Plädoyer für eine Beschränkung der Provisionierung
Ein Artikel von Frauke Heiligenstadt (SPD), Mitglied des Deutschen Bundestages und stellvertretende finanzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine betrifft alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens — unter anderem auch die Verzinsung von Krediten und Kapitalanlagen. Zwar steigen die Zinsen leicht an, dennoch befinden wir uns weiterhin auf einem anhaltend niedrigen Zinsniveau. Das erschwert den Anbietern, die zugesagten Versicherungsleistungen gegenüber ihren Kunden zu erbringen. Außerdem sind die Provisionen und die Vertriebskosten weiterhin so hoch, dass im Ergebnis für die Kunden keine rentable Kapitalanlage möglich ist.
Schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis
Die Kosten von Lebensversicherungen, besonders von Fondspolicen, stehen bei vielen Produkten in keinem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Die BaFin hatte im März 2022 eine Analyse veröffentlicht, in der sie das Missverhältnis vieler Produkte kritisiert.
Neben diesen allgemein politischen Entwicklungen treffen in dieser Debatte zwei Positionen aufeinander: Die Verbraucherschützer plädieren für eine Abschaffung des provisionsbasierten Vergütungssystems. Gleichzeitig fordern die Versicherungs- und Finanzproduktanbieter die Beibehaltung des provisionsbasierten Vergütungssystems. Zwischen diesen Positionen könnte ein Provisionsdeckel ein möglicher Kompromiss sein.
Provisionsdeckel dient Verbraucherschutz
Mit einem Provisionsdeckel könnten wir gesetzlich die Profitabilität eines Produktes aus Kundensicht wiederherstellen und gleichzeitig Fehlanreizen für Versicherungsvermittler entgegenwirken. Er soll die ergebnisoffene Beratung fördern und den Druck, auf einen Vertragsabschluss hinzuwirken, der möglicherweise nicht im Kundeninteresse liegt, verringern. Wenn die Vergütung ausschließlich auf Provisionsbasis erfolgt, ist nicht auszuschließen, dass sich ein Interessenkonflikt zwischen Vermittler und Verbraucher ergeben könnte. Für Vermittler besteht die Pflicht, im bestmöglichen Interesse der Kunden, also ergebnisoffen, zu handeln. Das fällt umso schwerer, je höher die Provision für ein Produkt für den Vermittler ist.
Die Abschlussprovisionen sollten künftig durch einen gesetzlichen Provisionsdeckel begrenzt werden. Die Abschlussprovision sollte sämtliche Vergütungen des Vermittlers für den Vertragsabschluss, auch verzögerte Provisionszahlungen, wie bedingt durch Stornohaftung, enthalten. Der Provisionsdeckel sollte so ausgestaltet werden, dass die Besonderheiten des Marktes berücksichtigt werden. Versicherungsanbieter sollen die Möglichkeit haben, im Rahmen eines Korridors auch höhere Provisionen zu zahlen, wenn bestimmte qualitative Merkmale vorliegen, wie zum Beispiel wenn Stornoquoten oder die Anzahl von Beschwerden gering sind.
Schlussfolgerung zum Plädoyer für eine Beschränkung der Provisionierung
Altersvorsorgeprodukte sind Vertrauensgüter. Die Verbraucher können die Qualität des Gutes nur mit einem hohen Aufwand selbst bewerten und vertrauen daher auf die Bewertung des Vermittlers. Mit einem Provisionsdeckel könnten wir zusätzlich die serösen Vermittler davor schützen, in Sippenhaft genommen zu werden, weil es eine Minderheit gibt, die nicht vorrangig im Interesse ihrer Kunden, sondern im Eigeninteresse handelt.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2022, S. 100, und in unserem ePaper.
