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26. Juli 2019
Die Grundfähigkeitenversicherung – Mauerblümchen oder Wettbewerber der BU?

Die Grundfähigkeitenversicherung – Mauerblümchen oder Wettbewerber der BU?

Zunehmend mehr Lebensversicherer bieten als Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung auch eine Absicherung von Grundfähigkeiten an. Mit der Tarifstudie Grundfähigkeitenversicherung hat das Beratungsunternehmen AssekuranZoom die Leistungsvoraussetzungen solcher Tarife unter die Lupe genommen. Ein Kommentar von AssekuranZoom-Geschäftsführer Alexander Schrehardt, der zugleich ein Update der Studie ankündigt.

Die Absicherung der Arbeitskraft ist ein wichtiger Beitrag zur wirtschaftlichen Existenzsicherung. In den letzten Jahren haben die Lebensversicherer immer wieder am Rad der Tarifeinführung gedreht, dies mit dem Ergebnis, dass Versicherungsmakler und Kunde heute aus einer kaleidoskopartigen Vielfalt unterschiedlichster Vorsorgeinstrumente wählen können. Aber nicht nur die Auswahl der geeigneten Versicherungslösung will gut überlegt sein; auch die Empfehlung eines Tarifgebots sollte der Versicherungsmakler basierend auf objektiven Kriterien begründen können.

Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung

Seit einigen Jahren bieten zunehmend mehr Lebensversicherer als Alternative zum Klassiker Berufsunfähigkeitsversicherung auch eine Absicherung von Grundfähigkeiten an. Die Grundfähigkeitenversicherung sollte dabei – qualifizierte Tarife vorausgesetzt – nicht als Ventillösung, sondern als Wettbewerber der Berufsunfähigkeitsversicherung bewertet werden. Beide Vorsorgeinstrumente haben ihre tariflichen Stärken und Schwächen, die es abzuwägen gilt. So kann beispielsweise mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung das Risiko einer psychischen Erkrankung auf hohem Niveau abgesichert werden, während im Rahmen einer Grundfähigkeitenversicherung psychische Krankheitsbilder entweder gar nicht vom Versicherungsschutz umfasst werden oder sich die Gesellschaften auf die Absicherung der Risiken Schizophrenie und schwere Depression kaprizieren. Nur die Nürnberger Lebensversicherung bietet optional eine umfassende Absicherung von psychischen Krankheiten an. Der Versicherer hat jedoch die Messlatte bei den Leistungsvoraussetzungen mit dem verpflichtenden Nachweis einer vollen Erwerbsminderung infolge einer psychischen Erkrankung hoch aufgelegt.

Allerdings kann die Grundfähigkeitenversicherung an anderer Stelle gegenüber ihrer vermeintlichen Überschwester punkten. Nachdem sich ein leistungspflichtiger Versicherungsfall nicht mit der Einschränkung oder Einbuße der beruflichen Leistungsfähigkeit, sondern mit dem bedingungsgemäßen (teilweisen) Verlust einer versicherten Grundfähigkeit begründet, kann die versicherte Person weder auf eine tatsächlich ausgeübte Tätigkeit konkret verwiesen, noch der Joker der betrieblichen Umorganisation bei Selbstständigen vom Versicherer gespielt werden. Die versicherte Person riskiert somit auch im Fall der vollschichtigen Ausübung ihrer bisherigen oder einer anderen Berufstätigkeit ihren Anspruch auf Auszahlung der versicherten Grundfähigkeitenrente nicht.

Kleinteilige Leistungsvoraussetzungen

Während sich ein leistungspflichtiger Versicherungsfall in der Berufsunfähigkeitsversicherung regelmäßig mit einer mindestens 50%-igen Einbuße der beruflichen Leistungsfähigkeit der versicherten Person infolge Krankheit, Unfall oder körperlichem Kräfteverfall begründet, sind die Leistungsvoraussetzungen in der Grundfähigkeitenversicherung aufgrund der Vielzahl der versicherten Risiken erheblich kleinteiliger. Eine vergleichende Bewertung der Tarife verschiedener Anbieter wird dabei den Versicherungsmakler sehr schnell an die Grenzen seiner zeitlichen Möglichkeiten führen. Die vorschnelle Einschätzung, dass die Leistungsvoraussetzungen für eine versicherte Grundfähigkeit – zum Beispiel die Grundfähigkeit Hören – bei allen Gesellschaften in erster Näherung gleich ausgestaltet sind, erweist sich bei einer detaillierten Prüfung der Versicherungsbedingungen leider als Trugschluss.

Mit der Tarifstudie Grundfähigkeitenversicherung hat das Beratungsunternehmen AssekuranZoom die Leistungsvoraussetzungen der Grundfähigkeitenversicherungstarife der führenden Anbieter im Detail unter die Lupe genommen. Im ersten Schritt wurde die Struktur der angebotenen Tarife untersucht und bewertet. Während die Allianz Lebensversicherung nur einen Tarif anbietet, finden sich beispielsweise im Portfolio der Dortmunder Lebensversicherung, der Gothaer Lebensversicherung, der Neue Bayerische Beamten Lebensversicherung oder auch der Swiss Life mehrstufige Tarifsysteme. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, sofern das Tarifkonzept transparent aufgebaut und der Praxisbezug zum Lebensalltag der Kunden hergestellt wird.

