Herr Kinadeter, welche Bedeutung hat Beratungssoftware am Markt – auch im Unterschied zu Maklerverwaltungsprogrammen (MVP) oder Vergleichsrechnern?
Beratungssoftware gewinnt aus unterschiedlichsten Gründen an Bedeutung. Zu nennen sind gestiegene Beratungspflichten und Haftungsrisiken ebenso wie immer komplexere Beratungslösungen und Produkte. Aber auch wirtschaftlich betrachtet ergeben umfassende Beratungsgespräche für den Anwender zunehmend Sinn. Denn sinkende Vergütungen in Einzelsparten können durch breiter ausgelegte Kundenverbindungen ausgeglichen werden. Einzelvertragskunden zu betreuen, ist im Vergleich dazu dauerhaft aufwendiger, kostenintensiver und wettbewerbsanfälliger.
Doch wenngleich die Vorteile für einen Einsatz von Beratungssoftware sprechen, setzen Anwender oft noch andere Schwerpunkte. Im Ranking des Interesses liegen die von Ihnen angesprochenen MVP an der Spitze des Interesses von Softwareprodukten. Gefolgt von Vergleichsrechnern und Tarifierungssoftware. Bei den Beratungssoftwareprodukten bestimmt der Softwaretyp über die Einsatzhäufigkeit. Verkaufstools werden beispielsweise häufiger genutzt als komplexere Beratungsprogramme.
Welche Ziele verfolgen Nutzer denn dann mit dem Einsatz solcher Tools?
Diese Frage ist zweigeteilt zu beantworten. Unternehmen geht es bei dem Einsatz, neben dem aktuellen Geschäft, um die Sicherung von Beratungsqualität, um Prozesse und Datengenerierung. Ziel ist es, diese Daten auszuwerten und für Marketingzwecke Produkt- und Serviceentwicklungen nutzbar zu machen. Für den Anwender geht es primär um die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben – etwa IDD-Konformität – zur Haftungsreduzierung und allem voran natürlich um ein Geschäftsergebnis. Denn umfassende Kundenberatungen sind zeitintensiv und wollen bezahlt werden.
Werden die Ziele Ihrer Einschätzung nach erreicht oder wo liegen Unwägbarkeiten?
Der Einsatzerfolg von Beratungssoftware aus Unternehmenssicht hängt davon ab, wie überzeugend und nachhaltig eine Beratungssoftware im Vertrieb eingeführt wird. Eine „Verordnung“ von Softwareeinsatz funktioniert erfahrungsgemäß nur mit bescheidenem Erfolg. Schließlich hängt alles vom Anwender ab. Durch die Bereitstellung eines Rennboliden allein wird nicht gleich jeder Führerscheinbesitzer zu einem erfolgreichen Formel-1-Piloten. Es bedarf guter Vorbereitung, Überzeugungsarbeit, Anwenderschulungen und Training. Und auch dem Auswahlprozess wird oftmals weit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, sodass häufig zusammenkommt, was möglicherweise nicht zusammengehört. Nämlich ein bestimmtes Beratungsprodukt und das betreffende Unternehmen.
Was hat Ihre Studie denn ergeben? Wo finden sich die größten Unterschiede bei den Angeboten?
Der Markt an Beratungssoftware ist vielseitig. Es war unser Ziel, diese Vielfalt aufzuzeigen. Denn Anwender sollten genau wissen, wonach sie suchen. Sie können am Markt aus modular aufgebauten Produkten wählen und nur kaufen, was sie brauchen. Oder spezialisierte Softwareprodukte nutzen, die sich einem bestimmten Bereich oder einer Kundenzielgruppe widmen, sei es Financial Planning, die kommende DIN-Norm 77230 oder andere Beratungsschwerpunkte. Daneben gibt es „All-in-One-Lösungen" die Anwendern breite Anwendungsmöglichkeiten aus einer Hand bieten.
Manche Produkte sind on- und offline nutzbar, mit und ohne Apps verfügbar und andere wiederum nicht. Außerdem gibt es Einzelanwender- und Unternehmenslösungen. Alle diese Kategorien wurden erfasst. Doch auch inhaltlich zeigten die Produkte Unterschiede in den aktuellen Versionen. So erfüllten beispielsweise fünf bis sechs von 13 Beratungsprodukten eine IDD-konforme Geeignetheits- und Angemessenheitsprüfung noch nicht oder nur teilweise. Auch in Sachen Vertriebsorientierung gibt es noch Luft nach oben. Ganz so als schiene es anrüchig, aus einer Kundenberatung erkennbar auch ein Geschäft machen zu wollen. Mit der Selbstverständlichkeit des Geschäftsabschlusses konnte keine Software aufwarten. Aber mit unterschiedlichem Umfang an unterstützenden Inhalten und Funktionen.
Wo sind die größten Herausforderungen für die Softwarehäuser?
Die größte Herausforderung liegt wohl in der Umsetzung immer umfangreicherer gesetzlicher Vorgaben und Änderungen in immer kürzerer Zeit. Deshalb kostet Beratungssoftware Geld und sie ist bei richtigem Einsatz jeden Cent wert. Allerdings scheuen gerade Einzelanwender erforderliche Investitionen. Lieber nutzen sie kostenlos bereitgestellte Softwaretools von Pools oder Vertrieben bzw. frei verfügbare Rechner im Internet. Zahlende Anwender sind für Anbieter daher ein kostbares Gut, welche es erst einmal zu gewinnen und dann zu halten gilt.
Die DIN-Norm 77230 haben Sie schon genannt. Welche Rolle wird diese in dem Zusammenhang spielen?
Die DIN-Norm 77230 spielt sichtbar eine zunehmende Rolle. Immerhin berücksichtigten laut Studienergebnissen bereits 46% der teilnehmenden Produkte die DIN-Norm ganz und 31% teilweise. Aktuell wissen wir von zwei weiteren teilnehmenden Unternehmen, dass dort eine DIN-Zertifizierung kurz bevorsteht oder angestrebt wird. Die DIN-Norm 77230 wird neben ihrem eigentlichen Ziel – dem Verbrauchernutzen – für die Softwareanbieter und Anwender zu einem Marketinginstrument. Welchen Nutzen Endverbraucher am Ende davon haben werden, das entscheidet nach wie vor die auf die Bedarfsermittlung folgende Beratung. Und gerade dabei können Beratungssoftwareprodukte Anwender vielseitig und haftungssicherer in Gesprächen unterstützen.
Hinweis zur Studie
An der „VSP-Marktstudie Beratungssoftware 2018“ haben elf Anbieter von Beratungssoftware teilgenommen, das sind rund 50% des ausgemachten Marktes. Die Studie ist in einer kostenfreien Silbervariante als Basisauswertung sowie in zwei kostenpflichtigen Varianten (Gold und Platin) erhältlich. Weitere Informationen finden sich hier.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können