Plädoyer gegen eine Beschränkung der Provisionierung
Ein Artikel von Anja Schulz (FDP), Mitglied des Deutschen Bundestages und des Finanzausschusses sowie selbstständige Finanzberaterin
Makler und Vermittler von Versicherungs- und Finanzprodukten erfüllen eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe: Sie tragen mit ihrer Beratung und Expertise ganz wesentlich zum langfristigen Vermögensaufbau innerhalb der Bevölkerung bei. Gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung und die damit einhergehende Notwendigkeit zur ergänzenden privaten Altersvorsorge ist qualifizierte Beratung unerlässlich. Mit einem Provisionsrichtwert – und damit dem faktischen „Provisionsdeckel durch die Hintertür“ – würde eine umfassende und flächendeckende Beratung für Makler und Vermittler in wirtschaftlicher Hinsicht zusehends unrentabel. Bereits heute ist die Branche stark reguliert – zunehmende Dokumentationspflichten inklusive. Somit würde der Richtwert zur Verschlechterung der Beratungsqualität und zu einer Einschränkung des Beratungsangebots beitragen.
Keine unerwünschten Marktergebnisse
Selbstverständlich gilt es Fehlanreize und Interessenkonflikte im Vertrieb zu vermeiden. Genau aus diesem Grund kann die BaFin bereits heute im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit etwaigen Missständen nachgehen und eigenständig gegenüber einzelnen Unternehmen tätig werden. Mit der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) und dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) verfügen wir über das entsprechend starke regulatorische Umfeld. Ein Richtwert hingegen unterstellt der Branche, dass sie den geltenden Wohlverhaltensregeln nicht ausreichend nachkommt. Gegen diese mitschwingende Behauptung spricht allerdings die lange Stornohaftungszeit von 60 Monaten (§ 49 Abs. 1 VAG), die unzureichenden Vermittlungen vorbeugt. Auch die seit Jahren rückläufigen und niedrigen Stornoquoten sowie das niedrige Niveau an Kundenbeschwerden bei der BaFin sprechen gegen flächendeckende Missstände in der Beratung.
Von unerwünschten Marktergebnissen kann demnach keinesfalls die Rede sein – das Gros der Vermittler und Makler arbeitet fair und seriös mit seinen Kunden zusammen. Ein unmittelbarer Eingriff in die freie Preisbildung – und damit in das Vergütungssystem – ist entsprechend ungerechtfertigt. Mit dem Inkrafttreten des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) 2014 und der Höchstzillmerung der Abschluss- und Vertriebskosten auf 25‰ sind die unmittelbaren Einnahmen für Makler und Vermittler bereits merklich gesunken.
Richtwert widerspräche der Branchenstruktur
Des Weiteren würde die Einführung eines Richtwerts der vielfältigen Branchenstruktur nicht gerecht werden und wiederum zu Marktverzerrungen führen, indem er die provisionsbasierte Beratung gegenüber anderen Vertriebsformen schlechter stellt. Der in Anbetracht der in Ruhestand gehenden Babyboomer dringend benötigte Nachwuchs wird nur schwer zu begeistern sein, wenn er fortwährend mit neuen gesetzlichen Vorgaben zu den persönlichen Einkommensperspektiven zu rechnen hat.
Schlussfolgerung zum Plädoyer gegen eine Beschränkung der Provisionierung
Für mich ist daher klar: Die Provisionsberatung sichert allen Bevölkerungsschichten einen breiten Zugang zu professioneller Finanzberatung. Das geht nur, wenn die Einnahmen nicht aus politischer Motivation weiter geschmälert werden, sei es in Form eines Provisionsdeckels oder eines sog. „Provisionsrichtwertes“.
Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2022, S. 101, und in unserem ePaper.
Bilder: © Photothek, © Felix Quittenbaum, © florian monsees/EyeEm – stock.adobe.com
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Leserkommentare
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Ausschüttungsmodus ist das Problem
Die Vergütungsform ist nicht das Problem sonder der Ausschüttungsmodus. Das VAG und die anderen Regulierungsknstrumente sollten genutzt werden um Vermittlern wie im Kompositgeschäft eine laufende Vergütung zu bezahlen. Der Anteil der Abschlussvergütung sollte auf 25 % zu Gunsten einer laufenden Vergütung gedeckelt werden an der Gesamtvergütung. Damit entfallen die Fehlanreize nahezu automatisch, da Kontinuität belohnt wird.
