materiellen Ausgleich konzentriertes Versicherungsprodukt zur Nachhaltigkeit. Dergestalt werden Assistance-Leistungen zum Schlüssel einer Value-driven Strategy im Versicherungswesen.
Ein weiterer Schlüsselaspekt einer Value-driven Strategy ist die Berücksichtigung des sozialen und ökologischen Nutzens versicherungsbetrieblicher Geschäftsmodelle. Versicherer können eine nachhaltige Wirkung auf die Gesellschaft ausüben, indem sie beispielsweise Programme zur Prävention von Risiken unterstützen (Predictive Analytics), nachhaltige Investitionen tätigen und sich aktiv für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Assistance-Leistungen als Bestandteil eines problemlösenden Versicherungsmodells können durch ökologische, soziale und ethische Komponenten zum Ausdruck nachhaltigen Nutzens herangezogen werden und diesen verkörpern – denn nicht in der materiellen Entschädigungsleistung eines Schaden- oder Leistungsfalls, sondern in der nachhaltigen Behebung und Lösung des damit entstandenen Problems liegt der Hebel einer nachhaltigen und wertorientierten Strategie.
Erwartungshaltung an Versicherer unverändert hoch
Zur Ermittlung des tatsächlichen Kundenbedarfs einer durch Assistance- und Serviceangebote generierten „Value-driven Strategy“ im Versicherungskontext führt die Europ Assistance SA, Niederlassung für Deutschland seit mittlerweile 17 Jahren mit dem Assistance-Barometer eine repräsentative, bundesweite und vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. anerkannte Assistance-Studie durch. Assistance bietet die Möglichkeit eines nachhaltigen Kundenfokus und gibt der Versicherungswirtschaft somit eine USP an die Hand, die ausweislich des Assistance Barometers von der deutschen Bevölkerung eingefordert wird. Der Effekt einer durch Assistance ermöglichten nachhaltigen Problemlösung verkörpert dabei ein Kernelement einer „Value-driven Strategy“ der Versicherungswirtschaft.
Eine konstant hohe Serviceerwartung der deutschen Haushalte zeigte sich im aktuellen Assistance Barometer 2024. Während vor einigen Jahren noch 15% bis knapp 25% der Haushalte keine Serviceerwartungen äußerten, konnte sich dieser ablehnende Wert über die letzten Jahre deutlich verringern und nimmt im Jahre 2024 wieder ein Neun-Jahres-Minimum von 5% ein. Nur 5% der Haushalte sind Service- und Hilfsleistungen nicht wichtig – 95% der Haushalte bekunden dagegen eine Servicenachfrage. Die über 500 an der aktuellen Studie teilnehmenden Haushalte wurden zudem gebeten, ihre Serviceerwartungen gegenüber Anbietern von Dienstleistungen zu äußern (von welchen Dienstleistern/Institutionen erwarten die Bundesbürger Service- und Hilfsleistungen). Aktuell sind nur 7% der Haushalte mit dem bestehenden Serviceangebot von Dienstleistern rundum zufrieden und vermissen keinerlei Unterstützung. Bedenkt man, dass in den Jahren 2011 und 2012 diese Zufriedenheitsquote noch bei 35% lag, lässt sich eine deutliche, mittlerweile konstant hohe Serviceunzufriedenheit in den vergangenen Jahren ablesen. 93% der privaten Haushalte erwarten somit besondere Service-, Unterstützungs- und Hilfsleistungen von ihren Dienstleistern.
Von Versicherern und Banken erwarten seit einigen Jahren konstant knapp zwei Drittel der befragten Haushalte Service- und Hilfsleistungen. Die Mittelwerte der Serviceerwartung in den vergangenen 16 Jahren lagen bei Versicherern bei 50%, bei Banken bei 51% der privaten Haushalte. Innerhalb von 15 Jahren hat sich der Serviceerwartungswert der privaten Haushalte bei Versicherern und Banken von 11% im Jahr 2010 auf nun 60% bzw. 65% im Jahre 2024 erhöht.
