Nachgefragt bei Jörg Haffner, Geschäftsführer der Qualitypool GmbH
Herr Haffner, die gestiegenen Bauzinsen, hohe Baukosten, die Inflation und die Energiekrise setzen dem Baufinanzierungsbereich zu. Wie waren die Auswirkungen auf das Baufi-Geschäft bei Ihnen?
Nach dem ersten Halbjahr 2022, in dem Qualitypool außergewöhnlich viel Finanzierungsgeschäft machen konnte – unsere Servicespezialisten waren zu Jahresbeginn mehr als ausgelastet –, ging die Nachfrage nach Baufinanzierungen deutlich zurück. Im dritten Quartal sank das Gesamtvolumen für Immobilienfinanzierungen laut Bundesbank um 20,6%, im vierten um 39,1%. Dieser Einbruch ging an Qualitypool wie an anderen Marktteilnehmern auch und insbesondere im vierten Quartal nicht spurlos vorbei. Nichtsdestotrotz haben wir das Jahr 2022 im Finanzierungsbereich mit einem Wachstum im Vergleich zu 2021 abgeschlossen. Alle in der Frage genannten Faktoren haben den Markt spürbar negativ beeinflusst, am deutlichsten hat sich wohl der außergewöhnliche Anstieg der Bauzinsen ausgewirkt. Der erste Schritt der zehnjährigen Zinsbindungen über 3% im Juni war ein deutliches Warnsignal für potenzielle Immobilienkäufer und machte Finanzierungen für einen Teil kaum mehr erschwinglich. Hohe Baukosten und Lieferengpässe führten zu einem starken Rückgang im Neubau bzw. beim Kauf von Neubauten. Diese Entwicklung zog geringere Darlehenssummen nach sich −-ein Effekt, der sich nicht unerheblich auswirkte.
Wie beurteilen Sie denn die Entwicklungen?
Qualitypool hat den Geschäftsrückgang sehr ernst genommen und ab Herbst mit gezielten Maßnahmen reagiert. Unser Unternehmen hat sich für die weitere Entwicklung sehr gut aufgestellt. Wir haben die Kosten reduziert, aber auch die Trainings der Academy im Ratenkredit und Bausparen intensiviert, um hier Umsatzpotenziale zu heben. Dieses Angebot wurde von den Vertriebspartnern sehr gut angenommen. Zugleich haben wir die Umsatzseite durch neue Partnerschaften mit institutionellen Vertrieben gestärkt und bauen unser Produkt- und Leadangebot für die Zielgruppe gezielt aus. Um die Vertriebspartner zu unterstützen, haben wir neue Kooperationen abgeschlossen und bieten weitere spezielle Fortbildungen für die aktuellen vertrieblichen Herausforderungen in der Qualitypool Academy an. Dass sich der Markt nicht sofort erholen würde, lag für uns auf der Hand, da von den Notenbanken im Kampf gegen die hohe Inflation weitere Zinsschritte zu erwarten waren bzw. zu erwarten sind. Auf dem Immobilienmarkt zeichnet sich zwar ein Preisrückgang ab, jedoch noch nicht ausreichend, um Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die Auswirkungen der Zinsen und Baukosten auf den Wohnungsbau und den damit verfügbaren Wohnraum sind natürlich negativ, was eine weitere Herausforderung für den Immobilienmarkt darstellt.
Was ist im weiteren Jahresverlauf zu erwarten?
Wir erwarten, dass das Finanzierungsgeschäft ab Beginn des zweiten Halbjahres wieder anzieht – Wohnen bzw. der Wunsch nach einer Immobilie ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Qualitypool erwartet die Geschäftsentwicklung nicht mehr auf dem sehr hohen Niveau von vor einem Jahr, aber mit mehr Potenzial für unser Partnerinnen und Partner. Das vierte Quartal wird dann die weitere Erholung 2024 einläuten. Die Finanzierungszinsen werden vorerst noch steigen, da die Notenbanken weitere Zinsschritte benötigen, um die Inflationsentwicklung in den Griff zu bekommen. Die Anleihe- und Zinsmärkte werden sich aber letztendlich in gemäßigterem Tempo als 2022 entwickeln. Ab der zweiten Jahreshälfte könnten sich die Notenbanken erst einmal zurücklehnen und die Auswirkungen ihrer strafferen Zinspolitik auf die Verbraucherpreise abwarten. Zugleich kehren die Immobilienpreise von ihrem absoluten Spitzenniveau zurück, insbesondere außerhalb der Metropolgebiete. Qualitypool geht demnach von einer Stabilisierung des Finanzierungsgeschäfts im Jahresverlauf aus.
Nachgefragt bei Tim Bröning, Mitglied der Geschäftsleitung der Fonds Finanz Maklerservice GmbH
Herr Bröning, welche Folgen hatten die jüngsten Entwicklungen für Ihr Baufi-Geschäft?
