Herr Professor Beck, Crowdfunding und Crowdinvesting boomen. Worin besteht eigentlich der Unterschied?
Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Grundsätzlich steht beim Crowdfunding eher die Unterstützung eines bestimmten Projekts im Vordergrund. Das Geld der Crowd soll vor allem helfen, dass ein Projekt zustande kommt, welches sonst nicht realisiert werden könnte. Beim Crowdfunding stehen für den Geldgeber finanzielle Überlegungen zumeist nicht im Vordergrund. Beim Crowdinvesting zielen die Investoren dagegen in der Regel auf eine Rendite ab, sprich darauf, Gewinn zu machen. Gleiches gilt für das Crowdlending, also die Beteiligung an Krediten über Plattformen wie auxmoney. Allerdings wird Crowdfunding auch oft als Oberbegriff für alle drei genannten Anlageformen genutzt. Zudem verlaufen die Grenzen zwischen Crowdfunding und Crowdinvesting fließend. Bei der Crowdfinanzierung des Stromberg-Films zum Beispiel waren die Geldgeber zwar nicht im klassischen Sinne wie Investoren an einem Unternehmen beteiligt, dennoch haben sie mit ihrem Engagement nicht nur dafür gesorgt, dass das Projekt zustande kam, sondern auch eine ordentliche Rendite erwirtschaftet.
Was sind die Vorteile des Crowdinvestings im Vergleich zu klassischen Finanzierungsformen wie Aktien, Beteiligungen oder Unternehmensanleihen?
Wer in Aktien investiert, beteiligt sich zumeist an etablierten Konzernen, die ihr größtes Wertsteigerungspotenzial oft schon hinter sich haben und zudem eher Arbeitsplätze abbauen als aufbauen. Beim Crowdinvesting beteiligt man sich hingegen überwiegend an ganz frischen Unternehmen, die noch große Wertsteigerungspotenziale haben und die neue Arbeitsplätze schaffen. Und weiter: Crowdinvestments haben einen doppelten Filter. Zum einen prüfen die Plattformen sehr genau, welche Geschäftsmodelle aussichtsreich sind. Gerade in Deutschland ist die Sorge der Plattformbetreiber wie Companisto oder Seedmatch groß, dass die von der Crowd finanzierten Unternehmen Pleite gehen und sie dafür in den Köpfen der Investoren verantwortlich gemacht werden – auch wenn sie eigentlich nur Vermittler sind. Der zweite Filter ist die Crowd selbst. Schließlich werden nur Projekte finanziert, die eine ausreichende Zahl an Investoren überzeugen. Schlechte Geschäftsmodelle und ungeeignete Teams werden so häufig schon vor der Finanzierung ausgesiebt.
Ist die Ausfallquote dadurch geringer als bei Start-ups im Allgemeinen?
RB Bisher gibt es dazu keine verlässlichen Daten. Momentan dürfte die Ausfallquote der rund 140 auf diese Weise finanzierten Unternehmen bei 4,5% liegen. Allerdings ist Crowdinvesting hierzulande erst 2011 entstanden und hat erst seit 2013 ein nennenswertes Volumen erreicht. Viele Unternehmen sind daher noch zu jung, um endgültig zu versagen. Die Ausfallquote wird mit Sicherheit noch steigen. Halbwegs verlässliche Daten dazu wird man wohl erst ab 2015 haben. Befürchtungen von Ausfallquoten in Höhe von 50% teile ich aber nicht. Ich glaube, dass sich aufgrund der angesprochenen Filtereffekte die Quote so bei 15 bis maximal 20% einpendeln wird – und damit in der Tat deutlich niedriger liegen wird als bei Start-ups im Allgemeinen. Zumal noch zwei weitere Punkte hinzukommen.
Welche?
