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26. September 2024
Warum in passiven Investments aktive Entscheidungen stecken
Warum in passiven Investments aktive Entscheidungen stecken

Warum in passiven Investments aktive Entscheidungen stecken

Das Investmentunternehmen Dimensional Fund Advisors ist auf die Zusammenarbeit mit Honorarberatern spezialisiert und verfolgt einen wissenschaftlichen Ansatz. Warum in passiven Investments auch aktive Entscheidungen stecken, erklären Thomas Meinke und Lukas Schneider von Dimensional Fund Advisors.

Interview mit Thomas Meinke, Investment Direktor, und Lukas Schneider, Niederlassungsleiter und Vizepräsident bei Dimensional Fund Advisors Deutschland
Die Zinswende „nach unten“ steht nun bevor. Was sagt der wissenschaftliche Investmentansatz zur bevorstehenden Phase der Zinssenkungen (wahrscheinlich ohne kommende Nullzinsperiode) am Markt?

Thomas Meinke: Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut der Kapitalmarkt in der Lage ist, Geschehnisse wie erste Zinssenkungen vorab in den Anleihekursen einzupreisen. Selbst wenn man eine Kristallkugel hat und weiß, dass die Zinsen am nächsten Tag gesenkt werden, heißt das noch lange nicht, dass man daraus einen Vorteil erzielen kann. So sind die deutschen Zinsen bspw. kürzlich sogar leicht gestiegen, als die EZB den Leitzins senkte. Aber auch längerfristig preisen Märkte zukünftige Entwicklungen effektiv ein.

Das zeigt sich etwa an zehnjährigen amerikanischen Staatsanleihen, deren Renditen seit 1983 Dimensional untersucht hat. Diese sind seitdem bei jeder dritten Leitzinssenkung sogar gestiegen. Das zeigt die vorausschauende, zukunftsgerichtete Perspektive des Kapitalmarkts.

Die Finanzwissenschaft versucht schon lange, hier eine verlässliche Kristallkugel zu finden, die man aber noch nicht gefunden hat. Es gibt aber auch verlässliche Ansätze, die wissenschaftlich fundiert sind und bei denen man im Anleihen- und Aktienbereich Renditen verdienen kann, ohne seine Investmentstrategie auf die Zinswette auszurichten – und auf diese setzen wir.

Der Markt ist zunehmend abhängig von geopolitischen Ereignissen. Beschäftigen auch Sie sich inhouse mit geopolitischen Risiken?

Thomas Meinke: Nicht explizit in unserer Forschung. Wir sehen, dass geopolitische Ereignisse und Risiken als globaler Investor dazugehören, denken aber, dass man auch hier nicht wirklich schlauer sein kann als der Markt, geschweige denn schlauer sein muss als der Markt. Es ist nahezu unmöglich, den Zeitpunkt solcher Krisen vorherzusagen und jetzt diejenigen Unternehmen oder Bereiche im Kapitalmarkt zu identifizieren, die von solchen Krisen betroffen sein können – schon alleine, weil viele Unternehmen international tätig sind.

Lukas Schneider: Wir stellen fest, dass sich viele Finanzberater von Themen wie geopolitischen Risiken sehr stark beeinflussen lassen und angesichts solcher Prognosen selbst den Drang verspüren, Portfolioanpassungen vorzunehmen wie Regionen auszuschließen oder Timing-basierte Entscheidungen zu treffen.

Tatsache ist aber: Strategische Asset-Allokation und Buy-and-Hold sind nach wie vor der verlässlichste Weg, um Renditen einzusammeln.

Wie lässt sich der wissenschaftliche Ansatz, in dem auch vergangene Performance untersucht wird, mit dem Grundsatz vereinbaren, dass sie nichts über zukünftige Kursverläufe aussagt?

Thomas Meinke: Wichtig ist zu wissen, wie eigentlich gute Forschung durchgeführt wird. Die Empirie spielt natürlich eine wichtige Rolle. Aber gute Forschung zeichnet sich eigentlich dadurch aus, dass man sie auf einem robusten theoretischen Fundament aufsetzt. In der Empirie kann man vieles über Data Mining herausfinden, u. a. über mehr als 300 Faktoren, die in irgendeiner Form Rendite erklären. Man sollte jedoch zunächst auf theoretischer Basis überlegen, warum eine bestimmte Faktorprämie mehr Rendite liefern sollte. Und diese Überlegungen müssen sinnhaft und schlüssig sein.

Ein Beispiel: Ergibt es Sinn, dass Small Caps langfristig Large Caps outperformen? Wir sagen: Ja, weil es dort gewisse unternehmerische Risiken gibt, die höher und nicht diversifizierbar über diese breite Small-Cap-Asset-Klasse sind. Und auf Basis solcher theoretischer Fundamente kann man derartige Faktorprämien erkennen.

Apropos: Dimensional wies kürzlich selbst auf die enorme Renditevarianz bei Small-Cap-Investments hin. Woher kommen die großen Renditeunterschiede?

Thomas Meinke: Zum einen haben wir bei der Untersuchung verschiedener Small-Cap-Indizes festgestellt, dass die jeweiligen Indexregeln zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dies wird durch die breitere Renditeverteilung innerhalb der Small Caps verstärkt.

