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30. Oktober 2023
Andreas Vollmer: „Weg vom ‚Papiermakler‘, hin zum ‚Digitalmakler‘“
Andreas Vollmer: „Weg vom ‚Papiermakler‘, hin zum ‚Digitalmakler‘“

Andreas Vollmer: „Weg vom ‚Papiermakler‘, hin zum ‚Digitalmakler‘“

AssCompact feiert die 25 und fragt anlässlich des Jubiläums bei Branchenvertretern nach, die AssCompact schon lange begleiten oder auch erst neu für sich entdecken. Diesmal ist das Andreas Vollmer, Geschäftsführer der Hasenclever + Partner GmbH + Co. KG sowie BVK-Vizepräsident.

Herr Vollmer, wenn wir über langjähriges Bestehen am Markt reden, da kann Hasenclever + Partner ein Wörtchen mitreden. Haben Sie denn schon die 100 im Blick?

Ja, da haben Sie recht. Wir sind jetzt 93 Jahre am Markt tätig, das Unternehmen besteht mit meiner Person in der vierten Inhaber-Generation. Wir gehören zu den klassischen familiengeführten Unternehmen, die eher in Generationen als in Quartalen denken, angelsächsisches Fremdkapital gehört ebenfalls nicht zu unserem Bilanzbild. Und mit 93 Jahren darf man als Unternehmen auch die 100 in den Blick nehmen, wenn man so gut aufgestellt ist wie wir und eine erfolgreiche, auf langjährige Zusammenarbeit mit Kunden ausgerichtete Marktbearbeitungsstrategie verfolgt.

Was sind denn so die Meilensteine des Unternehmens?

Grundlage des heutigen Erfolgs war eine vorbildlich von meinen Eltern organisierte Unternehmensübergabe auf meine Person in den Jahren 1996 bis 2001. Mir wurden alle benötigten Freiheiten gewährt, Änderungen wirkungsvoll angehen zu können. Weitere Erfolgsfaktoren waren bereits in den 1990er-Jahren die Gründung eines Maklernetzwerks in unserer Region. Wir arbeiten seit 1997 kooperativ mit Berufskollegen zusammen und haben frühzeitig erkannt, dass der Know-how-Austausch über Unternehmensgrenzen hinweg zu signifikanten Mehrwerten führt. Heute sind wir seit vier Jahren stolzer Partner der Guarantee Advisor Group e. V. und profitieren in der Gruppe von der freundschaftlichen Zusammenarbeit mit führenden Maklerhäusern. Als weiteren Meilenstein betrachten wir das im Jahr 2011 eingeführte Qualitätsmanagementsystem, das unsere Dienstleistungen stützt. Wir haben es von Beginn an als zertifiziertes QM-­System betrieben und sind stolz auf unsere diesjährige Rezertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2015 durch den TÜV Rheinland. Wir können professionell agierenden Maklern nur empfehlen, diesen Weg auch zu gehen. Damit schafft man Vertrauen beim Kunden und einen nicht unerheblichen Marktvorsprung. Wir verstehen nicht, warum nach wie vor nur weniger als 1% aller Versicherungsvermittler in Deutschland diesen Weg gegangen sind. Wir nutzen es ehrlicherweise für die innerbetriebliche Fortentwicklung noch stärker als in der Kundenkommunikation. Dort wäre noch Luft nach oben.

Wenn wir auf die 25 sehen, die AssCompact nun feiert: In dieser Zeit haben Sie als ungebundener Vermittler und Verbandsfunktionär einige gravierende Veränderungen erlebt und mitgestaltet. Könnten Sie auf Anhieb ein paar wenige Punkte nennen, die heute komplett anders sind als vor 25 Jahren?

Im Jahr 1998 befanden wir uns im Markt noch in den Anfängen der Produktvielfalt. Vier Jahre vorher waren infolge der europäischen Richtlinie zur Deregulierung die Rahmenbedingungen für die Entwicklung von neuen Produkten und Bedingungen geschaffen worden. Heute wird der Markt von einer Produktvielfalt geflutet, die man kaum noch überblickt. Aber der Markt hat sich über die reine Produktdifferenzierung bereits auf die nächste Stufe entwickelt: die Prozessorientierung, insbesondere im Maklermarkt. Daher gehörte ich zu den Ersten im Markt, der diese Entwicklung schon vor acht Jahren mit den Worten beschrieb: „Prozess schlägt Produkt“. Auch wenn Versicherer es nicht gerne hören wollen: Die Abwicklung im Neugeschäft, aber insbesondere im Bestandsgeschäft bildet ein wesentliches Auswahlkriterium beim Makler, mit welchen Versicherern er überhaupt noch zusammenarbeiten möchte. Das schönste Produkt nutzt niemandem etwas, wenn die Abwicklung des Geschäfts mit diesem Haus mehr als sperrig ist. Leider sind wir in der prozessualen Ausgestaltung der Geschäftsbeziehungen zwischen Maklern und Versicherern noch nicht dort, wo wir sein müssten, um uns gegen den von außen auf den Markt einwirkenden – möglichen – Wettbe­werber, der eines Tages sicherlich aus dem Silicon Valley kommend bei uns vor der Tür stehen wird, zu wappnen.