Crowdinvestings und Crowdfundings profitieren oft von einem besonderen Marketingeffekt. Medien berichten immer wieder freiwillig über die spannenden Geschäftsideen – und sorgen so fürkostenlose Werbung für die Start-ups. Zudem profitieren die Unternehmen von dem Engagement der Crowd. Crowdinvestoren sind emotional viel enger mit den Firmen verbunden, als etwa bei Aktien. Sie setzen sich deshalb in der Regel aktiv für den Erfolg der finanzierten Projekte als Investoren ein, indem sie das eigene Umfeld dafür begeistern, zum Teil geben sie den Unternehmern sogar hilfreiche Tipps.
Dennoch gilt Crowdinvesting als riskant. Welches Chance/Risikoverhältnis hat es im Vergleich zu anderen Investmentformen?
Ich habe einmal gesagt, dass das Crowdinvesting vom Charakter her irgendwo zwischen Aktie und Lotto steht. Allerdings würde ich das Crowdinvesting näher an der Aktie sehen, da es den Investor am Erfolg von Unternehmen beteiligt, wie bei Aktien. Der Investor hofft beim Crowdinvesting – ähnlich wie beim Lotto – den einen großen Gewinn zu machen. Natürlich wird das beim Crowdinvesting dann aber bei weitem nicht die Dimension eines Lottohauptgewinnes erreichen. Das höhere Risiko im Vergleich zu Aktien beruht vor allem darauf, dass es sich in der Regel um Beteiligungen an Unternehmen handelt, die sich noch in einer ganz frühen Entwicklungsphase befinden.
Wo steht das deutsche Crowdinvesting im internationalen Vergleich?
Im internationalen Vergleich stehen wir überraschend weit vorne. Das liegt unter anderem daran, dass Crowdinvestments in den USA sehr strengen Regulierungen unterworfen sind, die es für normale Investoren nahezu unmöglich machen, sich in dieser Form an Unternehmen zu beteiligen. In Deutschland gibt es dagegen nur wenige Beschränkungen.
Banken beklagen genau das. Schließlich müssen sie selbst immer strengere Auflagen erfüllen, bei Crowdinvestments oder Crowdfunding bestehen dagegen kaum Beschränkungen. Eine berechtigte Kritik?
Dass sich die Banken beschweren kann ich nachvollziehen. Es wäre aber der falsche Weg, Crowdinvestments stärker zu regulieren. Hierzulande herrscht oft der Irrglaube, dass Anleger vor allem durch stärkere Regulierungen geschützt werden können. Das Ergebnis sind nicht selten rechtlich verordnete Prospekte, die viel zu lang sind, die kaum einer liest und die vor allem hohe Kosten verursachen. Ich glaube, dass man auch mit einem Weniger an gesetzlich verordneten Worten, die Chancen und Risiken eines Crowdinvestments gut darstellen kann, wie es auf den Crowdinvesting-Plattformen gängige Praxis ist.
Worauf sollten Crowdinvestoren vor allem achten?
Bei allen Chancen und Vorzügen sollte man sich des Risikos bewusst sein – und sein Geld über mehrere oder besser noch viele Projekte streuen. Gerade bei solch spannenden Geschäftsideen, wie sie beim Crowdinvesting oft zu finden sind, besteht die Gefahr sich in ein bestimmtes Projekt zu verlieben und zu viel auf nur eine Karte zu setzen. Wird das Geld aber in kleineren Portionen breit gestreut auf viele Investments verteilt, dann kann es längerfristig zu auskömmlichen und stabilen Renditen kommen. Aufgrund der insgesamt dennoch verbleibenden Risiken eignet sich das Crowdinvesting allerdings nicht, um seine Altersversorge darüber aufzubauen. Der Investor sollte darüber nur das Geld angelegen, das er wirklich übrig hat. Es ist zwar extrem unwahrscheinlich, dass man gleich bei mehreren Crowdinvestings gleichzeitig seinen Einsatz verliert, dennoch kann es auch dazu kommen, dass man in Summe mehr Geld verliert als gewinnt, die guten Projekte also die Verluste nicht auszugleichen in der Lage sind.
Herr Prof. Dr. Beck, vielen Dank für das Gespräch!

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