Hierarchische Tarifsysteme

Die Dortmunder Lebensversicherung hatte die Einführung ihres Tarifs Plan D im Jahr 2017 – und dies muss man neidlos anerkennen – mit einem exzellenten Marketingkonzept und einer griffigen Sales Story flankiert. Mit dem Tarif Plan D „Die 9“ wurden die Denker angesprochen, während die Tarife Plan D „Die 12“ bzw. „Die 15“ an die Kümmerer und Anpacker adressiert wurden. Die Zahl im Namen der jeweiligen Tarifstufe benennt dabei die Anzahl der versicherten Grundfähigkeiten. Bei genauer Betrachtung des Tarifs fällt allerdings auf, dass mit dem Tarif Plan D „Die 9“ mitnichten neun Grundfähigkeiten, sondern vielmehr sieben Grundfähigkeiten und zwei Organfunktionen abgesichert werden. Diese auf die Zielgruppe der „Denker“ fokussierende Versicherungslösung beinhaltet ferner keine Absicherung der Alltagsgrundfähigkeiten Gehen, Treppensteigen, Gebrauch der Arme und Hände, Knien und Bücken. Allerdings wird auch ein Denker auf dem Weg zu und an seinem Arbeitsplatz gehen und vielleicht auch einige Treppen hinauf- oder hinabsteigen, eine Türe öffnen oder einen zu Boden gefallenen Gegenstand wieder aufheben müssen.

Selbstverständlich kann ein Tarifangebot, und dies ist dem Grunde nach auch nicht zu beanstanden, zugunsten des laufenden Beitrags sehr schlank ausgestaltet werden. Allerdings sollte der Versicherungsmakler die versicherten und noch vielmehr die nicht versicherten Grundfähigkeiten in seinem Beratungsprotokoll dokumentieren. Eventuelle Nachlässigkeiten bei der Dokumentation können im Versicherungsfall – und wir wollen es einmal euphemistisch ausdrücken – zu einem erheblichen Erklärungsbedarf führen.

In der vergleichenden Marktbetrachtung finden sich beispielsweise mit dem Tarif ExistenzPlan der Bayerischen oder auch dem Tarif Vitalschutz der Swiss Life gleichermaßen hierarchische Tarifsysteme, die allerdings bereits in der untersten Tarifstufe einen sehr umfassenden Versicherungsschutz bieten. Natürlich hat ein qualifizierter Versicherungsschutz seinen Preis und selbstverständlich sollte der Versicherungsmakler für seinen Kunden eine gleichermaßen bedarfsgerechte und preiswerte Versicherungslösung finden. Allerdings beinhaltet das Wort Versicherung auch den Begriff „sicher“ und das Adjektiv „preiswert“ umfasst neben dem „Preis“ von Produkten und Dienstleistungen auch deren „Wert“. Sofern der Kunde seinen Versicherungsschutz ausnahmslos an einer Kostenbetrachtung festmacht, sollte der Versicherungsmakler diese Kundenentscheidung ebenfalls in sein Beratungsprotokoll aufnehmen.

Erstes Update im Oktober 2019

Das aufgezeigte Beispiel der hierarchischen Tarifgliederung ist nur eines von vielen Kriterien, die im Rahmen der Tarifstudie Grundfähigkeitenversicherung von AssekuranZoom untersucht wurden. Mit der Frage nach unterschiedlichen Grundfähigkeitenkatalogen, verlängerten und transparenten Leistungsvoraussetzungen, der Möglichkeit einer Ergänzung des Versicherungsschutzes mit Zusatzoptionen und -tarifen, aber auch unter Berücksichtigung von Nachversicherungsoptionen, der Möglichkeit eines Wechsels aus der Grundfähigkeiten- in eine Berufsunfähigkeitsversicherung ohne erneute Gesundheitsprüfung und vielen weiteren Tarifmerkmalen wurde ein umfassender Kriterienkatalog definiert.

Bei jeder Studie ist allerdings zu beachten, dass die dargestellten Ergebnisse nur eine Momentaufnahme in einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess abbilden können. Die Tarifstudie Grundfähigkeitenversicherung berücksichtigt die Versicherungsbedingungen der geprüften Tarife mit Stand 20.04.2019. Zwischenzeitlich hat die Stuttgarter Lebensversicherung ihre neue Grundfähigkeitenversicherung vorgestellt und die Allianz Lebensversicherung wie auch die Canada Life haben bei ihren Tarifen nachgebessert. Diese und gegebenenfalls weitere Veränderungen in der Tariflandschaft wird AssekuranZoom mit dem ersten Update zur Tarifstudie Grundfähigkeitenversicherung Anfang Oktober 2019 erfassen.

Bild: © beermedia – stock.media.com

 
Ein Artikel von
Alexander Schrehardt