Ihr Unternehmen ist Mitglied in der Guarantee Advisor Group – wie erwähnt. Eine Garantie für die weitere Unabhängigkeit?

Das ist so eine Sache mit den Garantien. Eine Garantie hat man nirgendwo. Wie bereits erwähnt, hilft kollaborative Zusammenarbeit mit anderen Maklern auf Augen­höhe, um die eigenen Herausforderungen an den Alltag eines Maklerhauses zu meistern. Wir bringen uns bei der GA Group gerne ein, wir profitieren vom Austausch mit den Kollegen und freuen uns, wenn sich diesem wertvollen Kreis noch weitere inhabergeführte Maklerkollegen bundesweit anschließen, die einen ähnlichen Blick auf den Markt haben. Ja, am Ende des Tages ist auch eine Mitgliedschaft in der GA Group ein Meilenstein, der uns als Makler hilft, unabhängig von Interessen Dritter unsere Kunden betreuen zu können. Der mittelständische Unternehmerkunde, den wir ansprechen, möchte in der Regel von einem Versicherungsmakler beraten werden, der zumindest unabhängig von Vertriebsinteressen Dritter ist. Manche Entwicklungen des Maklermarktes gehen leider in eine andere Richtung, und das bereitet nicht nur mir im Markt gewisse Sorgen.

Werden Sie denn auch von Aufkäufern angesprochen?

Meinen Sie nicht, dass diese Frage zu indiskret ist, oder gehört es heutzutage schon zum guten Ton, von sich zu behaupten, man werde von Aufkäufern angesprochen? Ich weiß nur, dass diejenigen Makler, die dem Aufkäufer antworten, relativ zügig eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen müssen. Ich darf Ihnen verraten, dass ich bisher keine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet habe.

Wie beobachten Sie denn den aktuellen Maklermarkt? Und was sind neben der Konsolidierung weitere Challenges?

Die weiteren Herausforderungen im Maklermarkt sehe ich in der Fokussierung auf bestimmte Zielkunden und in der Digitalisierung der Betriebe, also weg vom „Papiermakler“, hin zum „Digitalmakler“. Damit erreicht man eine Steigerung der Effizienz seines Betriebes und sichert durch beide strategischen Stoßrichtungen die Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens. Leider ist die Branche im Bemühen um die Digitalisierung unseres Geschäftsmodells viel zu langsam. Ich bemühe mich auf verschiedenen Ebenen, den Maklermarkt an diesem Punkt weiterzuentwickeln. Nicht zuletzt aus Gründen des Fachkräftemangels werden wir in wenigen Jahren keine Mitarbeiter mehr damit beschäftigen können, digitale Akten händisch mit Daten zu bestücken. Das sollte heute schon vollautomatisch funktionieren.

Ein Datensatz, der – sei es beim Makler oder beim Versicherer – erfasst wird, muss vollautomatisch den am Geschäftsprozess beteiligten Stakeholdern via Schnittstelle übermittelt werden. Zwischen MVP-Herstellern und Vergleichern gelingt dieser Ansatz heute bereits. Warum Versicherer oftmals keine Nettodaten in den 430er-BiPRO-Normen mit übermitteln, bleibt für O mich ein ungelüftetes Geheimnis der deutschen Versicherungswirtschaft. Ob man dort glaubt, dass wir große Freude am Abschreiben von Policen und Nachträgen haben, kann nur gemutmaßt werden. Mit Datensatzpflege anstelle von Kundengesprächen den Berufsalltag im Maklerhaus zu verbringen, muss endlich der Vergangenheit angehören. Hier brauchen wir Tempo. Da sind wir uns im Markt weitestgehend einig, zum Beispiel im BiPRO-Beirat, den ich als stellvertretender Vorsitzender seit seiner Gründung im Jahr 2013 leiten darf. Die Verbände machen diesbezüglich zum Glück Druck auf Ebene von BiPRO und wo immer dieses Thema in der Branche von Maklern gestresst wird.

Die Provisionsvergütung bleibt ein großes Thema. Glauben Sie noch daran, dass die Courtage bzw. die Provision dauerhaft bestehen bleibt?

Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass die Courtage bzw. die Provision die Leitvergütungen im Vermittlermarkt bleiben werden. Wirtschaftlich betrachtet haben sich diese Vergütungsformen eindeutig durchgesetzt. Ansonsten gäbe es, insbesondere im Maklermarkt, in dem die rechtlichen Voraussetzungen für die Honorarbezahlung bereits vor vielen Jahren geschaffen worden sind, höhere Marktanteile des Geschäfts, in dem die Maklerdienstleistung über Honorar vergütet würde. Die Marktverhältnisse sprechen hier eine klare Sprache.

Die Gefahr lauert in dieser Frage auf der politischen Ebene. Dogmatiker, die man dem eher linken Spektrum zuordnen darf, bringen die Bezahlung über Honorar immer wieder ins Gespräch und vermitteln der Öffentlichkeit den Eindruck, dass Interessenkonflikte und Missbrauchssituationen von Courtage und Provision damit vermieden werden können. Gleichzeitig wird verschwiegen, dass auch bei einer Honorarbezahlung Interessenkonflikte bestehen können und missbräuchliche Abrechnungen möglich sind. Unlauteres Verhalten dem Kunden gegenüber führt immer zu Reputationsverlusten und hat nichts mit der Form der Vergütung zu tun.

