Digitalisierung, Industrie 4.0, FinTech, vernetzte Welt – ständig liest und hört man diese Begriffe. Für die Finanzbranche bewegen sich die dabei geschilderten Szenarien zwischen zwei Extremen. Die Protagonisten sprechen von disruptiven Technologien, die schon bald die Finanzwelt auf den Kopf stellen und den Platzhirschen das Geschäftsmodell verderben werden. Die Traditionalisten wiegeln ab: Das meiste bleibe, wie es ist, weil man sich bei der Finanzberatung nun mal in die Augen schauen müsse. Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte. In den Maklerbüros ist die Digitalisierung längst angekommen, weniger spektakulär, aber unübersehbar.
Papierloses Maklerbüro
Wer es nicht glaubt, braucht nur zu schauen, wie sich der Büroalltag verändert. Sicher gibt es noch den guten alten Leitz-Ordner und Papier wird aus dem Büro auch nicht vollends verschwinden, wie vor einigen Jahren mancher schon prophezeite. Aber die digitale Unterlage setzt sich immer weiter durch. Daten werden am PC oder Laptop erfasst, in Verwaltungssysteme eingestellt, Kundenprofile angelegt und Unterlagen wie Angebote, Versicherungsanträge oder Steuerdaten elektronisch versandt. Die notwendigen Medienbrüche, bei denen in der Vergangenheit zwischendurch wieder auf ein Blatt Papier umgestiegen oder Daten erneut eingegeben werden mussten, nehmen immer mehr ab. Prozesse, die in der Vergangenheit papiergebunden waren, wandeln sich zunehmend in digitale Vorgänge, ohne dass Makler dies als Revolution empfinden. Es stehen dadurch heute viel mehr Informationen zur Verfügung und sie können, das ist einer der größten Vorzüge, schneller und leichter ausgewertet werden.
Digitalisierte Buchhaltung im Maklerbüro
Diese Digitalisierung betrifft nicht nur den Geschäftsverkehr mit den Kunden, sondern ebenso die eigene Buchhaltung. Wie aus aktuellen Stellungnahmen des BDI und des DIHK zu entnehmen ist, steigen in der mittelständischen Wirtschaft die Bürokratiekosten. Dabei zählen die Aufwendungen, die mit der Aufbewahrung von Unterlagen verbunden sind, zu den bedeutendsten Bürokratiekosten. Der Gesetzgeber hat mittlerweile auf den technischen Fortschritt mit den „Grundsätzen zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“, kurz GoBD genannt, reagiert. Aufgrund der heute in eigentlich allen Unternehmen vorhandenen preiswerten Möglichkeit, Papierdokumente mithilfe eines Scanners in eine Bilddatei (zum Beispiel PDF-Datei) umzuwandeln, besteht damit die Fähigkeit, papiergebundene Dokumente zu digitalisieren. Sollte diese Chance der Digitalisierung rechtzeitig genutzt werden, können die Anforderungen, die der Gesetzgeber in den GoBD formuliert hat, erfüllt werden.
Wenn also die Anforderungen der GoBD im Unternehmen erfüllt sind, müssen bestimmte originale Buchungsbelege zukünftig nicht mehr in Papierform aufbewahrt werden. Diese Verfahrensweise hilft so den finanziellen und zeitlichen Aufwand zum Beispiel durch geringere Archivkosten im Unternehmen zu reduzieren.
Die DATEV eG, ein IT-Dienstleister für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, hat inzwischen leistungsfähige Systeme entwickelt, nicht nur für die eigene Buchführung der Unternehmen, sondern ebenso für die Verwaltung der gesamten Kundendaten. Auch eine ausgelagerte Datenhaltung ist bei der DATEV möglich, wodurch Makler Sicherheitsstandards erreichen, die selbst nur mit größerem Aufwand zu erzielen sind.
Einheitliche Grundstruktur notwendig
Doch der Weg von der Papierwelt in die digitale setzt einige Vorarbeiten voraus. Diente früher die Reihenfolge der Leitz-Ordner im Regal der Orientierung und Sortierung von Unterlagen, bedarf es heute einer Ordner-Struktur unter Windows, um die Übersicht und einen schnellen Zugriff zu wahren. Die Gefahr ist groß, dass am Ende Hunderte verschiedener Strukturen entstehen. Dabei wäre für alle eine einheitliche Grundstruktur sinnvoll, weil diese den Einzelnen vor Fehlern bewahrt und den Austausch mit Dritten erleichtert. Daher steht die Frage im Raum: Was halten Makler für sinnvoll, welche Ordner-Struktur bildet am besten die Prozesse im Maklerbüro und mit den Kunden, Produktlieferanten und Dienstleistern ab? Wie lässt sich darauf eine Antwort finden?
Individuelle Verfahrensdokumentation erforderlich
Um den Abschied vom Papier durch ersetzendes Scannen durchzuführen, bedarf es einer individuellen Verfahrensdokumentation im Unternehmen. Hier wird kurz beschrieben, wie die Arbeits- und Scanprozesse ablaufen sollen. In dieser Dokumentation wird exemplarisch festgehalten:
- allgemeine Beschreibung der Prozesse der elektronischen Buchführung sowie der vorgelagerten Systeme
- Anwenderdokumentation (Darstellung der einzelnen Prozessschritte)
- technische Systemdokumentation (Beschreibung der verwendeten Hard- und Software)
- Betriebsdokumentation
- Beschreibung des internen Kontrollsystems
- Ausführungen zur Datensicherung
- Überblick über die Historie der eingesetzten Programme
Auf den ersten Blick hört sich das gegebenenfalls kompliziert an, wird aber unter Umständen doch leicht umzusetzen sein, da in vielen Unternehmen teilweise schon Verfahrensanweisungen oder Ähnliches bestehen. Bei der Erstellung dieser Dokumentation sollte der Makler daher eng mit seinem Steuerberater zusammenarbeiten. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann es heißen: ab in die Ablage Papierkorb.
Im Zuge der Digitalisierung macht ein weiteres Wort die Runde: Crowdsourcing. Einfach übersetzt heißt das: „Gemeinsam sind wir klüger.“ Daher der Wunsch, dass die Branche sich gemeinsam Gedanken macht und eine gemeinsame Lösung entwickelt, wie digitale Unterlagen strukturiert werden sollten. Eines ist nämlich sicher: Die Digitalisierung in den Maklerbüros wird fortschreiten, sie ist inzwischen elementar für ein erfolgreiches Unternehmen. Am Ende werden wir durchgängige Prozesse bekommen für alles: für das Geschäft mit den Kunden, für die betriebswirtschaftliche Organisation, für die Abwicklung mit den Versicherern. Das setzt ein einheitliches Dateiformat, einheitliche Schnittstellen voraus. Diese Lösungen gibt es inzwischen, es kommt nur darauf an, beherzt die Digitalisierung im eigenen Geschäft voranzutreiben. Den jüngeren Kollegen, die mit Apps und Facebook groß geworden sind, fällt es vielleicht etwas leichter als jenen, die noch Tarifbücher aus eigenem Erleben kennen. Die Vorteile können aber alle nutzen. Wer hätte denn vor 20 Jahren gedacht, dass im Zuge der sogenannten Dunkelverarbeitung Anträge in der Sachversicherung heute schon komplett ohne einen Handgriff verarbeitet werden können? In der Beratung wird das persönliche Gespräch nach wie vor die Stärke des Maklers bleiben, aber alles, was davor und danach geschieht, kann und sollte man zu großen Teilen dem Kollegen Computer überlassen, zum eigenen Nutzen.
Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 07/2016, Seite 100 f.
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