Bei einem Wegfall der Provision erleben wir britische Verhältnisse, einen Rückganz der Versicherungsquote in der Breite der Gesellschaft. Das bedeutet aber nicht einen Rückgang des Schaden- und Leistungsbedarfs. Des Weiteren sollte von all jenen die eine reinen Honorarvergütung fordern bedacht werden, das dies dann auch bei jeder Änderung, bei jedem Schaden etc. fällig wird.
Bei auskömmlichen Stundensätzen von 160 - 200 € zzgl. Mwst kann sich dass der Großteil nicht leisten. Die Stundensätze sind allerdings gerechtfertigt aufgrund der Komplexität, da sowohl steuerrechtliche, sozialversicherungsrechtliche, Vertrags- und versicherungsrechtliche Aspekte und bei Spezialsparten Beihilferechtliche und sonstige Aspekte in die Beratung mit einfließen - anlassbezogen eben.
Geht ein Kunde z.B. ins Ausland wendet er sich mit diesen ganzen Anliegen und Themen auch noch an seinen Vermittler. Durch Provisionen kann ein Vermittler das quersubventionieren im Bestand und das wird auch praktiziert. Anders geht das gar nicht. Ein guter Vermittler koordiniert dann das ganze Zusammenspiel mit Rechtsanwälten, Steuerberatern und Behörden etc. zugl. der ganzen Eigenrecherche.
Insofern ist nicht ein Entweder Oder die Lösung sondern ein Sowohl Als Auch um für die verschiedenen Konstellationen eine für alle Seiten faire Vergütung zu erzielen, denn nur dann ist ein Geschäft gut.
Bei den Produktkosten sollte sich die Politik sehr zurückhalten. Durch die häufigen Eingriffe über die Anlagenverordnung haben Sie die Kapitalanlagen in renditeträchtigere Assets so teuer gemacht für die regulierten institutionellen Investoren, dass Sie sich jetzt nicht beschweren darf. Wer Wind säht wird Sturm ernten. Risikomanagement und Risikokapitalunterlegung kostet einfach Geld.
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Provisionsdiskussion und die Moral
Vorab: Man muss sich in der heutigen Zeit über alle Möglichkeiten austauschen könne, auch über Provisionsdeckel. Das gehört zu einer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft dazu!
Allerdings halte ich diese moralisierende Argumentationslinie (es herrscht Krieg und Inflation -> Sparen ist schwierig -> daran sind die Versicherungswirtschaft und ihre Fehlanreize für unseriöse Vermittler*innen schuld, weil Letztgenannte (nur) an ihren eigenen Lebensunterhalt denken) für zutiefst heuchlerisch: Ersetzt man im Text von Frau Heiligenstadt nämlich Versicherungswirtschaft durch Politik, (seriöse) Vermittler*innen durch (seriöse) Politiker*innen und Kunden durch Bevölkerung (in Deutschland/Europa), so müssten und würden genau diese "Kunden" und "Kundinnen" auch diesem Text zu hundert Prozent zustimmen. Ich sehe aber nicht ansatzweise dieselben Bemühungen zur Veränderung der Existenzgrundlagen im Bereich von Diäten, Pensionen oder Nebeneinkünften oder im schon seit Ewigkeiten geplanten "Bürokratieabbau".
Anderen zum Sparen den Gürtel enger schnallen, ist halt doch angenehmer, als selber auf etwas zu verzichten. Soviel dann auch zum moralischen Vorbild (Frankfurt lässt grüßen)!
Also: Wenn eine moralische Diskussion geführt werden soll, dann gerne, aber mit offenen Karten und in allen Bereichen mit demselben Nachdruck und demselben Ziel.
Alles andere halte ich für einen fadenscheinigen "Kundenfang", für den sich jede seriöse Finanzvermittlerin und jeder seriöse Finanzvermittler schämen würde und bei dem letztlich auch ein "Für und Wider" zwar nett zu lesen ist, aber für mich mit einer Basis zur Entscheidungsfindung schon lange nichts mehr zu tun hat.
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