Assistance als Schlüsselelement einer „Value-driven Strategy“
Grafik: Bedeutung der Assistance für das Geschäftsmodell der Versicherungswirtschaft (in %)
Im aktuellen Assistance Barometer 2024 wurde erneut eine repräsentative Anzahl deutscher Versicherungskonzerne und Einzelgesellschaften zur Einschätzung von Assistance-Leistungen befragt. Die Bedeutung der Assistance für das Geschäftsmodell der Versicherungswirtschaft wird in der siebzehnjährigen Befragungshistorie auf konstant hohem, gegenüber den letzten Jahren sogar konsequent ansteigendem Niveau bewertet. Im Jahre 2024 wird die Bedeutung dieser Serviceleistung seitens der Versicherungswirtschaft mit dem seit 2012 O höchsten Wert von 93% als sehr hoch oder hoch eingeschätzt. Über alle bisherigen Studienjahre lag der Mittelwert einer hohen Bedeutungseinschätzung der Assistance bei 88% – jedoch bewegte sich dieser Zustimmungswert seit dem Jahre 2016 auf einem konstanten Level von 80% und stieg erstmals 2021 wieder auf 83%, 2022 und 2023 auf 89%, um aktuell sogar eine Zustimmung von 93% zu erlangen. Diese breite Zustimmung wird auch in diesem Jahr dadurch bestätigt, dass kein Versicherer Assistance als bedeutungslos für das versicherungsbetriebliche Geschäftsmodell ansieht. Assistance dient somit der Schaffung einer USP, eines Wettbewerbsvorteils und somit der Umsetzung einer „Value-driven Strategy“. Obwohl sich Service und Assistance über die Jahre zu einem erwarteten Grundnutzen, zu einem eingeführten Instrument des Geschäftsmodells der Versicherungswirtschaft entwickelt haben, erfüllt die Assistance mit ihrem Mehrwertgedanken die Versinnbildlichung eines Value for Money.
Als Mehrwert ihres Produkt- und Serviceangebots versucht die Versicherungswirtschaft über Assistance-Leistungen eine „Value for Money“-Strategie umzusetzen. Zur Kreierung einer „Value-driven Strategy“ versucht Assistance darüber hinaus eine USP zu schaffen, die dem Versicherungsnehmer neben dem Grundnutzen der Schadenabsicherung Service- und Beratungsmehrwerte im Sinne eines Value of Advice bietet.
Assistance dient ...
... der Imageverbesserung eines Versicherers
Zu den Vorjahren nochmals reduzierte 70% der befragten Versicherer stimmen dieser Aussage zu, unterbieten damit den bisherigen Mittelwert aber um 13 Prozentpunkte.
... als Instrument zur Kundenbindung und Verringerung der Stornoquote
74% der Versicherer (analog Vorjahre) stimmen diesem Attribut zu.
... als Instrument der Produkt- und Sortimentserweiterung
70% der Versicherer stimmen Assistance als Element einer „Value-driven Strategy“ zu.
... als Werbeinstrument
Mit dem über den gesamten Studienzeitraum gemessenen Höchstwert sehen aktuell 85% der Versicherer in Assistance-Leistungen ein bedeutendes Werbe- und Marketinginstrument.
... als Instrument einer effizienten Schadenbearbeitung
Mit seit Jahren rückläufigen Zustimmungswerten qualifizieren aktuell nur noch 63% der Versicherer Assistance als Hebel zur Verbesserung der Schadenbearbeitung.
... als Instrument zur Steigerung der Kundenzufriedenheit
Auch 2024 sehen 85% der Versicherer in Assistance ein Element der Kundenzufriedenheit.
... im Geschäftsmodell der Versicherungswirtschaft der Neukundengewinnung
Knapp 60% der Versicherer sehen in Assistance einen Neukundengewinnungsfaktor.
... als Instrument zur Serviceoptimierung eines Versicherers
Im Betrachtungsjahr 2024 wird Assistance von 85% der Versicherer als Serviceelement eingestuft.
... als Instrument zur Profilbildung eines Versicherers
Nur eine leichte Mehrheit von 54% der Versicherer bewertet Assistance als Profilbildungselement.
... als Mittel zur Kosteneinsparung
Eine kostenreduzierende Funktion wird der Assistance nur von 39% der Versicherer zugestanden.
... als Veredelungsprodukt
Über den Betrachtungszeitraum wurde Assistance als Serviceelement zu einem wichtigen Bestandteil einer „Value-driven Strategy“ – aktuell stimmen 70% der Versicherer diesem Mehrwertgedanken zu.
