„Politik ist das lange und langsame Bohren dicker Bretter“. Dieser ganz unbürokratische Satz stammt vom Soziologen Max Weber, einem der bekanntesten Denker des 20. Jahrhunderts. Und dieser Satz trifft auch auf den europäischen Binnenmarkt zu. Bereits seit 1957 dürfen Arbeitnehmer in jedem EU-Mitgliedsstaat leben und arbeiten, ohne benachteiligt zu werden. Doch dass die Dienstleistungsfreiheit noch immer große Bremsspuren hinterlässt, merkt man meist erst bei der Probe aufs Exempel.
Bei der Kfz-Versicherung ist es ärgerlich, wenn Auswanderern in einem anderen EU-Land die Fahrpraxis nur deswegen nicht angerechnet wird, weil der deutsche Versicherer diese nicht bestätigt oder sie von der ausländischen Versicherung nicht anerkannt wird. So müssen die neuen Einwohner unberechtigt eine hohe Prämie zahlen. Oder umgekehrt: Ein Bulgare lässt sich beispielsweise in Deutschland nieder, in seiner Heimat fuhr er bereits mehrere Jahre unfallfrei. In Deutschland wird ihm diese Zeit allerdings nicht angerechnet, weil die bulgarische Versicherung keine Bestätigung schreibt. Oder weil der deutsche Versicherer diese nicht akzeptiert, da sie aus deutscher Sicht wichtige Daten nicht enthält.
Anfang vom Ende des Flickenteppichs
Damit soll es nun ein Ende haben und die verbraucherfreundliche Initiative dazu kommt aus der Mitte der Versicherungsbranche. Die Interessenvertretung der Versicherer in Europa, Insurance Europe, ruft ihre Mitglieder dazu auf, die grenzüberschreitende Übertragung der Schadenfreiheitsklasse für Kunden zu vereinfachen. Dazu hat Verband Leitlinien (Guidelines) erlassen.
Diese Richtlinien sollten von den Kfz-Versicherern in Europa im Rahmen des Binnenmarktes verwendet werden, um Informationen über den Schadenverlauf zu erleichtern, schreibt die Organisation. Kern der Leitlinie ist das Ziel, die Bestätigung der grenzüberschreitenden SF-Übertragung zu vereinheitlichen. Das heißt, dass die Kfz-Versicherer auf Wunsch ihren Kunden bzw. dem neuen Versicherer Mindestinformationen schriftlich bestätigen sollen.
Mindestinformationen in Englisch
Sieben Mindestinformationen hat Insurance Europe definiert, die eine Bestätigung enthalten soll: Name des Versicherers, Ausstellungsdatum, Name, Adresse und Geburtsdatum des Kunden, Versicherungsdauer und die Schadenhäufigkeit samt Schadendatum der vergangenen fünf Jahre. Die nationalen Versicherungsunternehmen können die SF-Bestätigung aber auch um weitere Daten ergänzen, wie zum Beispiel die Versicherungsscheinnummer. Die Leitlinien, empfiehlt der europäische Assekuranz-Dachverband, sollten an die nationalen Vorschriften angepasst werden.
Die Versicherer in Europa sollen diese SF-Bestätigung kostenlos und in einfacher englischer Sprache („simple English“) ausstellen. In der Erklärung von Insurance Europe heißt es explizit an zwei Stellen, dass es sich bei dieser Initiative um einen freiwilligen Anstoß („voluntary basis“) handelt. Dass die deutschen Kfz-Versicherer den Vorschlag von Insurance Europe umsetzen, gilt als sicher. Denn dass sich die Politik mit verbindlichen Gesetzen zur Wort meldet, liegt nicht im Interesse der Assekuranz.
Text: Umar Choudhry
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