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1. August 2022
„Was die DWD-Wetterstation meldet, ist Gesetz“

„Was die DWD-Wetterstation meldet, ist Gesetz“

Mit fortschreitendem Klimawandel gewinnen witterungsbedingte Risiken für Landwirtschaftsbetriebe an Bedeutung. Warum parametrische Versicherungen für eine Optimierung des Versicherungsschutzes sorgen und welche Rolle dabei Makler spielen, hat AssCompact beim InsurTech WETTERHELD nachgefragt.

Interview mit Nikolaus Haufler, Co-Gründer und Geschäftsführer bei der WETTERHELD Beteiligungs GmbH
Herr Haufler, Ihr Unternehmen bietet eine Dürreversicherung für Landwirte an. Wie groß ist das Risiko, das landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland durch Dürren zu erwarten haben?

Wir hatten in den Jahren 2018 bis 2020 in Deutschland jeweils Dürren mit einem Gesamtschaden von rund 3 Mrd. Euro. Entsprechend einer Auswertung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist Dürre mit durchschnittlichen Schäden pro Jahr von über 500 Mio. Euro auch das größte Risiko für Landwirte. Die Schäden liegen damit ungefähr doppelt so hoch wie etwa bei Hagel.

Wie funktionieren parametrische Versicherungen und welche Vorteile bieten sie?

Der Hauptunterschied zu einer klassischen Schadenversicherung ist, dass der Schaden nicht mittels Begehung durch einen Gutachter festgestellt wird, sondern durch eine automatische Analyse von Niederschlagsmengen an der nächstgelegenen Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Das hat den Vorteil, dass es im Schadenfall weder zu einem Gegeneinander von Landwirt und Ver­sicherer noch zu einer Machtausübung durch den Gutachter auf dem Feld kommt, denn das Ereignis ist zu 100% für die beteiligten Parteien transparent. Im Dürrejahr 2020 zum Beispiel hatte WETTERHELD alle Auszahlungen an die Landwirte komplett konfliktfrei und innerhalb kürzester Zeit getätigt. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass ein, auf die Bedürfnisse des Landwirts angepasster Versicherungsschutz angeboten werden kann.

Die Versicherungsleistung wird bei Eintritt festgelegter Parameter ausgelöst. Wie darf man sich das vorstellen?

Zur Berechnung des Dürrerisikos nutzt WETTERHELD historische Ernteertragsdaten, die es für Deutschland auf Landkreisebene gibt, und kombiniert sie mit Wetterdaten. Der Rechner analysiert, wie hoch die Erträge im trockensten Jahr der letzten 20 Jahre gewesen sind, und vergleicht die Abweichung nach unten zum langjährigen Mittel. Daraus ergibt sich das Dürrerisiko in Dezitonnen pro Hektar. Dieses Risiko multipliziert WETTERHELD mit konstanten Preisen, sodass bei einem Landwirt, der zum Beispiel auf 100 Hektar Weizen anbaut, das Dürrerisiko 60.000 Euro beträgt. Genau dieses Risiko kann der Landwirt durch einen entsprechenden Versicherungsschutz bei WETTERHELD abdecken. Die Parameter, die die Leistung auslösen, können individuell festgelegt werden: Beginn und Ende der Versicherungsperiode taggenau, Niederschlagsmenge pro Tag, Mindestanzahl an Regentagen: Alles kann angepasst werden. Wird bei einer Dürre die Anzahl der gewünschten Regentage unterschritten, staffelt sich die Auszahlung nach Ausmaß der Unterschreitung, es gibt dabei also keine „Alles oder nichts“-Situation für den Landwirt.

Woher bezieht WETTERHELD all die Daten?

Die Niederschlagsdaten kommen vollständig vom DWD. Der DWD ist ein absolut zuverlässiger Datenlieferant. Was die DWD-Wetterstation meldet, ist Gesetz. Vorteile des DWD sind die kostenlose Bereitstellung der Daten – gerade für uns als Start-up wichtig – und die lange Historie der Daten, die die Ermittlung eines sehr belastbaren Dürrerisikos zulässt.

Wie verteilt sind denn die Niederschlagsstationen über Deutschland?

In Deutschland existieren rund 1.400 DWD-Niederschlagsstationen mit mindestens 30 Jahren Historie. Und meine Einschätzung ist, dass mindestens 50% bis 70% aller Landwirte eine vernünftige Entfernung zur nächstgelegenen Wetterstation haben. Aus Gesprächen mit Landwirten habe ich aber auch registriert, dass manchmal dieses „gute“ Gefühl hinsichtlich der nächstgelegenen Station nicht vorhanden ist, einfach weil die Abweichungen der Station mit denen am Standort des Landwirtschaftsbetriebs subjektiv zu hoch ausfallen. Um in solchen Fällen Konflikten zuvorzukommen, empfehle ich dann auch nicht den Abschluss einer parametrischen Dürreversicherung.

