Bereits seit 2014 verlangt die Europäische Zentralbank (EZB) Geld, wenn kurzfristige Anlagen bei ihr verwahrt werden. Gerade auch die deutschen Sozialversicherungsträger leiden daher heftig unter den anhaltenden Negativzinsen, wie das Beratungsunternehmen European Debt Solutions (EDS) berichtet hat. Demnach mussten auf Anlagen von mehr als 200 Mrd. Euro in den vergangenen Jahren Strafzinsen in Höhe von über 600 Mio. Euro gezahlt werden. „Darunter leidet besonders die Rentenversicherung“, stellt Sebastian Bergmann, Co-Gründer und CEO von EDS, fest. „Aber auch die Krankenkassen, die Pflegeversicherung und andere müssen draufzahlen.“
Gesetzliche Vorgaben verpflichten zu risikoarmen Anlageformen
Ein Grund für die Verluste: Die Sozialversicherungen sind laut Gesetz angehalten, in wenig riskante Anlagen zu investieren. So muss etwa die Deutsche Rentenversicherung Bund ihre gesetzlich vorgesehene Nachhaltigkeitsrücklage, die etwaige Schwankungen der Beitragseinnahmen der Rentenkasse im Jahresverlauf abfedert, „leicht verfügbar“ anlegen. „Leicht verfügbar heißt, dass ein Finanzpolster von bis zu 38 Mrd. Euro weit überwiegend in Form von Termingeldern und anderen geldmarktnahen, aufsichtskonformen Anlageprodukten mit einer Laufzeit von maximal zwölf Monaten angelegt wird“, erklärt Bergmann. Allein daraus sind in den vergangenen Jahren Strafzinsen von über 540 Mio. Euro fällig geworden. Dazu kommen die Krankenkassen, für die ähnliche Vorschriften gelten. „Grundsätzlich handelt es sich um alle Institutionen, die dem Sozialgesetzbuch unterliegen“, so Bergmann weiter.
Trendwende auch bei steigenden Zinsen zunächst nicht in Sicht
Der Gesundheitsfonds der gesetzlichen Krankenversicherer hat seit 2017 rund 24 Mio. Euro an Strafzinsen gezahlt, einzelne große Krankenkassen liegen noch darüber. So fielen allein bei der AOK 2018 9 Mio. Euro Strafzins an, bei der BARMER 2019 rund 3 Mio. Euro, bei der Techniker 2020 etwa 1,5 Mio. Euro und bei der IKK 2021 rund 1,2 Mio. Euro. „Alles das ist Geld, das aus dem Sozialsystem abgezogen wird“, kritisiert Peter Hoffmann, Co-Gründer und CTO bei EDS. „Eine Trendwende ist hier auch für dieses Jahr noch nicht in Sicht“, prognostiziert er. Auch wenn die Zinsen steigen – bei institutionellen Investoren komme das erst mit großer Verzögerung an. „Wir werden in den kommenden Monaten bestenfalls Schritte Richtung Null-Linie sehen“, sagt Hoffmann, „denn viele Finanzinstitute wollen jetzt erst einmal ihre eigenen Margen ausweiten.“ Für die Sozialversicherungsträger könnten die Strafzinsen also noch deutlich höhere Summen erreichen. (as)
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