Herr Tzschöckel, in den vergangenen Monaten hat man immer wieder gelesen, dass Baufinanzierung für bestimmte Gruppen wie zum Beispiel Senioren nur noch schwer möglich ist. Ist das tatsächlich so?
Zum Zeitpunkt der Einführung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie, kurz WIKR, im Frühjahr 2016 hatten es Senioren bei einigen Bankengruppen tatsächlich schwer, eine Finanzierung zu erhalten.
Warum?
Die Banken standen zu diesem Zeitpunkt wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrungen stark unter Druck. Es herrschte daher eine große Verunsicherung. Mögliche Fehler bei der Kreditvergabe wollten sie dringend vermeiden. Genau in diese Phase hinein kam eine neue EU-Richtlinie, die relativ spät in deutsches Recht umgesetzt wurde. Den darin vorhandenen Spielraum, legten einige Banken wahnsinnig eng aus. Die Presse hat das dankbar aufgenommen und mit Einzelfällen den Eindruck erweckt, dass Immobilien für Rentner nicht mehr finanzierbar wären. Das war aber nicht so. Es war etwas schwerer, aber nicht unmöglich. Zum Teil wurde die WIKR auch nur vorgeschoben, wenn man Kunden ohnehin nicht finanzieren wollte. Mittlerweile haben die Banken aber zwei Jahre Erfahrung mit der WIKR, sodass sich die Situation deutlich gebessert hat – zumal die Kriterien auch wieder gelockert wurden. Heute gibt es auch für Senioren wieder gute Finanzierungsmöglichkeiten.
Ist diesbezüglich also eine Rückkehr zur Normalität geschehen?
In gewisser Weise schon. Es ist nicht mehr ganz so wie vor 15 Jahren. Das ist aber auch nicht schlecht, denn natürlich müssen sich auch Senioren ihre Raten sicher leisten können. Eine solide Finanzierung ist schließlich auch bei ihnen das A und O – und die hängt immer vom Einzelfall ab. Bei einem 70-Jährigen ist eine Vollfinanzierung über eine Laufzeit von 40 Jahren nur sehr schwer möglich. Wenn er aber genügend Eigenkapital mitbringt, die Tilgung hoch ist oder Kinder da sind, die das Haus und die Finanzierung später übernehmen werden, sieht das schon anders aus.
Wie berät man solche Kundengruppen?
Wenn der Kunde schon im Rentenalter ist, ist es relativ unkompliziert, da sein Einkommen klar ist. Er bekommt eine gesetzliche Rente und eventuell eine private Altersvorsorge, die berücksichtigt werden kann. Im Gespräch geht es vor allem darum, herauszufinden, was er mit der Immobilie machen will, ob er sie vollständig abbezahlen will und wie sich die Erbensituation darstellt. Komplizierter wird es, wenn der Kunde noch nicht im Rentenalter ist, sondern zum Beispiel Mitte 50. Sein Einkommen wird sich bei Renteneintritt verändern. Dann berücksichtigen Banken bereits zum Zeitpunkt der Kreditentscheidung die voraussichtliche Rentensituation und es müssen Rentennachweise erbracht und ein Rentenszenario entworfen werden. Aber auch da ist eine Finanzierung möglich.
Gibt es noch weitere Gruppen, die bei der Baufinanzierung besonderen Beratungsbedarf haben? Im Zuge der WIKR hieß es zum Beispiel auch, dass es junge Familien seither schwer haben …
Junge Familien haben eher das Problem des fehlenden oder sehr geringen Eigenkapitals. Sie bekommen nach wie vor sogar Vollfinanzierungen. Wichtig ist nur, dass man sie über die Risiken und Kosten einer solchen Finanzierung informiert. Die Nebenkosten des Erwerbs sollten sie idealerweise selber tragen können, sonst wird es teuer. Wenn möglich, sollten gerade solche Kunden Sondertilgungen nutzen.
Warum sind Sondertilgungen sinnvoll?
Da die Rate eines Annuitätendarlehens gleich bleibt, beschleunigt sich die Tilgung und der Kunde spart sofort Geld, denn sie reduzieren sofort die Restschuld und damit die Zinslast. Umso besser deshalb, je früher Sondertilgungen getätigt werden.
Ist das immer so leicht umsetzbar?