Ich wünsche mir, dass es der Branche, allen voran den Verbänden, gelingt, die Politik davon zu überzeugen, dass wir einen gut funktionierenden Markt haben, in dem man auf den großen Eingriff in der Vergütungsfrage verzichten sollte. Machen wir uns ehrlich: Käme es sowohl in Leben wie auch in Kranken und vor allem in Komposit zu einem Courtageverbot für Makler, dann bliebe kein Stein mehr auf dem anderen stehen und wir würden disruptive Veränderungen im Markt sehen.

Aktuell ist es die EU-Kleinanlegerstrategie, die die Branche umtreibt und die Diskussion, ob nun ein Provisionsverbot für Versicherungsmakler bei der Vermittlung von Fondspolicen im Entwurf der Richtlinie enthalten ist oder nicht. Können die Verbände nicht einfach eine Klarstellung bei der EU-Kommission einholen? Oder ist das zu naiv gedacht?

Ja, das ist – mit Verlaub – etwas zu naiv gedacht. Aber nichtsdestotrotz existieren Auslegungshinweise zur EU-Kleinanlegerstrategie, die den Verbänden hier weiterhelfen können. Wie Sie wissen, verantworte ich als Präsidiumsmitglied beim BVK das Lobbying der Branche ein Stück weit mit, insbesondere auch auf europäischer Ebene. Der Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene ist zu komplex, als dass man kurzerhand eine Klärung einholen könnte. Außerdem ist die EU-Kleinanlegerstrategie derzeit sozusagen im Fluss, weil sie zwischen der EU-Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat noch in den sogenannten Trilog-­Gesprächen abgestimmt wird. Und das kann bis zu einem Jahr dauern. Da kann man nicht einfach fragen: Wie habt ihr das gemeint?

Sind Sie denn trotz aller Herausforderungen optimistisch für den Berufsstand Versicherungsmakler?

Beim Beruf des Versicherungsmaklers handelt es sich um den schönsten Beruf, den ich mir vorstellen kann. Man stellt sich jeden Tag neuen Herausforderungen, darf einer Tätigkeit nachgehen, in der man Kunden berät, Mehrwerte schafft und zum Beispiel im Fall eines Schadens sehr unmittelbare Dienstleistungen gegenüber dem Kunden erbringen kann, wenn man die (berechtigten) Ansprüche beim Versicherer erfolgreich durchsetzt. Die Vertretung von Kundeninteressen ist zwar manchmal anstrengend, erfüllt mich aber mit Stolz.

Dieser Beruf wird auch in Zukunft benötigt, da es sich um eine Dienstleistung handelt, die auf mich zeitlos wirkt. Risiken werden eher komplexer als trivialer, insofern benötigt der Markt den Versicherungsmakler in Zukunft eher in der Rolle des Risikomanagers, der den Kunden begleitet. Einfachster Produktverkauf gehört dabei der Vergangenheit an. Versicherungsmakler müssen sich weiterentwickeln. KI und andere Herausforderungen werden dabei eine zentrale Rolle spielen.

Und wenn wir Sie zum Abschluss noch zum 25-jährigen Bestehen von AssCompact befragen würden, was wäre Ihre Antwort?

Sie stellen doch die Frage, oder? Dann lautet meine Antwort: Guter Fachjournalismus wird auch in Zukunft gefragt. Aktuelle News sind in den schnelllebigen Zeiten, in denen wir jetzt leben, wichtiger denn je. Machen Sie bei AssCompact weiter so, bleiben Sie immer am Ball und informieren Sie die Branche auf einem hohen Niveau. Für mich sind Ihre Online- und Offline-­Publikationen unersetzbar, daher freue ich mich, dass es Ihnen im Laufe der Jahre gelungen ist, sich zum führenden Newsportal der Branche zu entwickeln. Mit meiner Unterstützung im AssCompact-Maklerbeirat versuche ich einen bescheidenen Beitrag für die Fortentwicklung der Marke AssCompact zu leisten.

Zur Person

Andreas Vollmer ist seit 2001 Gesellschafter-Geschäftsführer der Hasenclever + Partner GmbH + Co. KG, Bielefeld. Der gelernte Ver­sicherungskaufmann und studierte Betriebswirt war zuvor schon seit 1996 als Geschäftsführer des Unternehmens tätig. Seit 2012 ist er BVK-Vizepräsident. Zudem engagiert er sich in verschiedenen Branchengremien und -ausschüssen. Seit Gründung des AssCompact Maklerbeirats im Mai 2022 ist er dessen Mitglied. AssCompact­ begleitet Andreas Vollmer schon sehr lange – und umgekehrt.

Das vollständige Interview lesen Sie in AssCompact 10/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Andreas Vollmer, Hasenclever + Partner GmbH + Co. KG bzw. © ipopba – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Andreas Vollmer