Das Szenario „Wenn die Patientenakte zur Falle wird“ wurde bereits in einem vorangegangenen Artikel aufgezeigt. Nunmehr gilt es zu verdeutlichen, dass es explizit einen Anspruch auf Herausgabe der Patientenakte gibt. Dieses ist vielen Versicherungsvermittlern sowie deren Kunden nicht bewusst.
Gefahr der Obliegenheitsverletzung
Stellt der Versicherungsnehmer bei seinem Versicherer einen Antrag auf Leistungen aus einem Berufsunfähigkeits-Versicherungsvertrag (mehr zur bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit hier) steht dem Versicherer das Recht zu, eine eventuelle vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung zu überprüfen. Er bekommt Einsicht in die Patientenakte, sofern der Versicherungsnehmer seine Einwilligung dazu erteilt. Zwar ist der Versicherungsnehmer nicht gezwungen seine Einwilligung zu erteilen. Er kann genauso gut selbst die Arztanfragen erfüllen und an den Versicherer weiterleiten. Verweigert der Versicherungsnehmer jedoch gänzlich die Weitergabe der Unterlagen – z.B. die Patientenakte – so kommt der Versicherungsnehmer seinen vertraglichen Obliegenheiten nicht nach, mit der Folge, dass die Vertragsleistungen des Versicherers nicht fällig werden.
Vielfach sind Fälle bekannt, in denen Ärzte die Herausgabe der Patientenakte verweigern oder auch gar nicht auf Anfragen reagieren. Zum Teil geschieht dieses mit der Begründung „Arbeitsüberlastung“, teilweise auch aus Datenschutzgründen. Auch sind bereits Fälle bekannt, in welchen der Arzt die Herausgabe kategorisch verweigert.
Herausgabeanspruch ist eindeutig geregelt
Dass es keinen Anspruch des Patienten auf Herausgabe seiner Akten gibt, ist ein Trugschluss. Der Heraushabeanspruch ist eindeutig geregelt, nämlich in § 630g BGB „Einsichtnahme in die Patientenakte“. Dort heit es:
(1) Dem Patienten ist auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Die Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen. […].
(2) Der Patient kann auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Er hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.
Verweigerung der Herausgabe der Patientenakte nicht zulässig
Der Gesetzgeber hat in dem Kapitel des Bürgerlichen Gesetzbuches „Behandlungsvertrag“ den Anspruch des Patienten normiert und gesehen, dass selbstverständlich die erhobenen Daten des Arztes dem Patienten transparent offenbart werden müssen. Zwar hat der Patient dem Arzt die für die Herausgabe entstandenen Kosten zu ersetzen. Eine Herausgabeverweigerung lässt sich damit jedoch mit Nichten begründen. Selbst eine Herausgabeverweigerung aus „therapeutischen Gründen“ überzeugt nicht, denn eine Herausgabe kann selbstverständlich an einen gesetzlichen Vertreter, bzw. an einen Rechtsanwalt, erfolgen.
So hat das Amtsgericht München jüngst in seinem Urteil (Urteil vom 06.03.2015, Az.: 243 C 18009/14 – mehr zu diesem Urteil hier) darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Herausgabe der Patientenunterlagen in Kopie nur dann erfüllt ist, wenn der Arzt sämtliche Unterlagen in lesbarer Kopie zur Verfügung stellt. Dieses natürlich gegen Kostenerstattung. Selbst ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen wegen einer noch offenen Behandlungsrechnung bestehe nicht. Dieses Urteil überrascht im Grunde nicht. Festzuhalten ist, dass der Anspruch des Patienten besteht und somit auch durchgesetzt werden kann. Wehrt sich der Arzt, kann der Patient entsprechend seine Rechte geltend machen und die Unterlagen herausverlangen.
Was bedeutet dieses für Versicherungsnehmer?
Versicherungsnehmer sollten stets darauf achten, dass in deren Patientenakten nur Behandlungen aufgeführt werden, die tatsächlich auch durchgeführt wurden. Auch kann der Versicherungsnehmer den Arzt direkt ansprechen und fragen, warum eine Diagnose in der Patientenakte steht, diese dem Patienten jedoch nicht mitgeteilt wurde. Dieses führt nicht nur zu einer transparenten Behandlung, sondern auch im Versicherungsfall dazu, dass der Versicherungsnehmer keine „Überraschungen“ mit und in seiner Patientenakte erlebt.
Gelegentliche Kontrolle der Krankenakte schadet nicht
Bei der Verwirklichung von biometrischen Risiken werden stets die Behandlungsunterlagen von dem jeweiligen Versicherer überprüft. Dann können diese Eintragungen jedoch kaum noch korrigiert werden und sind – bei dem Vorwurf Arglist – juristisch nur schwer zu entkräften. Natürlich wäre es relativ praxisfern und unüblich nach jeder Behandlung sich die Patientenakte übergeben zu lassen. Jedoch schadet eine gelegentliche Kontrolle nicht und beugt den geschilderten Problemen vor.
Was bedeutet dieses für Versicherungsvermittler?
Versicherungsvermittler sollten – aufgrund der steigenden Verwirklichung biometrischer Risiken – Kunden stets auch über Absicherungsmöglichkeiten derartiger Risiken beraten. Sollten die Kunden keine Absicherung biometrischer Risiken wünschen, so sollte dieses auf jeden Fall dokumentiert werden, respektive im Maklervertrag ausgeschlossen sein. Sollte eine Absicherung gewünscht und von dem Versicherungsvermittler umgesetzt werden, so empfiehlt es sich über die „Falle: Patientenakte“ zu sprechen und den Versicherungsnehmer für diese Problematik zu sensibilisieren, so dass dieser mit seinem Arzt in den weiteren Versicherungsjahren auch über die Patientenakte sprechen kann. Da derartige Probleme sich leider in den BU-Prozessen mehren, könnte an dieser Stelle bereits ein prophylaktisches Erwähnen in der Vermittlerberatung für den Kunden im Ernstfall äußerst hilfreich sein.
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