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12. Juli 2017
Ein Altersvorsorgeprodukt für alle EU-Bürger – Lob und Kritik

Ein Altersvorsorgeprodukt für alle EU-Bürger – Lob und Kritik

Von rund 240 Millionen EU-Bürgern zwischen 25 und 59 Jahren haben nach Angaben von EIOPA bisher rund 27% eine private Altersvorsorge. Das ist zu wenig, um die Rentenlücke rund um die demografische Entwicklung in Europa zu füllen. Ein länderübergreifendes, standardisiertes Altersvorsorgeprodukt soll das ändern. Die EU-Kommission hat dazu vor wenigen Tagen einen Vorschlag vorgelegt, der Lob und Kritik gleichermaßen nach sich zieht.

Mit dem „paneuropäischen privaten Altersvorsorgeprodukt (Pan-European Personal Pension Product – PEPP)“ soll in Europa gleichermaßen die Rentenlücke der EU-Bürger geschlossen und ein weiterer Schritt in Richtung Kapitalmarktunion gemacht werden. Seit wenigen Tagen liegt nun der entsprechende Vorschlag der EU-Kommission vor, der auch auf dem Rat der europäischen Versicherungsaufsicht (EIOPA) basiert.

Demnach soll das standardisierte PEPP die nationalen Altersvorsorge-Angebote ergänzen. Entsprechende Produkte können europaweit von Banken, Versicherern, Pensionsfonds, Asset Managern und Investmentfirmen kreiert werden. Die Autorisierung erfolgt durch die EIOPA. Die Anbieter sollen das PEPP dann europaweit elektronisch vertreiben können. Dabei sollen auch für den digitalen Vertrieb strikte Beratungsregeln gelten. Das Augenmerk legt die EU-Kommission zudem auf Kosteneffizienz und Transparenz sowohl vor Abschluss als auch während des Vertragsverlaufs. Und bei einem Umzug innerhalb der EU zieht das PEPP mit um.

Keine Kapitalgarantien

Im Rahmen des PEPP können Altersvorsorgesparer aus fünf Anlageoptionen auswählen, eine davon muss eine risikoarme Variante sein. Vorrangig bleibt aber, dass es keine Kapitalgarantien gibt und die Sparer stärker von den Kapitalmärkten profitieren sollen. Ein Wechsel in eine andere Anlagestrategie ist innerhalb eines Fünfjahreszeitraums möglich, ebenso kann der Anbieter gewechselt werden. Verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten sind in dem Kommissionsvorschlag bei der Auszahlung vorgesehen, möglich seien Renten- oder Kapitalauszahlungen oder auch Mischmodelle.

„Frei von Kapitalgarantien – ein richtiger Schritt“

Der Vorschlag der EU-Kommission findet in Deutschland unterschiedlichen Widerhall. Der deutsche Fondsverband BVI bezeichnet das Konzept zur Europa-Rente als wegweisend. Dass vier der fünf Anlagemöglichkeiten von PEPP frei von Kapitalgarantien seien, sei ein richtiger Schritt. „PEPP ist die gesetzliche Anerkennung von Fonds zum Zweck der privaten Altersvorsorge,“ kommentiert Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des BVI. (Lesen Sie dazu auch: Fondsverband BVI begrüßt „wegweisendes Konzept“ der Europa-Rente) Sorgen bereitet dem BVI allerdings eine mögliche zu hohe Komplexität.

Zuspruch findet das Konzept auch beim Bund der Versicherten (BdV), wenn auch eher aus Gründen der geplanten transparenten und verständlichen Gestaltungsnormen für das Produkt. Einen Seitenhieb richtet der BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein an die Versicherer mit seiner Befürchtung, „dass die Versicherungswirtschaft durch unfaire Kalkulationen Kunden über den Tisch ziehen könnte.“ Deshalb hätte sich der BdV klare Regelungen zur Auszahlungsphase gewünscht. So gebe es für die Auszahlphase keine Vorgaben für Kostenbelastungen durch biometrische Risiken, wie sie sich etwa durch Sterblichkeitstabellen ausdrücken. Auch sei die Beteiligung an Risikogewinnen nicht geregelt.

„Ein paneuropäisches Sparprodukt“

Der GDV hat wiederum seine eigene Auffassung. Ihm fehlt beim PEPP vor allem das Merkmal einer Rente: die lebenslang sichere Auszahlung. „Mit dem Vorschlag für ein PEPP adressiert die Europäische Kommission zwar wichtige sozialpolitische Qualitätskriterien für die Alterssicherung. An die meisten müssen sich die Anbieter aber gar nicht halten. Im Grunde hat sie damit lediglich ein paneuropäisches Sparprodukt vorgeschlagen“, so Peter Schwark, Mitglied der Geschäftsführung des GDV, zu dem Entwurf. Und weiter: „Echte Rentenprodukte zeichnen sich aber dadurch aus, dass sie dieselben typischen Risiken wie gesetzliche Rentensysteme absichern. Insbesondere müssen Leistungen im Alter grundsätzlich lebenslang gewährt werden. Sonst ist vorprogrammiert, dass das angesparte Geld im Alter häufig vorzeitig aufgebraucht ist und die Menschen systematisch dem Risiko der Altersarmut ausgesetzt werden.“

„EU-weite Altersvorsorgeprodukte sind überflüssig“

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) bezweifelt grundsätzlich die Notwendigkeit einer Europa-Rente. „Wir bezweifeln, dass die standardisierten PEPP attraktiver für die Bürger sind, als bereits bestehende Angebote über Riester, Rürup und private Renten- sowie Lebensversicherungen“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz. Standardisierte Produkte seien zudem ein Rückschritt im Hinblick auf die einstige Deregulierung – außerdem sei keine Beratung vorgesehen. „Damit werden gleich zwei Sünden begangen: Rückfall zu überflüssiger Regulierung und mangelhafter Verbraucherschutz durch fehlende Beratung“, so Heinz.

Bis das PEPP auf den Markt kommt, dürfte es aber sowieso noch dauern. Zunächst muss der Vorschlag durch den Gesetzgebungsweg auf EU-Ebene, bevor sich Produktgeber überhaupt an das Produktdesign machen können. (bh)