... zur Erfüllung von Marktstandards
Aktuell sehen 82% aller Versicherer in Assistance-Leistungen einen Marktstandard zur Erfüllung eines „Value for Money“.
... als Instrument einer ökologischen oder sozial nachhaltigen Schadenbearbeitung
Erstmals sollten sich die Versicherer dazu äußern, ob Assistance eine ökologisch oder sozial nachhaltige Schadenbearbeitung unterstützen kann. Immerhin 48% der Versicherer bejahen dies.
Versicherer erwarten Bedeutungsgewinn
Doch wie bewerten die Versicherer Assistance für ihr zukünftiges Geschäftsmodell? Angesichts aktueller Transformationen (digitale, nachhaltige sowie regulatorische Transformation) könnte Assistance in der Zukunft veränderte Funktionen im versicherungsbetriebswirtschaftlichen Geschäftsmodell einnehmen und eine „Value-driven Strategy“ unterstützen.
Angesichts eines über die Jahre konstant hohen Stellenwerts der Assistance erscheint es wenig überraschend, dass mit 82% eine Mehrheit der Versicherer von einer zunehmenden Bedeutung der Assistance für ein nachhaltiges und digitales Geschäftsmodell der Versicherungswirtschaft ausgeht. Damit hat diese Zustimmungsquote um 11 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr und um 23 Prozentpunkte gegenüber dem Vorvorjahr zugenommen. Außerdem attestieren über 96% der Versicherer der Assistance weiterhin eine zunehmende oder zumindest gleichbleibend hohe Bedeutung für ihr zukünftiges Geschäftsmodell. Assistance ist damit als Versinnbildlichung einer „Value-driven Strategy“ der Versicherungswirtschaft zu verstehen.
Fazit
Als Kernbestandteil einer agilen Versicherungsproduktion und Voraussetzung für die erwünschte „Value-driven Strategy“ müsste die Bedeutung der Assistance sich auch in entsprechenden Produktivitätskennziffern bestätigen. Wirken sich also Assistance-Leistungen aus Sicht der Versicherer positiv auf die Versicherungsproduktion aus?
Mit der Bestätigung des Vorjahreswerts glauben auch 2024 weiterhin 46% der Versicherer, dass Assistance ihre Versicherungsproduktion gesteigert hat. Zugleich ist weiterhin knapp die Hälfte der Versicherer vom ökonomischen Effekt ihres Assistance-Angebots überzeugt und sieht in Assistance einen Hebel zur Produktionssteigerung. Auch die seit mittlerweile fünf Jahren gestellte Frage, ob Assistance-Leistungen aus Sicht der Versicherer zu einer erhöhten Kundenbindung führen, wird auf verhaltenem, zu den ersten Jahren aber ansteigendem Niveau bejaht. Immerhin 39% der Versicherer erkennen durch Assistance-Leistungen eine Erhöhung ihrer Kundenbindung. Weitere 50% der Versicherer sehen in Assistance-Leistungen eine zumindest geringfügige Kundenbindung, womit über die gesamte Erhebung betrachtet 89% der Versicherer in Assistance-Leistungen eine kundenbindende Wirkung wahrnehmen – ein deutliches Signal der Bedeutung von Assistance als Hebel für eine „Value-driven Strategy“.
Der nachhaltige Ansatz einer individualisierten, auf den Versicherungsnehmer zugeschnittenen Serviceleistung bietet als Element einer „Value-driven Strategy“ die Möglichkeit einer erfolgreichen und nachhaltigen Kundenbindung. Via Assistance können agile Versicherer ihren nach Service und Unterstützung suchenden Kunden die erwünschte individuelle Beratungs- und Serviceleistung ermöglichen und sie somit an die serviceorientierten Unternehmen binden. Assistance-Leistungen dienen dadurch als differenzierendes Geschäftsmodell im Reigen austauschbarer Versicherungsprodukte und werden somit zur kundenbindenden USP einer „Value-driven Strategy“ eines Versicherers.
Die Studie „Assistance Barometer“ ist bei der Europ Assistance Services GmbH bestellbar.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 09/2024 und in unserem ePaper.
Bild: © Andrey Popov – stock.adobe.com; Grafiken: © Assistance Barometer 2024
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