Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat am Freitag vergangener Woche entschieden, dass die D&O-Versicherung des ehemaligen Chefbuchhalters der Wirecard AG, Stephan von Erffa, keine weiteren Leistungen erbringen muss. Das Gericht stellte fest, dass die Versicherungssumme für das Jahr 2020, um das es hier ging, vollständig ausgeschöpft sei und der Versicherer – laut Medienberichten Chubb – sich zu Recht darauf berufen habe.
Zeichnete sich der Versicherungsfall schon 2019 ab?
Der Buchhalter hatte gegen den Versicherer geklagt und argumentierte, dass der Versicherungsfall bereits im Jahr 2019 eingetreten sei, als erste kritische Berichte in der Financial Times, Untersuchungen der Behörden in Singapur und eine Sammelklage in den USA publik wurden. Zu diesem Zeitpunkt habe eine Versicherungssumme von 25 Mio. Euro zur Verfügung gestanden, die nicht vollständig ausgeschöpft sei. Die D&O-Versicherung hingegen vertrat die Auffassung, dass der Versicherungsfall erst 2020 eingetreten sei. Für dieses Jahr betrug die Versicherungssumme lediglich 15 Mio. Euro, die im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal bereits vollständig ausgezahlt wurden.
Das OLG schloss sich der Sichtweise des Versicherers an: Der Versicherungsfall sei im Jahr 2020 eingetreten, da die relevanten Umstände aus 2019 nicht ordnungsgemäß gemeldet worden seien. Folglich gelte die niedrigere Versicherungssumme aus 2020. In dem Jahr meldete Wirecard Insolvenz an und ein Betrag von 1,9 Mrd. Euro, der bilanziell verortet war, existierte nach heutigen Erkenntnissen vermutlich gar nicht. Von Erffa sieht sich deshalb strafrechtlicher Vorwürfe ausgesetzt, die er allerdings zurückweist.
Extra-Summe für PR- und Anwaltskosten gefordert
Der Kläger kritisierte außerdem, dass der Versicherer PR- und Verteidigungskosten nicht auf die Versicherungssumme aus 2019 hätte anrechnen dürfen und dass er durch Zahlungen an andere Vorstandsmitglieder benachteiligt worden sei. Das OLG wies diese Argumente zurück. Die vertraglichen Regelungen erlaubten die Anrechnung solcher Kosten und eine Auszahlung nach dem sogenannten „Prioritätsprinzip“. Dieses Vorgehen sei nicht willkürlich, sondern entspreche anerkannten Buchführungsgrundsätzen.
PR-Kosten: Vertraglicher Anspruch bestätigt, aber ohne Relevanz
Zwar bestätigte das OLG einen vertraglichen Anspruch auf Übernahme von PR-Kosten, sah jedoch keine Auswirkungen auf den Fall, da die Versicherungssumme vollständig aufgebraucht sei. Die Klauseln im Versicherungsvertrag, die solche Anrechnungen ermöglichen, seien rechtlich zulässig.
Die Entscheidung des OLG ist nicht rechtskräftig. Das Gericht hat die Revision zugelassen, sodass der Fall möglicherweise vor den Bundesgerichtshof (BGH) kommt.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.11.2024 – Az. 7 U 82/22
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