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14. August 2024
„Wünsche kleineren Maklern Mut, ihren eigenen Weg zu gehen“

„Wünsche kleineren Maklern Mut, ihren eigenen Weg zu gehen“

Der demografische Wandel macht sich auch bei Maklerhäusern an vielen Stellen bemerkbar. Wie blickt eine Unternehmerin, die selbst bereits die Nachfolge im Familienunternehmen angetreten hat, auf diese unterschiedlichen Herausforderungen?

Interview mit Stephanie Frey, geschäftsführende Inhaberin der Walter Frey Assekuranz-Makler GmbH
Frau Frey, der demografische Wandel hat viele Facetten. Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Alterung der Bevölkerung auf die Branche ein? Welche Maßnahmen würden Sie vorschlagen, um der Überalterung, v. a. innerhalb der Maklerschaft, entgegenzuwirken?

Der demografische Wandel betrifft zum einen die Mandantschaft und zum anderen die Mitarbeitenden in der Versicherungsbranche. In der Mandantschaft wird sich dieser verstärkt bei privaten Mandanten und weniger bei gewerblichen und industriellen Mandaten auswirken. Eigentum wird sich bei einer sinkenden Bevölkerungszahl auf weniger Menschen verteilen. Insofern dürften die größten Auswirkungen in den Vorsorgesparten zu verzeichnen sein. Die Branche wird jedoch durch Zuwanderung von sogenannten Expats und Migranten neue Zielgruppen gewinnen. Dieses Potenzial haben junge Online-Unternehmen wie „expatrio“ und „feather insurance“ erkannt.

Um der zunehmenden Alterung der Mitarbeitenden der Branche entgegenzuwirken, benötigen wir eine Fachkräftezuwanderungs- und Integrationspolitik, die hohe Anforderungen an Ausbildung, Berufserfahrung und Sprachqualifikation bei gleichzeitig geringem Verwaltungsaufwand und hohem Unterstützungsangebot bei der Integration stellt. Faktisch liegt es an uns, Zugewanderte in unsere Gemeinschaft und in unsere Unternehmen zu integrieren. Zur Förderung der Multikulturalität bedarf es Respekt gegenüber dem Anderssein, Hilfsbereitschaft und Herz. Gleichzeitig sollten Mitarbeitende motiviert werden, sich über die Rente hinaus beruflich zu engagieren.

Wie können denn junge Talente – besonders für die Nachfolge in Makler­häusern – gewonnen werden? Und welche Strategien sind aus Ihrer Erfahrung notwendig, um den Generationswechsel erfolgreich zu gestalten?

Wenn ich Ihnen diese Frage beantworten könnte, hätten wir keine unbesetzten Stellen in der Branche. Seit meinem Eintritt in unser Familienunternehmen nehmen wir mehrfach im Jahr an Karrieremessen teil, wenn auch bisher mit nur mäßigem Erfolg. Wir möchten junge Menschen auf unsere Branche aufmerksam machen. Das dürfte jahrzehntelang sowohl von Versicherern als auch von großen Maklerhäusern verschlafen worden sein. Die Versicherungsbranche, vor allem aber das Geschäftsfeld der Industrieversicherungen, ist jungen Menschen nicht präsent. Meines Erachtens bedarf es hier neben Einzelleistungen von Unternehmen auch Kampagnen von Verbänden, z. B. dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) oder dem Bundesverband der Versicherungsmakler e. V. (BDVM).

Zu einer erfolgreichen Gestaltung des Generationswechsels gehört für mich – neben der Gewinnung des menschlich geeigneten und fachlich qualifizierten Personals – vor allem auch eine gemeinsame Übergangszeit der Generationen. So kann historisches Wissen zum Mandat weitergegeben und Vertrauen aufgebaut werden.

Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zur Einführung einer Vier-Tage-Woche?

Trotz der multiplen Krisen, die wir seit der Corona-Pandemie erleben, geht es den meisten Menschen in Deutschland immer noch sehr gut. Unsere Gesellschaft profitiert vom von früheren Generationen geschaffenen Wohlstand. Es zeichnet sich ab, dass das nicht ewig so weitergehen wird. Vor diesem Hintergrund stimmen mich Diskussionen über eine Vier-Tage-Woche mit reduzierter Wochenarbeitszeit, am besten noch bei vollem Lohnausgleich, sehr bedenklich. Zum einen können Unternehmen die fehlenden Stunden nicht auf neue Fachkräfte verteilen und zum anderen wird es nur wenigen Branchen gelingen, fehlende Stundenzahlen durch Digitalisierung auszugleichen. Dies wird unweigerlich zu einer schlechteren Qualität, einer sinkenden Produktivität und damit zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung führen. Um unseren Wohlstand zu sichern, müssen wir dem Fachkräftemangel entgegentreten. Das Problem werden wir nicht lösen, indem wir uns unsere Mitarbeitenden mit Versprechungen wie einer Vier-Tage-Woche gegenseitig abwerben. Ein Instrument könnte vielmehr die Erhöhung der Wochenstundenzahl sein, und zwar unabhängig davon, ob diese an fünf oder an sechs Tagen geleistet werden. In unserem Familienunternehmen leben wir seit Jahrzehnten eine 4,5-Tage-Woche. Die Stunden können so verteilt werden, dass Freitagnachmittag nicht mehr gearbeitet werden muss. An den Wochentagen würde ich die Diskussion insofern nicht festmachen wollen. Im Übrigen war in Deutschland der Samstag nach dem Ersten Weltkrieg bis in die 1960er-Jahre ein Regelarbeitstag und Griechenland hat sich jetzt für den Sonderweg der Sechs-Tage-­Woche entschieden.

