Interview mit Prof. Dr. Stephan Bone-Winkel, Gründungspartner der Aventos Capital Markets KG
Herr Prof. Dr. Bone-Winkel, Immobilien-Aktien führten lange ein Nischendasein. In diesem Jahr sorgten sie aber durch die Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen für Schlagzeilen. Kommen sie nun zu Recht ins Rampenlicht?
Ja, denn börsennotierte Immobiliengesellschaften können Anlegern langfristig stabile Werte liefern. Sie können sich insbesondere im Vergleich zu anderen Immobilienanlagen wie etwa dem Direktkauf oder Immobilienfonds sehen lassen. Investments in einzelne Immobilien haben erhebliche Klumpenrisiken. Auch Immobilienfonds investieren meist nur in wenige Immobilien. Mit Immobilien-Aktien lässt sich dagegen leicht über verschiedene Immobilienklassen wie Büro, Handel, Hotels oder Wohnen und über verschiedene Länder und Regionen streuen. Immobiliengesellschaften haben teils Bestände von mehreren 100.000 Wohnungen in verschiedenen Städten. Dadurch reduziert man automatisch bereits das Risiko.
Kurzfristig können aber auch Immobilien-Aktien unter die Räder kommen …
Richtig. Mit Beginn der Pandemie gingen nicht nur die Aktienmärkte an sich, sondern auch die Immobilien-Aktien in die Knie. Studien zeigen aber, dass Immobilien-Aktien sich langfristig deutlich stärker an den Immobilien- als an den Aktienmärkten orientieren. Niemand kauft eine Immobilie für sechs Monate und schaut jeden Tag auf den Kurszettel. Entsprechend sollten sich auch Immobilienaktieninvestoren sehr langfristig orientieren, zum Beispiel an einem Zeitraum von zehn Jahren. Die Schwankungen der Börsenkurse sind gerade für Käufer von Immobilien-Aktien keine Bedrohung, sondern eine Chance für einen günstigen Einstieg. Ein Korb an Immobilien verliert schließlich nicht innerhalb weniger Tage bis zu 40% an Wert.
Wie sahen die langfristigen Renditen von Immobilien-Aktien in der Vergangenheit aus?
Hätte man vor 20 Jahren Immobilien-Aktien gekauft, hätte man eine Gesamtrendite von fast 500% gehabt. Ein Immobilienfonds wäre im gleichen Zeitraum eher bei 80% gelegen, Staatsanleihen bei etwa 40%. Ich bin ein Verfechter einer sehr breiten Streuung über verschiedene Klassen und Ländergrenzen hinweg. Mit Immobilien-Aktien kann man problemlos Bürohäuser in Japan mit Seniorenheimen in den USA und deutschen Wohnimmobilien kombinieren. Die Auswahl hierfür ist bei Immobilien-Aktien reichlich vorhanden. Allerdings hat kaum jemand die Expertise, sich das im Detail anzuschauen. Bei AVENTOS machen wir das und haben mit dem AVENTOS Global Real Estate Securities Fund deshalb auch einen aktiven Fonds aufgelegt.
Warum kein Immobilien-ETF?
Ein Indexfonds bildet nur die Marktentwicklung ab. Wenn man sich mit Immobilien auskennt, kann man zusätzlichen Wert schaffen, indem man zum richtigen Zeitpunkt in die richtigen Asset-Klassen und Regionen investiert. Bei unserem Fonds haben wir einen Ansatz gewählt, der sehr einfach erscheint, aber in der Welt kaum vorkommt: Wir schauen uns Objekt für Objekt in den jeweiligen Depots der Immobilienunternehmen an. Dadurch erhält man recht gut prognostizierbare Werte. Auch die Dividendenausschüttungen sind bei Immobilien-Aktien relativ gut prognostizierbar, da die Unternehmen meist einen Großteil ihrer Mietüberschüsse an die Anleger ausschütten müssen. Immobilien-Aktien haben auch deshalb mit durchschnittlich 3 bis 4% eine doppelt so hohe Dividende wie Aktien im Allgemeinen.
Schützen Immobilien-Aktien damit auch vor Inflation?
Immobilien-Aktien bieten auch vor Inflation einen relativ guten Schutz. Die Mieteinnahmen werden typischerweise durch Preisanpassungsklauseln inflationsgeschützt. Entsprechend steigen Mieteinnahmen und damit auch die Dividenden, wenn die Inflation anzieht. Es ist aber ein Irrglaube, dass die Immobilie per se vor Inflation schützt. Direkt gehaltene Immobilien oder auch Fonds haben oft hohe Miet- und Finanzierungsrisiken. Im Falle steigender Zinsen können Investoren die Mieten häufig nicht so anheben, wie es nötig wäre. Börsennotierte Immobilienunternehmen haben hingegen meist eine niedrige Fremdkapitalfinanzierung. Zinssteigerungen kommen deshalb nicht so stark zur Geltung. Mietsteigerungen hingegen schon.