Und was passiert, wenn eine Messstation in unmittelbarer Umgebung eines Landwirts ausfallen würde?

Wetterstationen können immer Datenlücken aufweisen. Das ist auch bei unseren Kunden bereits vorgekommen. Die vertragliche Vereinbarung für diesen Fall sieht vor, dass WETTERHELD die einzelne Lücke mit Daten der wiederum nächstgelegenen Wetterstation füllt. Aber das passiert sehr selten. Die Wahrscheinlichkeit für einen Stationsausfall liegt bei etwa 1 zu 1.000.

Wissen Sie damit bereits vor dem versicherten Unternehmen von einem Schadenereignis?

WETTERHELD zeigt täglich die Wetterdaten am Standort des Landwirts im Kundenportal an. Damit leisten wir täglich einen Informationsstand darüber, ob es möglicherweise zu einer Auszahlung aufgrund von Dürre kommen wird. Für den einzelnen Landwirt ist somit bereits ein paar Tage vorher absehbar, dass es womöglich eine Auszahlung geben wird. Das ist für den Kunden eine einmalige Transparenz! WETTERHELD hat im Übrigen keinen Informationsvorsprung, denn der Landwirt kann ja jederzeit die vom DWD übermittelten Niederschlagsmengen selbst abrufen.

Wie läuft konkret im Ereignisfall „Dürre“ die Schadenregulierung ab?

WETTERHELD verschickt bei Feststellung eines Dürreereignisses automatisch eine E-Mail an den betroffenen Kunden, womit der Landwirt darüber in Kenntnis gesetzt wird, dass ihm eine Auszahlung wegen Dürre zustehen könnte. Wegen regulatorischer Bestimmungen darf WETTERHELD nicht automatisch die zustehende Auszahlung überweisen. Aber wir haben diesen Weg der Schadenmeldung für den Landwirt maximal vereinfacht. Der Landwirt braucht nur in der E-Mail einen Link zu betätigen, dann zu bestätigen, dass er einen Schaden hatte, und mit dieser Bestätigung wird die Zahlung ausgelöst. Wichtig für uns ist, den Landwirt aktiv auf eine mögliche Auszahlung hinzuweisen.

Mit welchen Produkten wollen Sie das Geschäftsmodell ausbauen?

Angesichts des zunehmenden Risikos für Spätfröste im Frühjahr entwickelt WETTERHELD gegenwärtig ein Versicherungsprodukt für Wein. Aber die Krönung – und auch der Beweis dafür, dass WETTERHELD es besser kann als etablierte Versicherer – wäre eine Hagelver­sicherung, die schlauer, schneller und günstiger als vorhandene Ver­sicherungslösungen ist. Denn die Hagelversicherung gilt als Geburtsstätte der Versicherung gegen Wetter. Das Produkt ist etwa 200 Jahre alt und in diesen 200 Jahren ist kaum etwas in der Produktentwicklung geschehen. Das ist etwas, was wir gerne angehen würden. Ein weiterer Bereich sind Energieanbieter. Hier könnte WETTERHELD das Mengenrisiko absichern, wenn zum Beispiel infolge eines kalten Winters auf dem Spotmarkt für viel Geld hohe Mengen Energie kurzfristig eingekauft werden müssten.

WETTERHELD war DKM-Aussteller 2021. Inwiefern suchen Sie den Kontakt zum Makler?

Makler sind wichtig. Fast jedes InsurTech, auch WETTERHELD, macht am Anfang den Fehler, zu glauben, dass der Direktvertrieb per se die Zukunft des Vermittlungsgeschäfts sei. Aber nicht alle Kunden haben Lust darauf! Aus meiner Sicht haben wir im Bereich der Landwirtschaft 25% Landwirte, die sagen: „Versicherungsthemen mache ich ausschließlich über meinen Makler.“ Über solche Aussagen sind wir auf Makler aufmerksam geworden. Und gerade die auf Agrarunternehmen spezialisierten Makler haben wir angesprochen und gesagt: „Ihr Versicherungskunde scheint so viel von Ihnen zu halten, dass er nur auf Sie hört. Deswegen erzählen wir Ihnen nun von unserer WETTERHELD Dürreversicherung“. Infolgedessen haben wir mehrere Maklerpartnerschaften abgeschlossen und wir sind damit sehr glücklich.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 07/2022, S. 54 f., und in unserem ePaper.

Bild: Nikolaus Haufler, WETTERHELD Beteiligungs GmbH

 
Ein Interview mit
Nikolaus Haufler