In der Praxis fällt es vielen schwer, dies umzusetzen. Eine Sondertilgung ist aus psychologischer Sicht nicht einfach. Bei Gesprächen zu Anschlussfinanzierungen frage ich immer, ob die Kunden ihre Sondertilgungsmöglichkeiten genutzt haben. Die meisten haben es nicht. Das hat unter anderem psychologische Gründe. Anders als bei der Anlage sieht man am Ende des Jahres nicht, welche Zinsen man für so eine Einzahlung bekommt. Man kann die Tilgung zudem nicht mehr zurückziehen. Eine Geldanlage kann man dagegen meist vorzeitig abziehen. Hinzu kommt, dass es viel schöner ist, für 5.000 Euro in den Urlaub zu fahren oder sich ein Auto zu finanzieren. Davon hat man etwas Konkretes. Das zusätzlich in eine Darlehenstilgung gesteckte Geld steht dagegen erst mal nur auf dem Papier.
Wie kann man dagegen etwas tun?
Feste Termine setzen. Wer konsequent Sondertilgungen für eine schnelle Entschuldung nutzen will, sollte sich feste Termine dafür setzen, nicht zu viel darüber nachdenken und es einfach machen.
Wie sinnvoll ist gerade für besondere Kundengruppen eine unabhängige Beratung?
Ich würde immer zu einem Makler gehen. Nur der Vergleich bringt den besten Preis. Es musst nicht immer der billigste Preis sein, aber er muss fair sein. In der Praxis ist der Vergleich bei der Baufinanzierung aber sehr aufwendig. Wenn man mal drei Banken durch hat, wird es schon anstrengend und zeitraubend. Alternativ sucht man sich jemanden, der das für einen übernimmt – wie eben einen Makler. Zudem ist nichts ein besseres Verhandlungsmittel als ein Angebot eines Wettbewerbers. Ohne ein solches ist der Verhandlungsspielraum sehr begrenzt. Mitunter sind aber auch 0,3 bis sogar 0,5% drin.
Im Gegensatz zu den Zinsen ist es um das Thema Wohn-Riester zuletzt etwas ruhiger geworden. Dennoch sind drei von vier neu abgeschlossenen Riester-Verträgen Wohn-Riester-Abschlüsse. Wie ist es in der Praxis für Hausbauer und Wohnungskäufer?
Die Produktlandschaft ist unterdurchschnittlich und unflexibel. Es gibt fast keine Angebote für Annuitätendarlehen. Die meisten Angebote sind Lösungen über Bausparprodukte. In Kombination mit diesen kann Wohn-Riester sinnvoll sein. Annuitätendarlehen sind jedoch einfacher und oft attraktiver. Wohn-Riester bedeutet letztlich zwar Entlastung in der Sparphase, aber auch Belastung in der Rentenphase. Ich würde daher eine andere Riester-Form bevorzugen, zum Beispiel in Kombination mit Investments in ETFs. Da hat man die Chance auf höhere Renditen – und kann daraus zudem jederzeit Sondertilgungen in das Darlehen leisten. Grundsätzlich ist es ratsam, sich mit den Fördermöglichkeiten des Staates auseinanderzusetzen.
Wie sinnvoll sind diesbezüglich die Förderungen der KfW?
Sehr sinnvoll. KfW-Förderung sollte jeder nutzen, so gut es geht – egal ob in Form von subventionierten Zinssätzen oder mit Zuschüssen. Gerade jüngere Familien mit wenig Eigenkapital, aber vernünftigen Einkommen profitieren von KfW-Förderungen, da die Förderbank keine Unterschiede hinsichtlich der Beleihung macht. Umso bedauerlicher ist es, dass die Förderung ab dem 17.04.2018 gekappt wird.
Wie sehen diese Veränderungen aus?
Zum einen fällt die Zinsbindungsfrist von 20 Jahren für das Programm „Energieeffizient Bauen“ komplett weg. Damit sind bei der KfW maximal zehn Jahre Zinssicherheit möglich. Für das Programm „Energieeffizient Sanieren“ gab es bisher schon kein 20-Jahres-Angebot. Zudem wird die bereitstellungszinsfreie Zeit für beide Programme von zwölf auf sechs Monate verkürzt. Ab dem siebten Monat nach Darlehenszusage berechnet die KfW für den noch nicht ausgezahlten Darlehensteil einen Bereitstellungszins von 0,25% – und zwar pro Monat, nicht pro Jahr. Bisher waren darüber hinaus kostenfreie Sondertilgungen für beide Programme möglich. Diese entfallen nun komplett. Darlehen können dann vorzeitig nur noch gegen Zahlung einer individuellen Vorfälligkeitsentschädigung getilgt werden. Gerade angesichts der erwähnten Vorteile von Sondertilgungen ist das ein absolut unverständlicher Schritt für eine Förderbank.
Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 04/2018, Seite 90 f.
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