Herr Hanselmann, alles redet von Prozessoptimierung und Digitalisierung. Für Maklerbüros soll nun alles leichter werden. Wie hoffnungsfroh sind Sie?
Das Thema hat zwar deutlich an Fahrt aufgenommen. Wir gehen aber davon aus, dass der Prozess der Digitalisierung noch lange Zeit in Anspruch nehmen wird und je nach Versicherer und Arbeitsprozess auch unterschiedlich schnell und in unterschiedlicher Tiefe umgesetzt wird. Zudem muss in unserer Branche ein teilweise über Jahrzehnte aufgebauter Investitions- und Umsetzungsstau abgebaut werden. Dies lässt sich nicht kurzfristig beheben.
Wir nehmen es so wahr, dass nicht die Maklerschaft die Diskussion vorantreibt, sondern der GDV, Softwareanbieter oder Brancheninitiativen, die häufig auch vonseiten der Versicherer getrieben werden. Was erwartet sich eigentlich ein Maklerunternehmer tatsächlich?
Natürlich begrüßen wir, dass der GDV bei der Digitalisierung Druck macht. Es gibt bei den Versicherern erhebliche Potenziale in der Optimierung von Arbeitsprozessen: Die Prozesse dauern für uns Makler in vielen Bereichen zu lange, die Qualität der Ergebnisse ist in vielen Fällen ausbaufähig, es passieren Doppeleingaben und Fehler, die zu Bearbeitungsschleifen bei den Versicherern, aber auch zwischen Versicherer und Makler führen. All dies verursacht Kosten – sowohl auf Makler- als auch auf Versichererseite. Und diese kann sich zukünftig keiner mehr leisten.
Durch das Vorantreiben der Digitalisierung aufseiten der Versicherer werden aber die Probleme der Makler nur teilweise gelöst. Ein wesentliches Problem der Maklerschaft ist, dass es häufig keinen zentral verwalteten Datenstock gibt bzw. die Daten nur einmal erfasst werden, um sie in allen Abteilungen und Sparten verwenden zu können. Daran scheitern meist alle noch so gut erdachten Arbeitsprozesse in der Folge. Wir Makler müssen daher weg von den Dateninseln und hin zu einem integrierten Programm mit Schnittstellen zu den Versicherern, anderen Marktteilnehmern und abschließend zum Kunden. Erst dann können ineinandergreifende und weitgehend automatisierte Prozesse ihre volle Wirksamkeit entfalten. Dies führt – in einer voll digitalen Welt, in der die Geschäftsvorfälle dunkel verarbeitet werden – zu weniger Fehlern und einer schnelleren Abwicklung.
Das Ergebnis wäre dann, dass immer weniger Zeit für nicht wertschöpfende Tätigkeiten wie beispielsweise Administration, Datensuche, Fehlerkorrekturen etc. aufgebracht werden muss, da vieles automatisiert verarbeitet wird. Die gewonnene Zeit kann für echte wertschöpfende Tätigkeiten – beispielsweise Risikoberatung und Entwicklung innovativer Lösungen – eingesetzt werden. Nur so können wir dauerhaft rentabel und auch für den Kunden wertschöpfend arbeiten. Es geht darum, Prozesse zu verbessern bzw. richtig zu gestalten, um den eigenen Mitarbeitern die notwendigen zeitlichen Freiheiten zu schaffen. In der Konsequenz könnte damit jeder Mitarbeiter größere Bestände betreuen. Denn in Anbetracht des Fachkräftemangels werden wir zukünftig gar nicht mehr in der Lage sein, die Stellen so zu besetzen, wie dies eigentlich auf Basis der alten Prozesse notwendig wäre. Dass dies möglich ist, haben uns ja andere Branchen bereits gezeigt.
Kann sich ein kleines bis mittelständisches Maklerbüro die Digitalisierung überhaupt leisten?
Wir gehen davon aus, dass zukünftig Makler mehr als bisher in IT investieren müssen, um den mittel- bis langfristigen Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Je kleiner das Maklerhaus ist, umso höher ist natürlich der Anteil der IT-Aufwendungen am Gesamtaufwand. Dies wird sicherlich auf Dauer eine Herausforderung sein, wobei sich natürlich auch Softwareanbieter auf dem Markt etablieren, die ihre Dienstleistungen Maklern zu erschwinglichen Preisen anbieten werden. Wir glauben nicht, dass sich IT-Ausgaben zukünftig als eine ausschließliche Markteintrittshürde erweisen werden, sondern vielmehr stellen IT-Ausgaben auch die Innovations- und damit Zukunftsfähigkeit eines Maklers sicher.
