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20. April 2024
Warum Versicherer flexibler werden müssen – und wie sie dies schaffen können

Warum Versicherer flexibler werden müssen – und wie sie dies schaffen können

Hohe Zinsen sorgen für attraktive Bankprodukte, zugleich ist der Kapitalmarkt so zugänglich wie nie. Wie können die Versicherer hier konkurrenzfähig bleiben? Christian Eck leitet die Zusammenarbeit mit Versicherern bei BNP Paribas und erläutert, was diese im aktuellen Umfeld leisten müssen.

Interview mit Christian Eck, Leiter Versicherungen – Aktien und Cross-Asset-Lösungen bei BNP Paribas S.A., Niederlassung Deutschland
Herr Eck, Sie sind bei BNP Paribas für das Geschäft mit deutschen Versicherern verantwortlich. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage für Lebensversicherer ein?

Es gibt Druck von verschiedenen Seiten, das Geschäftsmodell der Lebensversicherer zu hinterfragen und zu justieren. Ein Kernthema ist die Zinswende, die vor allem das Geschäft mit Einmalbeiträgen hart getroffen hat. Da kommt der Vertriebsmotor schon mal ins Stottern. Ich glaube, dass die Versicherer insgesamt ihre Reaktionsfähigkeit auf Marktveränderungen und verändertes Nachfrageverhalten erhöhen müssen. Und das passt natürlich nicht so recht zum traditionell langfristigen Fokus der Lebensversicherung.

Nach der langen Niedrigzinsphase folgte ein „Zinshammer“ mit zehn Zinserhöhungen in Folge durch die Europäische Zentralbank. Was bedeutet solch eine Zinswende für die Lebensversicherer?

Während der Niedrigzinsphase hatten Versicherer gegenüber Bankenprodukten einen kompetitiven Vorteil, da sie in der Eigenanlage von hochrentierlichen Altbeständen im Anleihebereich profitierten. Durch den rasanten Anstieg der Zinsen sind derzeit einfache Bankprodukte wieder attraktiver als Versicherungslösungen. Darauf können die Versicherer nicht schnell genug reagieren. Auch wenn die Deklarationen bereits angezogen haben und eine Anpassung des Rechnungszinses absehbar ist, fehlen aktuell einige Argumente für einen Versicherungsabschluss.

Langfristig ist die Zinswende aber auch für die Versicherer gut – schließlich haben sich alle wieder höhere Zinsen erhofft – nur nicht so schnell, wie es dann geschehen ist. Das nebenbei entstehende Problem der stillen Lasten ist sicher bilanziell nicht so dramatisch, aber es zeigt, dass die langen Zyklen der Kapitalanlage der Versicherer einige Herausforderungen mit sich bringen.

Und wie sieht es fortlaufend mit der Zinsentwicklung aus? Wie geht es hier für die Versicherungsgesellschaften weiter?

Der Umbau der Sicherungsvermögen braucht Zeit, aber auf der Produktseite zeigt sich, dass Garantien – auch 100%-ige Kapitalgarantien in Riester-Produkten – wieder darstellbar werden. Damit können die Unternehmen auch ihre Unique Selling Proposition (USP) der Garantien wieder besser ausspielen und sich im Markt von den Bank- und Investmentprodukten differenzieren.

Offen ist, ob die Zinsentwicklung ihren Höhepunkt bereits erreicht hat bzw. wie lange das Zinsniveau auf dem aktuellen Level bleibt. Davon hängt ab, ob auch die Deklarationen weiter steigen und damit auch längerfristige Produkte wieder attraktiv werden.

Sie mahnen gerne an, dass Versicherer „flexibler werden müssen“. Was heißt das und woran liegt das?

Die Versicherer stehen im direkten Wettbewerb mit Banken und Asset-Managern, die mit ihren Produkten deutlich schneller auf Marktanforderungen reagieren können. Diese Lücke müssen die Unternehmen schließen. Das betrifft im Übrigen nicht nur die Renditefrage, sondern auch die Umsetzungsgeschwindigkeit von Nachhaltigkeitsaspekten in der Kapitalanlage – ein Deckungsstock kann nur sehr langfristig umgebaut werden. Wenn man aber die Nachfrage nach höheren Zinsen oder ESG-konformen Anlagen bedienen will, müssen auch die Versicherer Kapitalmarktkomponenten nutzen, die sie schnell in ihre Produkte integrieren können.

Es gibt noch ein weiteres relevantes Thema in diesem Zusammenhang: Die Versicherer sind tendenziell schwach in der systematischen Bearbeitung von Abläufen und dem Angebot von Wiederanlageprodukten, um Kunden auch für die Verrentungsphase zu halten. Auch hierfür braucht es flexible, an aktuelle Marktgegebenheiten angepasste Produkte, und die müssen zugleich auch dem Vertrieb schmecken – leicht verständlich, mit klarem Kundennutzen und idealerweise kampagnenfähig.

