Herr Bökemeier, in Deutschland haben wir eine allgemeine Krankenversicherungspflicht. Trotzdem hat das prominente Beispiel von Schauspieler Heinz Hoenig, das kürzlich durch die Medien ging, gezeigt, dass offenbar nicht alle Bundesbürger Krankenversicherungsschutz haben. Laut dem Statistischen Bundesamt waren es im Jahr 2019 etwa 61.000, die Dunkelziffer könnte deutlich höher sein. Wie passiert das?
Die Geschichte von Herrn Hoenig, wie sie von den Boulevardmedien präsentiert wurde, wirft ein Schlaglicht auf die Komplexität und technischen Feinheiten des Versicherungssystems in Deutschland. Doch bevor wir vorschnelle Urteile fällen, ist es wichtig, die Fakten zu betrachten und die zugrunde liegenden Gesetze zu verstehen. Eine allgemeine Krankenversicherungspflicht wurde in Deutschland mit der Gesundheitsreform 2007 eingeführt. Eine ordentliche Kündigung seitens der privaten Krankenversicherung (PKV) ist damit ausgeschlossen.
Seit 2013 haben privat krankenversicherte Personen, die ihre Prämien nicht zahlen können, die Möglichkeit, in den Notlagentarif umgestellt zu werden. Hierbei werden nur Leistungen für akute Krankheiten, Schmerzen und Schwangerschaft/Mutterschaft abgedeckt, jedoch zu einem Bruchteil der normalen Beiträge.
Grundsätzlich ist der Kunde derjenige, der den Vertrag mit dem Versicherungsunternehmen abschließt und zur Zahlung der Prämie verpflichtet ist. Wird die erste Prämie nicht gezahlt, kann die Versicherungsgesellschaft vom Vertrag zurücktreten. Zahlt der Kunde den Erstbeitrag, kann jedoch im Laufe der Zeit seine Beiträge nicht mehr aufbringen, wird sein Vertrag in den Notlagentarif umgestellt. Aber: Die Krankenversicherungen können außerordentlich kündigen, wenn der Versicherungsnehmer seine Verpflichtungen nicht erfüllt hat, etwa wegen falscher Beantwortung der Gesundheitsfragen.
In Deutschland gibt es eine Anschlussversicherungspflicht, was bedeutet, dass jeder, der seine Krankenversicherung verliert, sich um eine neue Versicherung bemühen muss. Allerdings gibt es keinen Träger, der vom Kunden den Nachweis der sogenannten Anschlussversicherung verlangt. Kommt der Kunde seiner Pflicht zum Abschluss einer neuen Versicherung nicht nach, steht er ohne Krankenversicherung da. Ob dies auf den Fall Hoenig zutrifft, kann ich nicht beurteilen, aber sicherlich ist diese „Lücke im System“ ein Grund für die vielen Nichtversicherten in Deutschland. Das Schicksal von Herrn Hoenig ist tragisch, weil es um das wichtigste Gut geht, die Gesundheit.
Für PKV-Versicherte richten sich die Beiträge nach Leistungen, nicht nach dem Einkommen. Welche Möglichkeiten haben PKV-Versicherte, die eine finanziell schwierige Situation geraten sind und deshalb ihre Beiträge nicht mehr zahlen können?
In der PKV gibt es verschiedene Möglichkeiten, die monatlichen Beiträge zu senken, wenn diese für die Versicherten zu hoch werden. Zum Beispiel können sie dank einer Regelung im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) innerhalb der bestehenden Versicherungsgesellschaft den Tarif wechseln. Dies kann eine erhebliche Reduzierung der monatlichen Kosten zur Folge haben, ohne den Versicherungsschutz komplett zu verlieren.
Zudem gibt es für Versicherte Sozialtarife, wie den Standardtarif und den Basistarif, die das gesetzliche Leistungsniveau abdecken. Versicherte, die ihren Vertrag vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen haben, können in den Standardtarif wechseln. Für diejenigen, die ihren Vertrag danach abgeschlossen haben, steht der Basistarif zur Verfügung. Auch dieser Tarif ist darauf ausgelegt, die monatlichen Beiträge zu senken und bietet dennoch einen grundlegenden Versicherungsschutz.