Zum anderen gibt es im Small-Cap-Markt diverse Segmente, die in den letzten knapp 50 Jahren eine starke Underperformance zu verzeichnen hatten und die es entsprechend zu vermeiden gilt. Das sind dann Unternehmen, die unprofitabel, aber teuer bewertet sind. Auch handelt es sich um Unternehmen, die ein aggressives Bilanzwachstum haben, etwa um das Doppelte pro Jahr. Das Problem hierbei: Wenn ein Unternehmen viel in sich selbst investierst, bleibt weniger für den Aktionär übrig. Und diese beiden Segmente sollte man ausschließen, weil sie den gesamten Small-Cap-Markt bei der Rendite nach unten ziehen – obwohl er grundsätzlich eine höhere Renditeerwartung haben sollte.

Wie sollte man als Anleger hier am besten fahren? Sollten Berater sich ob der Komplexität überhaupt mit Small Caps befassen?

Lukas Schneider: Grundsätzlich will ich als Anleger eine konsequente, breite Streuung haben, das heißt: Ich will die Small Caps mit im Portfolio haben. Es gibt auch aus wissenschaftlicher Sicht gute Gründe, eine Renditeprämie davon zu erwarten. Berater nutzen unserer Erfahrung nach bereits Small-Cap-Strategien – oft sind das aktive, konzentrierte und teure Strategien.

Wenn man diese Small-Cap-Prämie haben möchte, würden wir dazu raten, die Anlage sehr viel breiter und global zu streuen. Bei Dimensional hat eine solche Strategie 6.000 bis 7.000 Einzelaktien, wir heben also den gesamten Small-Cap-Markt, können die Prämie verlässlicher erfassen und unsere Strategie ist außerdem kosteneffizient mit einer Kostenquote von rund 0,4% p. a.

Ein klassisches Beispiel für breit gestreute Investments sind passive ETFs. Laut Dimensional beinhalten aber auch passive Investments aktive Entscheidungen. Was heißt das? Welche?

Thomas Meinke: Passive ETFs lassen durch aktive Entscheidungen des Indexanbieters eine gewisse Rendite auf der Strecke. Zum einen geht es da um aktive Entscheidungen bei der Indexkonstruktion sowie bei der Rebalancierungsmethodik des Indexes. Diese Entscheidungen sind nicht „gottgegeben“, sondern sind bewusst von Menschen getroffen worden. Und da sollte man schon die Frage stellen, warum sie so getroffen wurden. Beim S&P 500 sollte man denken, dass es sich um die 500 größten Titel in den USA handelt. Aktuell befinden sich aber rund 80 der 500 größten US-Unternehmen gar nicht in dem Index. Hintergrund ist, dass es neben der Größe noch weitere Kriterien gibt, bspw. ob das Unternehmen über vier Quartale hinweg Gewinne erzielt hat. So müssen Unternehmen, die neu in die Top 500 aufsteigen, oft warten, bis sie tatsächlich aufgenommen werden. In diesem Zeitraum würden jene Unternehmen Rendite für den Anleger erzielen. Da sie aber noch nicht im Index sind, „verpasst“ er diese Rendite.

Was sind denn die aktiven Entscheidungen, die Berater und Anleger treffen können, auch bei passiven Investments?

Thomas Meinke: Für den Berater ist es entscheidend zu berücksichtigen, dass es zusätzliche Kosten gibt, die nicht in der Gesamtkostenquote, auftauchen. Oft fällt die Entscheidung auf einen ETF, weil er auf dem Papier vielleicht „15 Basispunkte günstiger“ ist als ein Dimensional-Fonds, weil wir eben eine Mehrrendite versprechen. Worauf wir Wert legen, ist, dass Berater die Kosten und Methodiken der Produkte genau betrachten, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

Lukas Schneider: Prinzipiell ist ein klassischer, breit gestreuter ETF für einen Anleger eine gute, robuste Lösung. Der Berater kann hier jedoch noch Mehrwerte liefern, bspw. über das Anbieten unserer wissenschaftlich fundierten Prämien. Auch stellt sich die Frage, ob sich denn jeder Kunde mit einem 100%-Aktien-Portfolio wohlfühlt. Hier kann der Berater mit einem gut durchdachten Portfolio, mit Rebalancing, mit einer zum Kunden passenden Aktienquote, einer strategischen Allokation etc. helfen. Und da geht es auch darum zu verstehen, was die Indexanbieter und die Produktanbieter eigentlich genau tun.

Gerade in der Vermittlerbranche werden ETFs oft etwas kritischer gesehen, da keine Provisionen ausgezahlt werden. Wie bewerten Sie dies?

Lukas Schneider: Wir sind vor zehn Jahren in Deutschland gestartet und haben noch nie Provisionen ausgezahlt. Der Start damals war anspruchsvoll, weil es noch nicht so viele Honorarberater gab. Wir bemerken aber durchaus eine Trendumkehr. Viele Berater hinterfragen ihr Geschäftsmodell und möchten sich nicht mehr zu 100% auf das Provisionsmodell verlassen und sich davon loslösen. Das dann „neue“, transparente Gebührenmodell sorgt auch dafür, dass sich die Berater freier fühlen und „das Beste für den Kunden“ suchen können – und dann haben sie auch keine Probleme mehr mit ETFs und landen in der Regel bei Low-Cost-Solutions. Damit holen wir viele Berater ab und können eine Brücke bauen.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 09/2024 und in unserem ePaper.

Bild oben: © Olivier Le Moal – stock.adobe.com; Porträtfotos: © Dimensional Fund Advisors Deutschland

 
Interview mit
Lukas Schneider
Thomas Meinke