Bisher wird in der Regel nur von den Arbeitsprozessen zwischen Maklern und Versicherern gesprochen. Ihr Anliegen muss es ja aber sein, auch die Schritte hin zum Kunden zu verbessern. Wie können Makler – oder die Branche – die Kundenkommunikation verbessern?
Wir glauben, dass die Kundenkommunikation im Vertrieb, bei der Datenerfassung sowie bei der Abwicklung von Geschäftsvorfällen viel situativer und damit für den Kunden angenehmer erfolgen muss. Wir glauben auch, dass sich zukünftig eine Art Online-Versicherungsordner durchsetzen wird, nicht nur im Privatbereich, wie dies die FinTechs gerade vormachen, sondern auch im Firmenbereich. Es muss sicherlich genau überlegt werden, in welche Geschäftsvorfälle der Kunde zukünftig wie eingebunden wird. Wir sehen hier aber eine Möglichkeit, den Kunden stärker und mit Interesse in die Zusammenarbeit einzubinden.
Welche Rolle spielt die Zertifizierung eines Maklerbüros bei der Prozessoptimierung?
Die Frage ist, mit welcher Zielsetzung eine Zertifizierung verfolgt wird. Die Zertifizierung um der Zertifizierung willen bringt sicherlich keine Prozessverbesserung. Vielmehr kann dieses Thema nur etwas bringen, wenn im Rahmen der Zertifizierung die Arbeitsprozesse auch wirklich hinterfragt und optimiert werden. Zur Erreichung dieses Ziels hat sich für uns bisher noch keine am Markt gängige Zertifizierung wirklich hervorgetan. Wir haben dieses Thema auch im vorletzten Jahr im Rahmen einer Studienarbeit der Hochschule Karlsruhe für unser Haus untersuchen lassen. Hier kam heraus, dass die gängige ISO-9001-Zertifizierung deutlich weniger Prozessoptimierung bringt, als wir dies beispielsweise über die von unserem Hause eingesetzte Software erreichen. Die Zertifizierung greift also nicht dort ein, wo wirkliches Potenzial für Optimierung der Prozesse herrscht.
Wie sieht denn nun das optimale Qualitätsmanagement beim Maklerbüro aus?
Die Industrie hat bereits vor vielen Jahren erkannt und gezeigt, dass Qualitätsmanagement durch Regelung und Zuordnung der Verantwortlichkeiten in der jeweiligen Prozessstufe bzw. auch zwischen den einzelnen Betrieben erfolgt. Es ist damit fester Bestandteil der Arbeitsteilung bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualität und Reduktion der Kosten.
Maklerbetriebe sind in erster Linie Beratungsunternehmen, die Lösungen auf der privaten und betrieblichen Sphäre verkaufen. Man muss ein auf die Makler zugeschnittenes Qualitätsmanagementsystem, das eine entsprechende Zielsetzung auf Basis dieser Philosophie hat, formulieren und dann in allen Facetten erarbeiten. Wichtig in diesem Zusammenhang: Integrierte und in allen wesentlichen Bereichen des Unternehmens eingeführte Prozesse und Verantwortlichkeiten ermöglichen erst die Umsetzung eines Qualitätsmanagements.
Prozessoptimierung ist Chefsache, schließlich geht es um die Profitabilität des Maklerunternehmens. Wie schaffen Sie es, als Unternehmer Ihre Mitarbeiter einzubinden?
Es ist in hohem Maße wichtig und zwingend, die Mitarbeiter mitzunehmen. Sie sind es schließlich, die sich zukünftig in der neuen Welt zurechtfinden müssen und Verantwortung für die Funktionalität der Prozesse übernehmen. Wir haben hier vor einigen Jahren extra eine eigene IT-Firma, die zeitsprung GmbH & Co. KG, gegründet, die nichts anderes tut, als die Arbeitsprozesse und Software für uns zu entwickeln und zu optimieren. Diese Software vertreiben wir zwischenzeitlich auch an andere Makler. Die Lösungen von zeitsprung setzen immer dort an, wo die in unserem Hause vorhandenen Prozesse und Software nicht ausreichen. Damit haben wir bereits vor Jahren den Grundstein gelegt, damit das Thema Prozessentwicklung nicht nur Chefsache, sondern Aufgabe eines jeden einzelnen Mitarbeiters ist.
Hier gehen wir also in regelmäßigen Besprechungen auf Führungs- und Mitarbeiterebene die notwendigen Themen durch, immer unter starker Einbindung der IT. Wir definieren Anforderungen an die Lösung in Pflichten- und Lastenheften, welche von der IT umgesetzt und dann wiederum von den Fachabteilungen abgenommen werden. Somit haben wir einen runden Prozess, welcher das gesamte Unternehmen miteinbindet.
Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2016, Seite 100 f.
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