Was können die Versicherer hier denn Ihrer Meinung nach tun, speziell bei Lebensversicherungen? Ist es schlichtweg eine Frage des Produktangebots?

Ein wettbewerbsfähiges Produkt – also mit Rendite auf Marktniveau und idealerweise Garantien als USP – ist nur eine Seite der Medaille. Gleichzeitig kommt es aber auch auf die Vertriebsfähigkeit an. Zielgruppengerechte Konzepte, die in klar definierten (zeitlichen) Tranchen angeboten werden können, erlauben eine bessere Vertriebssteuerung und reduzieren gleichzeitig Risiken.

Mit dem Fokus auf den Kundenbedarf beschäftigen sich die Versicherer zudem auch mit neuen Kombinationen von Teilgarantien und Renditechancen, die über Kapitalmarktbausteine abgedeckt werden. Das ist unser Spezialgebiet, in dem wir über viele Jahre Know-how und Umsetzungskapazität aufgebaut haben. Um schnell genug zu agieren, braucht es ein eingespieltes Team, das alle Aufgaben aus einer Hand umsetzen kann.

Inwiefern spielt Nachhaltigkeit bei dieser Problematik eine Rolle – oder wird sie spielen?

Die regulatorischen Anforderungen nehmen massiv zu. Ab dem Berichtsjahr 2024 müssen Versicherer nach CSRD und ESRS über ihre Kapitalanlagen Auskunft geben. Zugleich wächst die Sensibilität für Greenwashing sowohl bei den Nachfragern als auch bei den Anbietern. Zwar ist kundenseitig das Interesse an nachhaltigen Produkten aktuell noch eher gering, aber das entbindet die Versicherer nicht davon, die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Dafür braucht es auch Produktkonzepte, die eine zügige Unterlegung mit nachhaltigen Anlagen ermöglichen. Und damit sind wir schon wieder bei den Kapitalmarktkomponenten als Lösung.

Wie viel Spielraum haben die Versicherer denn überhaupt – Stichwort Regulatorik?

Die Regeln bzw. Kriterien für die ESG-Qualifizierung werden zunehmend klarer, aber auch komplexer. Damit sinkt zwar das Risiko von „Fehlgriffen“ bei der Berichterstattung bzw. ESG-Deklaration, dafür steigt das Risiko, dass ältere Produkte mit neuen Maßstäben gemessen werden und es dann zu Problemen kommt.

Passen sich einige Versicherer denn schon an, bspw. im Fondspolicengeschäft oder auch woanders? Wie schätzen Sie die Lage ein?

Ja, einige Versicherer setzen Kombiprodukte bereits um, meist mit Indexlösungen oder Garantiefonds. Mit zeitlich oder volumenmäßig befristeten Tranchenlösungen, die speziell auf die aktuelle Marktsituation zugeschnitten und mit einem klaren Vertriebskonzept ausgestattet sind, haben sich viele noch nicht beschäftigt. Das Interesse daran ist aber da. Solche Lösungen entstehen aber sehr individuell und im beratenden Dialog.

Wie positioniert sich denn Ihr Unternehmen, BNP Paribas, dazu?

Wir haben in diesem Segment einen langen Track Record und mit unserem Team eine eigene Kompetenz aufgebaut. Damit können wir alle notwendigen Leistungen aus einer Hand anbieten: die Konzeptionsleistung, Garantiekomponenten auf Basis der Bilanz einer Großbank und das laufende Management der unterliegenden Kapitalanlagen.

Können Berater bei dem Thema eine Rolle mitspielen? Diese sind ja stark abhängig von den Produkten, die die Gesellschaften liefern.

Tranchenprodukte sollen zum Kundenbedarf passen. Deshalb ist der Input der Berater wichtig, weil sie regelmäßig mit den Kunden sprechen. Und auch in der organisatorischen Umsetzung kommt es darauf an, dass die Lösungen ins vertriebliche Konzept passen. Schließlich sind unsere Angebote auch noch differenzierend, das heißt, die involvierten Berater können exklusive Konzepte anbieten, die es sonst am Markt nicht gibt. Das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um die eingangs beschriebene Wettbewerbs­fähigkeit zu sichern.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 04/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Christian Eck, BNP Paribas S.A bzw. Nuthawut – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Christian Eck

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wilfried Stras… am 22. April 2024 - 11:37

Aktuell erzielt niemand vernünftige Realrenditen. Zukunftsvorsorge-lebenslange adäquate Renten sind auch bei bester Beratung nicht möglich. Abgesehen von der Haftung, wer erklärt schon die Renditearmut seit mindestens 15 Jahren, auch wegen Garantien, ist ohne Umsetzung unserer Jahrhundertinnovation seriös, risikolose, Haftungssichere  Versorgung nicht darstellbar. Beispiele 

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Gespeichert von Wilfried Stras… am 22. April 2024 - 11:44