„Es bleibt kompliziert“ – so schreibt es Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa beim US-Vermögensverwalter BlackRock, in seinem Kommentar zum Aktienmarkt 2023. Der Start im Januar verlief bekanntlich sehr positiv. Der MSCI World hat seit Jahresbeginn um 5% zugelegt, der DAX sogar um 8% und noch dazu machen die sinkenden Inflationsraten Hoffnung auf Unterstützung von den Zentralbanken.
In über 70% der Fälle habe es nach einem positiven Januar in den letzten 50 Jahren auch eine erfreuliche Gesamtjahresperformance gegeben, so Lück. Aber auch wenn 2023 definitiv besser als 2022 verlaufen dürfte – zu früh freuen sollte man sich nicht.
Warten auf die Rezession
Vielerorts wird aktuell eine Rezession erwartet, die aber noch nicht eingetreten ist. Laut Lück lasse sich dies darin begründen, dass geldpolitische Straffung, also Zinsanhebungen oder Liquiditätsverknappung, üblicherweise ihre Wirkungen in der Realwirtschaft nicht sofort zeigen. Somit sei es nicht verwunderlich, dass es noch etwas dauere, bis die in den USA im März und im Euroraum im Juli 2022 begonnenen Straffungsschritte messbare Bremsspuren hinterlassen, so Lück.
Es gibt jedoch einige Sektoren in der Volkswirtschaft, in denen sich z. B. Zinsanhebungen sofort auswirken, etwa am Immobilienmarkt. Genau dort habe man auch schnell einen Rückgang von Bautätigkeit und Immobilienumsatz in den USA gesehen, auch der Preisanstieg für Wohnungen und Häuser in deutschen Großstädten sei gedämpft worden. Im Dezember dann habe es auf dem Gebiet aber Entspannung gegeben und insbesondere der Häusermarkt in den USA habe eine schnelle Erholung signalisiert, was ein wichtiges Zeichen für eine ausbleibende oder zumindest abgeschwächte Rezession sei, sagt Lück.
Vorsicht beim Inflationsrückgang
Trotz der "Januarrallye" und der Hoffnung auf den Rezessionsausfall sollten Anleger dem BlackRock-Strategen zufolge beim Thema Inflation allerdings vorsichtig sein. An vielerlei Stelle erwarte man ein „Umschalten in den Unterstützungsmodus“ vonseiten der Zentralbanken, wenn die Inflation wieder im Griff ist. Zurzeit preise der Markt für die zweite Jahreshälfte rund 50 Basispunkte an Zinssenkungen seitens der Fed ein. Doch nur, weil in der Vergangenheit bereits kurz nach dem letzten Zinsschritt die nächste Lockerung eingeleitet wurde, solle man sich nicht in Sicherheit wiegen und davon ausgehen, dass es heute so weitergehen werde.
Längerfristig erwartete strukturelle Inflationstreiber wie Arbeitskräftemangel, grüne Transformation und Abschwächung des globalen Handels könnten sich nach einem starken, von Basiseffekten unterstützten Inflationsrückgang schneller auswirken als gedacht. Dadurch könne es sein, dass die Notenbanken in der Erwartung einer mittelfristig stärkeren Preisdynamik nicht bereit sind, die Zinsen schon bald wieder unter das neutrale Niveau zu senken. Lücks Ansicht nach deute die Kommunikation von Fed und EZB aktuell darauf hin.
Zusätzliche Unsicherheit durch Geopolitik
Doch Rezession, Inflation und die fragliche Unterstützungsbereitschaft der Zentralbanken sind nicht die einzigen Fragen, die am Aktienmarkt für Unsicherheit sorgen. Auch die Geopolitik erschwert den Blick in die Zukunft. Die Neuorientierung der Corona-Politik in Ostasien könnte zu einem stärkeren wirtschaftlichen Neustart in der Region und der Welt führen, gleichzeitig aber könnten sich Auseinandersetzungen mit dem Westen um Handels- und sonstige Politik verschärfen. Der Krieg in der Ukraine ist ein weiterer, schrecklicher Unsicherheitsfaktor. Ob all dieser schwierig einzuschätzenden Komponenten, die sich allesamt auf den Markt auswirken können, sollten Anleger Lück zufolge den erfreulichen Januar nicht allzu sehr als Maßstab nehmen und stattdessen die Lage mit Vorsicht genießen. (mki)
Bild: © MichaelVi – stock.adobe.com
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