Welche Ansätze halten Sie für wirksam, um Mitarbeitende in der Versicherungsbranche zu motivieren und ihre Leistungs­bereitschaft zu steigern?

Mein Team und ich beobachten, dass viele Versicherer die Entscheidungsbefugnisse ihrer Mitarbeitenden beschränken. Das führt zu großer Unzufriedenheit. Dahinter mögen Gedanken der Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung stehen. Wir glauben, dass dieses Vorgehen die Qualität der Zusammenarbeit und auch die Ergebnisse für unsere gemeinsamen Mandanten verschlechtert.

Unserer Erfahrung nach möchten Menschen jedoch Verantwortung übernehmen, da dies neben der Gefahr zu scheitern vor allem mit positiven Emotionen assoziiert wird. Unser Team zieht seine Motivation aus den herausfordernden Mandaten und dem wertschätzenden Umgang mit den Persönlich­keiten, die hinter den Mandaten stehen. Sie übernehmen gerne die Verantwortung, da sie sich mit unseren Mandanten und unserem Unternehmen identifizieren und für die von ihnen erzielten Ergebnisse unmittelbar Anerkennung erhalten. Vertrauen, Verantwortungsübertragung und Wertschätzung stehen somit an erster Stelle.

In welchem Maße kann KI helfen, die Herausforderungen des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels zumindest abzumildern?

KI wird ein weiteres Instrument zur Abmilderung des Fachkräftemangels sein. Diese kann bei Versicherern u. a. in der Antragstellung von Versicherungstarifen, der Regulierung von Kleinschäden sowie der Risikobewertung zum Einsatz kommen. Bereits heute gibt es Versicherer, die Schäden aus den Sparten Tierkranken- und Rechtsschutzversicherung mithilfe von KI regulieren.

Welche Möglichkeiten sehen Sie im Bereich Migration bzw. Einwanderung von Fachkräften?

Ohne die Einwanderung von Fachkräften werden wir unseren Wohlstand und unsere Stellung in der Welt nicht sichern können. Die derzeitigen Bedingungen dürften vor allem vielen hochqualifizierten Fachkräften aus dem Ausland als nicht attraktiv erscheinen. Mit den höchsten Steuern und Abgaben, einem angespannten Wohnungsmarkt oder einer mangelhaften Betreuungsinfrastruktur für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dürfte Deutschland alles andere als gut dastehen. Hier besteht weiterhin Handlungsbedarf.

Auch Konsolidierung ist ein großes Thema. Welche Auswirkungen hat sie auf kleine und mittlere Maklerhäuser?

Aufnehmende Maklergruppen wie HG Capital (GGW Gruppe) werben mit Prozessoptimierungen, Personalstärke und ihrem Einfluss auf den Markt. Ob die unterschied­lichen IT-Infrastrukturen der Mitgliedsunternehmen solcher Gruppen synchronisiert wurden, stelle ich infrage und an qualifizierten Fachkräften mangelt es allen Arbeit­gebern der Versicherungsbranche. Die Marktmacht mag ein Argument sein. Große Makler und Maklergruppen erhalten erfahrungsgemäß höhere Courtagen sowie Deckungen für volatile Risiken, da den Versicherern anderenfalls die Um­deckung des Gesamtbestandes der Gruppe droht. Partnerschaftliche Zusammenarbeit sieht für uns anders aus. Zum Glück gibt es noch genügend Mitarbeitende bei Versicherern, die eine ehrliche, transparente und vertrauensvolle Zusammenarbeit schätzen und auch kleineren Maklern und ihren Mandanten in schwierigen Deckungssitua­tionen mit Lösungen zur Seite stehen. Insofern wünsche ich den kleineren Maklern Mut, ihren eigenen Weg zu gehen und nicht einem Trend zu folgen.

Könnte man den demografischen Wandel noch aus weiteren Perspek­tiven betrachten?

Das Leben ist zyklisch. Auch die Wirtschaft. Vielleicht erkennt die deutsche Gesellschaft aufgrund der derzeitigen Entwicklungen, dass Disziplin und Fleiß erstrebenswerte Eigenschaften auf dem Weg zur Sicherung und dem Ausbau wirtschaftlichen Wohlstands sind. Das Leben besteht nicht nur aus Life, sondern vor allem auch aus Work. Reines Nichtstun hat zu keiner Zeit zu innerer Zufriedenheit geführt.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 08/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Stephanie Frey, Walter Frey Assekuranz-Makler

 
Ein Interview mit
Stephanie Frey