Wir haben die Auswirkungen und Entwicklungen bereits in der zweiten Jahreshälfte erkannt und sie der Situation entsprechend auch erwartet. Unser Baufinanzierungsgeschäft hat Einbußen gemacht und die Einflüsse der Inflation und Zinspolitik sind natürlich weiterhin spürbar. Allerdings nutzt unsere Baufinanzierungssparte diese nun etwas ruhigere Phase aus, um sich für die Zukunft auszurichten und die an die Makler ausgerichteten Dienstleistungen noch weiter zu optimieren.
Wie beurteilen Sie die Lage?
Was die künftigen Entwicklungen angeht, sind wir zuversichtlich und gehen dementsprechend davon aus, dass sich der Immobilien- und Baufinanzierungsmarkt wieder erholen wird. Bis wir allerdings dort hinkommen, müssen wir uns auf eine intensive Zeit mit hoher Volatilität im Zinsmarkt und einer angespannten Situation hinsichtlich der Immobilienpreise einlassen. Gerade in den nächsten Wochen ist es möglich, dass sich mehrere Zeitfenster mit etwas niedrigeren Zinsen öffnen. Diese Zeitfenster sollten Makler für ihre Kunden unbedingt im Auge behalten, damit sie bei der Finanzierung von den Konditionen profitieren können. Aktuell befinden sich die Immobilienpreise noch in einer Phase, in der die Preisvorstellungen der Käufer und Verkäufer noch stark voneinander abweichen. Während Verkäufer sich das Preisniveau aus dem ersten Halbjahr 2022 wünschen, warten interessierte Käufer auf sinkende Immobilienpreise.
Wie blicken Sie auf die kommenden Monate?
Grundsätzlich wird 2023 ein sehr spannendes Jahr. Viele Entwicklungen sind durch die aktuelle Situation verstärkt worden. Beispielsweise wird das Thema der Bestandssanierung sicherlich mehr in den Fokus der Hausbesitzer rücken. Der Zinsmarkt wird vermutlich im Laufe des Jahres seinen Höchstpunkt erreichen. Entscheidend hierfür ist natürlich, wie sich die Inflation und die darauf ausgerichtete Geldpolitik der Europäischen Zentralbank entwickeln. Außerdem gehen wir bei der Immobilienpreisentwicklung davon aus, dass die Vorstellungen der Käufer und Verkäufer einen gemeinsamen Nenner finden werden – das aber auf einem niedrigeren Niveau. Daher gehen wir von einem weiteren leichten Preisrückgang bei Immobilien aus.
Statement von Alexander Brodsinskij, Experte für Baufinanzierung bei der KAB Maklerservice GmbH:
„Aufgrund gestiegener Bauzinsen, hoher Inflation und den zuletzt gestiegenen Energiekosten haben sich viele Immobilienkäufer und Bauherren im zweiten Halbjahr 2022 sehr zurückgehalten. Insbesondere bei Neubauten haben die gestiegenen Baukosten zu viel Unsicherheit geführt. Viele Kreditinstitute verlangten zusätzliche Sicherheiten, um diese Unsicherheit während der Bauphasen abzusichern. Weiterhin mussten wir feststellen, dass viele Darlehensgeber Finanzierungsanfragen restriktiver geprüft haben. Neben den erwähnten Kosten und Zinssteigerungen führten die Erhöhungen der Lebenshaltungspauschalen der Kreditinstitute dazu, dass viele Immobilieninvestoren die benötigten Darlehensmittel nur eingeschränkt erhalten haben.
Wir gehen davon aus, dass sich die Kauf- und Neubauanfragen im ersten Halbjahr 2023 weiterhin auf niedrigem Niveau bewegen werden. Aufgrund der geplanten Zinserhöhungen seitens der EZB erwarten wir weitere Erhöhungen der Bauzinsen, wobei sich die Erhöhungen im Verhältnis zu 2022 eher moderat auswirken werden.
Die Anschluss- und Kapitalanlegerfinanzierungen werden die erste Jahreshälfte 2023 dominieren. Erst wenn sich die Bauzinsen, Baukosten und Energiepreise wieder stabilisiert haben, gehen wir im zweiten Halbjahr 2023 davon aus, dass die private Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen wieder ansteigen wird.“
„Rückkehr zur Normalität frühestens 2024“
Alexander Brodsinskij weiter: „Eine Rückkehr zur Normalität im Vergleich zu 2021 erwarten wir frühestens 2024. Dank der direkten Kommunikation zu den Darlehensgebern kann die KAB ihren angeschlossenen Partnern und deren Kunden nicht nur standardisierte, sondern auch individualisierte Lösungen anbieten. Dabei unterstützen wir unsere Partner intensiv in der täglichen Beratung mit ihren Kunden, um deren Wünsche erfolgreich darstellen zu können. Sofern es unsere Partner wünschen, beraten wir deren Kunden auch direkt und unsere Maklerkollegen werden in diesen Prozess mit eingebunden.“
Interviews und Statement lesen Sie auch in AssCompact 03/2023 und in unserem ePaper.
Bild: © sommart – stock.adobe.com
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