Wenn es Versicherten aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht möglich ist, ihre Beiträge zu zahlen, wird nach Vorliegen eines Beitragsrückstands in den Notlagentarif umgestellt, um eine finanzielle Überschuldung zu vermeiden. Personen im Notlagentarif haben jedoch nur Zugang zu Vertragsärzten, auch bekannt als Kassenärzte. Diese Optionen bieten Versicherten flexible Möglichkeiten, ihre private Krankenversicherung an ihre finanziellen Möglichkeiten anzupassen, ohne vollständig auf den Versicherungsschutz verzichten zu müssen.
Ist in einer solchen Situation ein Wechsel in die GKV möglich?
Ein Wechsel von der PKV in die GKV aufgrund finanzieller Notlagen ist grundsätzlich nicht möglich. Dennoch gibt es unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, in die GKV zurückzukehren. Bis zum 55. Lebensjahr erfolgt dies, wenn das Einkommen unter die Jahresarbeitsentgeltgrenze fällt oder bei Bezug von Arbeitslosengeld I.
Künstler und Publizisten fallen unter die Versicherungspflicht, wenn sie erstmalig eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit aufnehmen und sich über die Künstlersozialkasse (KSK) versichern lassen. Selbstständige, die ihr Gewerbe aufgeben und eine sozialversicherungspflichtige Anstellung unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze aufnehmen, können in die GKV zurückkehren.
Nach dem 55. Lebensjahr ist die Rückkehr stark eingeschränkt, jedoch in bestimmten Situationen möglich, beispielsweise ist sie über die Familienversicherung möglich, solange das Gesamteinkommen 1/7 der monatlichen Bezugsgröße (505 Euro) unterschreitet.
Die Künstlersozialkasse ist speziell für Künstler und kreativ Tätige da. Wie funktioniert sie und was sind die Unterschiede zur PKV?
Die KSK ist kein eigener Leistungsträger, sondern fungiert als eine Art „Arbeitgeber“ für selbstständige Künstler und Publizisten. Sie bezuschusst die Beiträge zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung mit bis zu 50%. Mit der Künstlersozialversicherung unterstützt der Staat gezielt die Kreativbranche, indem er sicherstellt, dass auch selbstständige Künstler und Publizisten Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen haben.
In der KSK ist man kranken-, pflege- und rentenversichert und grundsätzlich in der Deutschen Rentenversicherung und in der GKV pflichtversichert. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der GKV besteht für Berufsanfänger und Besserverdienende. In einem Fall wie dem von Herrn Hoenig greift in der Regel die Versicherungspflicht über die KSK, was bedeutet, dass er durch seine Tätigkeit Anspruch auf einen Zuschuss zu seinen Krankenversicherungsbeiträgen hat. Angesichts der bestehenden Unterstützung durch die KSK und die gesetzlichen Regelungen fällt es schwer zu glauben, dass bei Herrn Hoenig mehrere Instanzen versagt haben sollen.
Wie können Makler helfen, ihren Kunden durch aufgeklärte Beratung den besten PKV-Tarif für sich zu finden?
Wenn ein Kunde die Voraussetzungen für einen Wechsel in die PKV erfüllt, ist es entscheidend, seine Prioritäten genau zu verstehen. Im Beratungsgespräch legen wir besonderes Augenmerk auf das sogenannte „magische Dreieck“ der PKV: Beitragsstabilität, Höhe des Monatsbeitrags und Leistungsumfang.
Wir empfehlen, einen Tarif mit einem auskalkulierten Beitrag zu wählen und Anbieter zu meiden, die auf den ersten Blick besonders günstig erscheinen. Nicht nur die Einkünfte während des Erwerbslebens, sondern auch die Rentenansprüche sollten bei der Beratung berücksichtigt werden. Kunden mit geringen Rentenansprüchen sind in der GKV oft besser aufgehoben. Die PKV bietet vor allem für junge Kunden mit hohem Einkommen Vorteile. Eine umfassende Beratung, die alle Lebenssituationen berücksichtigt, kann Fälle wie den von Herrn Hoenig verhindern.
Bild: © PKV-Welt
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