Sind Immobilien-Aktien aufgrund ihrer Langfristigkeit auch speziell für die Altersvorsorge interessant?
Im Rahmen der Altersvorsorge ist es generell ratsam, Aktien zu kaufen. Selbst große Krisen wie die Finanzkrise 2008 oder das Platzen des Neuen Markts nach der Jahrtausendwende waren nach einigen Jahren an der Börse wieder vergessen. Die Immobilien-Aktie spielt hier eine besondere Rolle, weil die Immobilien in den Portfolios der Gesellschaften einen Stabilitätsfaktor darstellen, insbesondere angesichts der sehr breiten Streuung. In der Rentenphase selbst bieten Immobilien-Aktien zudem den Vorteil der überdurchschnittlich hohen und stabilen Dividendenausschüttungen. Rentner generieren dadurch selbst ohne Verkäufe ein regelmäßiges Zusatzeinkommen.
An wen richten Sie sich mit dem Fonds?
Wir haben insgesamt drei Tranchen. Die erste Tranche fängt bei 10.000 Euro an und richtet sich an Privatanleger. Daneben haben wir eine Tranche für semiprofessionelle und professionelle Investoren, die bei 250.000 Euro anfängt, und eine Tranche für gemeinnützige Organisationen und Stiftungen mit einer Mindestanlagesumme von 100.000 Euro.
Welche Rolle spielen Versicherungen?
Bisher haben wir noch keine Versicherer als Kunden. Versicherungen haben hohes Interesse an der Direktanlage in Immobilien und sind auch häufig indirekt in Immobilien-Spezialfonds investiert. Dort zählen sie zu den wichtigsten Anlegergruppen. Im Bereich der Immobilien-Aktien-Fonds sind Versicherer noch nicht ausreichend vertreten.
Wie erklären Sie das?
Hier spielt sicherlich die Volatilität eine Rolle. Es ist Aufklärungsarbeit nötig, dass diese Schwankungen im Fall von Immobilien-Aktien eher positiv sind. Daneben dämpfen auch die Vorschriften zur Eigenkapitalhinterlegung, da sie für Immobilien-Aktien genauso gelten wie für andere Aktien. Allerdings brauchen auch Versicherer einen gewissen Anteil an Aktien. Und innerhalb der Aktienwelt sind Immobilien-Aktien eine defensive Anlage und passen somit besonders gut zur sicherheitsorientierten Anlageweise der Versicherer. Über Immobilien-Aktien könnten Versicherer zudem sehr gut in neue und innovative Bereiche investieren, etwa Logistik- und Datenzentren oder aber auch Funkmasten.
Funkmasten?
Gerade Funkmasten garantieren sehr stabile langfristige Einnahmen. Bis man einen eigenen Bestand aufgebaut hat, dauert es aber Jahre. Alternativ können Investoren Immobilien-Aktien von Unternehmen kaufen, die auf diese Bereiche spezialisiert sind. Aktive Investoren können sich hier zudem zunutze machen, dass Immobilien-Aktien vergleichsweise träge auf allgemeine gesellschaftliche Trends reagieren. Während Internet-Aktien schon seit Jahren boomen, kommt das bei den entsprechenden Immobilien-Aktien erst später an.
Ein weiterer Trend ist Nachhaltigkeit. Auch im Gebäudesektor hat die Diskussion darüber in den vergangenen Wochen Fahrt aufgenommen. Welche Rolle spielt das auch bei Immobilien-Aktien?
Auch für Anleger, die ESG-konform arbeiten wollen, sind Immobilien-Aktien relativ komfortabel. Aufgrund der rechtlichen Vorgaben ist gut ersichtlich, wie nachhaltig der jeweilige Gebäudebestand ist. Es ist daher recht schnell möglich, in diesen Bereich vorzustoßen. Ob Impact-Investments oder auch Ausschlusskriterien wie etwa keine Mieter aus der Rüstungsindustrie lassen sich sehr gut über Immobilien-Aktien steuern. Auch die Gesellschaften selbst sind oft schon sehr weit bei der ESG-konformen Aufstellung. Auch der Nachhaltigkeitstrend spricht somit ganz klar für Investments in Immobilien-Aktien.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 07/2021, Seite 70 f., und in unserem ePaper.
Bild: © SERSOLL – stock.adobe.com
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